Filmreife Rettungsaktion in Mindelheim
Nicht immer geht es so spektakulär zu wie bei Roland Ledermann, aber immer kommt es bei einem Herzstillstand auf jede Sekunde an und helfen kann wirklich jeder.
„Wenn so was in einem Film vorkommen würde, würde man sagen: Das kann ja gar nicht sein“, sagt Roland Ledermann und grinst. Denn der filmreifen Rettungsaktion, von der er spricht, verdankt der Ottobeurer sein Leben. Und auch Thomas Hummel aus Stetten und der frühere Zweite Bürgermeister von Mindelheim, Heinz Drexel, sind dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen – weil Helfer zur Stelle waren, die sie rechtzeitig wiederbelebt haben.
Roland Ledermann ist Hausmeister bei der Genossenschaftsbank in Bad Wörishofen. An diesem Tag im August 2021 machen sich in der Mittagspause Schmerzen in seiner Brust bemerkbar, die auch nach der kleinen Auszeit nicht besser werden. Weil nicht daran zu denken ist, weiterzuarbeiten, setzt sich der damals 57-Jährige ins Auto, um nach Ottobeuren in die Notaufnahme zu fahren. Doch so weit kommt er nicht. „Ich hab mir noch überlegt, ob ich über die Autobahn fahre oder lieber über Land“, erinnert er sich – und ist heute noch froh, dass er sich für Letzteres entschieden. Denn kurz vor Mindelau verliert er das Bewusstsein. „Die Kurve ist das letzte, woran ich mich erinnere“, sagt er.
Dafür erinnert sich Tobias Fleschhutz umso besser an diesen Tag, der auch für den Sanitäter des BRK alles andere als gewöhnlich war. Er ist mit seiner Kollegin Susan Loock gerade auf dem Rückweg von einem Einsatz, als ihm Ledermanns Auto auffällt, das ihnen langsam entgegenkommt. „Der Fahrer lag krampfend im Sitz“, erzählt er. Seine Kollegin nahm die Verfolgung auf, kletterte über die Beifahrertür ins Auto und zog den Zündschlüssel. „Dann hat sie mir zugerufen: Tobi komm, der hat keinen Puls mehr.“Gemeinsam ziehen sie Roland Ledermann aus dem Auto, beginnen mit der Herzdruckmassage und schließen ihn an den Defibrillator an. Nach nur einem Stromstoß öffnet Roland Ledermann die Augen und ist wieder ansprechbar – auch wenn er sich daran beim besten Willen nicht mehr erinnern kann. „Ich bin so was von heilfroh, dass die da waren“, sagt er. Er ist überzeugt, an diesem Tag gleich mehrere Schutzengel gehabt zu haben.
Im Krankenhaus in Mindelheim werden ihm mehrere Stents in seine verengten Herzkranzgefäße gesetzt, das sind kleine Metallgitterröhrchen, die verhindern, dass sich die Gefäße erneut verschließen. Heute ist er zwar nicht mehr ganz so leistungsfähig wie vor diesem akuten Notfall, aber froh, dass sein Hirn durch den Herzstillstand nicht geschädigt wurde und es ihm gut geht. „Der da oben will mich noch nicht“, sagt er und schmunzelt. Weil er es gleichwohl nicht darauf ankommen lassen möchte, mache er sich inzwischen weniger Stress und achtet mehr auf sich.
Das kann auch Thomas Hummel aus Stetten unterschreiben. „Man tut ruhiger“, sagt der 52-Jährige, der vergangenen August einen Herzinfarkt hatte. Als er in der Früh aufstand, waren da dieser Druck in der Brust, die Schmerzen im Arm und der kalte Schweiß, der ihm ausbrach. „Mir war gleich klar, dass da was nicht stimmt und habe meine Frau gebeten, den Notarzt zu rufen“, erzählt er. Als ihn die Sanitäter wenig später auf einem Stuhl durch den Garten zum Rettungswagen tragen, spricht er noch mit ihnen, als sie ihn auf die Liege heben, beginnt er plötzlich zu krampfen. „Ich war schon bei den Toten“, sagt Hummel. Doch die Herzdruckmassage der Sanitäter und ein Stromstoß aus dem Defibrillator bringen ihn ins Leben zurück – und zwar weitgehend unbeschadet. Vom Kopf her sei er der gleiche wie vorher, sagt er, nur beim Atmen habe er noch Probleme. Aber was ist das schon, wenn man bedenkt, dass der Infarkt auch ganz anders hätte ausgehen können, wenn Hummel die Symptome nicht gleich richtig gedeutet hätte.
Auch Heinz Drexel hatte im Januar 2013 großes Glück: Er liegt auf dem Sofa, als er plötzlich besonders tief einatmet. Seine Frau schaut deshalb zu ihm hinüber, merkt, dass ihr Mann bewusstlos geworden ist und ruft umgehend den Notarzt. Und dann tut sie das, was sie kurz zuvor bei einer früheren „Hand-aufs-Herz“-Aktion gelernt hat: Sie beginnt mit der Wiederbelebung.
„Ich hab’ einfach nur gedrückt und gepumpt. Mehr hab’ ich nicht gemacht“, sagt Helga Drexel, die ihre Geschichte am liebsten gar nicht erzählen würde, weil sie nicht gerne im Mittelpunkt steht. Aber diese Botschaft ist der zierlichen Frau einfach wichtig: „Das können alle.“Sie möchte andere dazu animieren, einen der Vorträge von „Hand aufs Herz“zu besuchen, der ihr und damit letztlich ihrem Mann so geholfen hat. Es handelt sich dabei um eine Aktion der Kliniken Mindelheim und Ottobeuren sowie des BRK Unterallgäu, in der die Besucherinnen und Besucher in aller Kürze alles Wichtige rund um die Wiederbelebung erfahren und sie an Puppen üben können.
Heinz Drexel jedenfalls ist froh, dass er den Kurs damals mit seiner Frau besucht hat – obwohl sie beide nie damit gerechnet hätten, das Erlernte schon wenig später einmal zu brauchen.
Weil seine Frau so schnell gehandelt hat, ist der 82-Jährige heute wieder topfit – und feiert seither zweimal im Jahr Geburtstag: Am Jahrestag des Herzstillstands geht er mit der ganzen Familie essen und seine Frau bekommt den Blumenstrauß, den sie sich – wie eine Krankenschwester damals augenzwinkernd anmerkte – eigentlich jede Woche verdient hätte.