Wie geht es mit den Gasheizungen weiter?
In den kommenden Jahren soll die Zeit von Öl und Erdgas zum Heizen ablaufen. Gasheizungen werden trotzdem eine Zukunft haben, erklärt Energie-Schwaben-Chef Markus Last im Interview.
Herr Last, seit 1. Januar ist das Heizungsgesetz in Kraft, das den Ausstieg von fossilen Energieträgern beschleunigt, also von Erdgas und Öl. Entzieht Ihnen das nicht die Geschäftsgrundlage, immerhin hieß Ihr Unternehmen früher „Erdgas Schwaben“?
Markus Last: Davon gehen wir nicht aus, im Gegenteil. Wir sind sehr breit aufgestellt und bieten im Energiemarkt das komplette Produktspektrum an. Mit der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz ist die strombetriebene Wärmepumpe in den Vordergrund gerückt. Wärmepumpen eignen sich perfekt für Neubauten. In Deutschland gibt es aber 20 Millionen Bestandsgebäude. In unserem Versorgungsgebiet sind 86 Prozent der Einfamilienhäuser älter als 20 Jahre. Diese haben selten eine Fußbodenheizung, sie sind auch nicht auf dem modernsten Effizienzhausstandard. Für diese muss aber trotzdem eine Lösung gefunden werden. Die Wärmewende findet im Gebäudebestand statt. Hier Lösungen zu finden, ist bis 2028 Aufgabe der kommunalen Wärmeplanungen. Im Auftrag von 15 Kommunen in unserer Region führt Energie Schwaben bereits jetzt kommunale Wärmeplanungen aus.
Wie kann man entscheiden, welche Optionen für das eigene Haus bleiben?
Last: Bis 2028 haben wir in Deutschland ein klares Bild, wie die Versorgungslage aussieht, dann haben alle Gemeinden eine kommunale Wärmeplanung gemacht. In unserem Netzgebiet gibt es 302 Gemeinden. Eine Möglichkeit, die bei einer kommunalen Wärmeplanung geprüft wird, ist der Bau eines Nahwärmenetzes. Die Wärme kommt dann per Leitung zu den Häusern. Aber es gibt natürlich keinen Zwang, als Eigenheimbesitzer die Wärme auch abzunehmen. Unsere Mitarbeiter kontaktieren in den Gemeinden, die dafür infrage kommen, alle Immobilieneigentümer und fragen, ob Interesse an Nahwärme besteht. Nur wenn 60 bis 70 Prozent verbindlich Ja sagen, rentiert sich das Nahwärmenetz und kann – wenn alle anderen Faktoren passen – gebaut werden. Wir gehen aber davon aus, dass sich in vielen Kommunen wegen zu geringer Nachfrage ein Nahwärmenetz nicht rechnen wird. Der Bau kostet übrigens bis zu fünfmal so viel wie ein Gasnetz.
Was wäre dann die Alternative?
Last: Neben einem Nahwärmenetz bleibt als Alternative das Gasnetz, das später auf klimaneutrale Gase wie zum Beispiel grünen Wasserstoff umgestellt wird. Zahlreiche
Gemeinden in unserem Netzgebiet sind bereits an das Gasnetz angeschlossen, 100 der 302 Gemeinden haben noch kein Gasnetz. Die Kunden können weiter auf Gas setzen, sie müssen in Zukunft aber klimaneutrale Gase einsetzen. Das ist unsere Aufgabe. Wir treten an, klimaneutrale Gase nach BayerischSchwaben zu bekommen.
Und wenn sich weder Gas- noch Wärmenetz in einer Kommune rechnen?
Last: Dann bleiben dort nur dezentrale Lösungen, also Wärmepumpen und Pelletkessel.
Unter welchen Bedingungen kann man denn heute noch eine Gasheizung einbauen?
Last: Grundsätzlich können Sie weiterhin im Neubau und im Bestandsbau eine neue Gasheizung einbauen. Im Bestandsbau kommt es darauf an, ob Sie die Gasheizung vor oder nach dem 30. Juni 2028 einbauen. Bei Heizungseinbau nach dem 30. Juni 2028 gelten die gleichen Regelungen wie im Neubau, dann ist eine Beimischung von 65 Prozent grüner Gase nötig. Kunden, die eine neue Gasheizung vorher einbauen, müssen ab 1. Januar 2029 zu 15 Prozent klimafreundliche grüne Gase beziehen. Ab 2035 dann 30 Prozent, ab 2040 sind es 60 Prozent und ab 2045 schließlich, wie in allen anderen Fällen auch, 100 Prozent.
Gibt es denn solche Produkte?
Last: Ja, man kann diese Produkte bei uns alle schon kaufen. Wir haben Tarife mit 15, 30, 65 und 100 Prozent Biogas-Beimischung.
Die Kosten sind dann aber höher?
Last: Bei dem Tarif „Mein Bio 15“haben wir 15 Prozent Aufschlag, bei „Mein Bio 65“sind es derzeit 40 Prozent. Zugegeben, die Tarife nutzen bisher nur wenige, sehr umweltbewusste Kunden.
Haben Sie denn überhaupt genug Biogas?
Last: Es gibt große Mengen an Biogas, die wir bereits im System haben. Zukünftig werden wir noch mehr Biogas in das System bekommen. Zahlreiche Landwirte haben ihre Biogasanlagen bald zwanzig Jahre betrieben und fallen aus der Förderung durch das ErneuerbareEnergien-Gesetz. Dort ist Interesse da, das Rohbiogas künftig aufzubereiten und in das Gasnetz einzuspeisen, statt damit nur Strom zu erzeugen. Wir haben sechs Anschlussverträge unterschrieben, davon sind vier Anlagen in Bau. Sechs weitere sind in Vorbereitung. Damit können wir weitere 35.000 bis 40.000 Einfamilienhäuser mit Biogas versorgen. Biogas ist unsere kurz- und mittelfristige Strategie, um die Gasversorgung klimaneutral zu bekommen. Langfristig reicht Biogas aber nicht aus, um alle Privat- und Industriekunden
zu versorgen. Dafür brauchen wir den Wasserstoff.
Wasserstoff halten viele aber für eine Zukunftsvision. Wie könnte er in unsere Region kommen?
Last: Es gibt den bundesweiten Entwurf für ein Wasserstoff-Kernnetz – das Rückgrat der künftigen Wasserstoffversorgung. Unsere Region ist über eine Pipeline angebunden, die von Lindau über Ulm und Wertingen nach Ingolstadt geht. Dies bietet eine Basis, unsere Kunden mit Wasserstoff zu versorgen. Schritt für Schritt machen wir unser Gasnetz wasserstoffbereit. Bis 2035 ist es vollständig H2-ready. Bereits ab 2030 werden wir in Teilgebieten unseres Netzes 100 Prozent Wasserstoff anbieten.
Kritiker sagen, dass Wasserstoff aber ein rares Gut sein wird. Der „Champagner der Energiewende“, sagt Energieexpertin Claudia Kemfert.
Last: Ich denke, dass es genügend Produzenten in anderen Ländern und auch hierzulande geben wird, wenn die Nachfrage nach Wasserstoff verbindlich vorhanden ist. In Irland zum Beispiel gibt es große Mengen an Windkraft onshore – an Land – und große geplante Offshore-Projekte – auf dem Meer –, die man zur Wasserstofferzeugung einsetzen kann. Irland könnte damit der günstigste Wasserstoffproduzent in Europa werden. Lassen
Sie mich einen Vergleich machen, um zu verdeutlichen, wie schnell es gehen kann: Wer hätte denn vor 25 Jahren gedacht, dass wir eines Tages so viel FotovoltaikStrom im Netz haben werden wie heute? Aber wo ein Wille ist, da ist ein Weg.
Sollte man den Wasserstoff aber nicht zuerst für Bereiche reservieren, wo er am dringendsten gebraucht wird? Die Stahlindustrie, neue Wasserstoff-Kraftwerke?
Last: Da bin ich leidenschaftslos. Wenn der Wasserstoff zuerst in der Stahlindustrie und in Gaskraftwerken nötig ist, soll er dort eingesetzt werden. Wissen muss man, dass aber das Netz Gebiet für Gebiet auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt werden wird. Wenn zum Beispiel ein neues Wasserstoff-Kraftwerk in unserer Region in Betrieb geht, muss auch das Netz dort auf Wasserstoff umgestellt werden. Es ist dann ein Leichtes, den Wasserstoff auch für private Verbraucher freizugeben.
Wird Wasserstoff nicht sehr teuer sein?
Last: Den künftigen Preis von Wasserstoff kenne ich noch nicht. Aber im Vergleich zu dem, was Solarstrom vor 25 Jahren gekostet hat, ist sogar der jetzige Wasserstoffpreis um ein Vielfaches näher am Markt. Sicher ist aber, dass fossile Energieträger ebenfalls teurer werden, weil der Preis für CO2 steigt, das bei der Verbrennung frei wird. Bei Strom für Wärmepumpen wiederum ist mit steigenden Kosten für den Netzausbau und damit den Netzentgelten zu rechnen.
Gibt es denn Heizungen, die mit Wasserstoff zurechtkommen?
Last: So gut wie alle modernen Gasheizungen kommen heute mit 20 Prozent Wasserstoff zurecht. Wir kennen inzwischen zwei Hersteller – Viessmann und Vaillant –, die Heizungen bauen, die später mit einem Nachrüstset einfach für 100 Prozent Wasserstoff fit gemacht werden können. Das Set wird zwischen 250 und 300 Euro kosten. Es gibt in Oberbayern ein Wasserstoff-Pilotgebiet. Dort sind Heizungen im Einsatz, die bereits heute mit 100 Prozent Wasserstoff arbeiten.