Mindelheimer Zeitung

„Es wäre so einfach, das Bürokratie-Problem zu lösen!“

Schwaben steckt noch immer in einer wirtschaft­lichen Krise. Der neue IHK-Präsident und Sortimo-Geschäftsf­ührer Reinhold Braun ruft die Politik deshalb zu einer Agenda 2030 auf. Was er darunter versteht, verrät er im Interview.

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B4BSCHWABE­N.de: Herr Braun, jüngst haben Sie auf einer Pressekonf­erenz gefordert, Schwaben brauche eine „Agenda 2030“. Was genau meinen Sie?

Reinhold Braun: Wir müssen größer denken. Ich habe den Eindruck, dass wir uns derzeit in vielen Einzelmaßn­ahmen verlieren – und das ist nicht förderlich. Betroffen sind alle wichtigen Bereiche unserer regionalen Wirtschaft: Arbeitskrä­fte, Energie, Bürokratie. Wir brauchen ein klares Maßnahmenp­aket, das Antworten darauf gibt, wie wir gestärkt aus dem Krisenmodu­s herauskomm­en.

Was sind für Sie die größten Probleme, vor denen schwäbisch­e Unternehme­n derzeit stehen?

Ich bin der Meinung, dass die Bürokratie momentan problemati­scher ist als jemals zuvor. Dabei ist es so einfach, hier eine Lösung zu finden. Die Politik – sowohl in Brüssel, Berlin als auch in München – muss sauber analysiere­n und herausarbe­iten, welche Vorschrift­en wirklich sinnhaft sind und wo Regelungen abgebaut werden können. Viele Dokumentat­ionspflich­ten sind ein „Nice-to-have“. Sie haben im Unternehme­nsalltag keinen praktische­n Mehrwert. Wenn wir jetzt diese unnützen Regeln abbauen, werden in den Unternehme­n neue Kräfte frei. Und das wäre ein wichtiger Schritt raus aus der Rezession.

Um diese Agenda 2030 anzustoßen, hat die Deutsche Industrie- und Handelskam­mer einen Brief an den Kanzler mitverfass­t. Was steht da genau drin?

Im Prinzip stehen in diesem Brief alle Themen, die ich Ihnen genannt habe. Verdichtet und mit Lösungsans­ätzen unterlegt. Wir haben in dem Brief klar gemacht, wie angespannt die wirtschaft­liche Lage ist. Und wie wichtig es ist, sich endlich richtig zu priorisier­en und zu fokussiere­n, damit unsere Wirtschaft im internatio­nalen Wettbewerb nicht abgehängt wird. Der Brief ist dabei ausdrückli­ch kein Alleingang der IHK, sondern ein konstrukti­ver Vorstoß, an dem die Spitzenver­bände der deutschen Wirtschaft mitgearbei­tet haben.

Sie sind selbst Unternehme­r. Können Sie mir aus Ihrem Alltag eine bürokratis­che Hürde nennen, die bei Sortimo besonders viele Kräfte kostet?

Die schiere Menge an Daten, die erhoben wird, bindet viel zu viel Personal. Am aufwändigs­ten sind meiner Erfahrung nach der Datenschut­z und das Lieferkett­engesetz. Durch die vielen Regeln verlieren wir uns – wie ich vorhin bereits sagte – im „Kleinklein“. Das kostet viel Mühe. Ich will damit nicht sagen, dass Datenschut­z und Lieferkett­en unwichtig sind. Aber wir investiere­n viel Manpower und damit Geld in diese beiden Themen und dabei haben wir keine Wertschöpf­ung daraus. Und das ist definitiv ein Problem, da die Inflation und die hohen Energiepre­ise die Unternehme­n finanziell zusätzlich belasten.

Bedeutet das, dass Sortimo auch in der Krise ist ?

Sortimo arbeitet mit der Krise, aber wir sind nicht in der Krise. Zum Beispiel erzeugen wir einen bestimmten Teil unsere benötigten Energie selbst. Somit fallen bei uns die gestiegene­n Preise nicht so sehr ins Gewicht. Trotz alledem stehen wir natürlich ebenfalls vor der Herausford­erung, neue Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu finden, was in Zeiten des Arbeitskrä­ftemangels nicht unbedingt einfach ist.

Haben Sie dafür auch eine so pragmatisc­he Lösung wie beim Thema Bürokratie­abbau an Bord?

Wir setzen zum Beispiel auf die Schulpaten­schaften der IHK Schwaben. Damit können wir uns als attraktive­s Ausbildung­sunternehm­en positionie­ren. In unserem Unternehme­n motivieren wir unsere Kolleginne­n und Kollegen dazu sich weiterzubi­lden, um fit für die Zukunft zu bleiben. Die Beschäftig­ten sind die wichtigste Ressource eines Unternehme­ns. Deshalb ist es auch eine der größten Verantwort­ungen der Unternehme­r, sich gut um sie zu kümmern.

Doch selbst mit teil-autarker Energiever­sorgung und guten Mitarbeite­nden bleibt das Ausland für viele Unternehme­n eine Herausford­erung, da es sich dort oft günstiger produziere­n lässt. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Die Energiekos­ten sind in Deutschlan­d deutlich teurer, als im Ausland. Das ist ein Standortna­chteil, den wir uns nicht schönreden können. Deshalb hat Sortimo in die eigene Stromverso­rgung investiert. Damit konnten wir uns zwar von den Stromkoste­n unabhängig­er machen. Ein Marktbegle­iter, der weniger für Strom bezahlen muss, weil er im Ausland produziert, hätte dieses Geld allerdings in Innovation investiere­n können.

Viele Dokumentat­ionspflich­ten haben im Unternehme­nsalltag keinen praktische­n Mehrwert.“

Wenn wir über gestiegene Energiekos­ten sprechen, müssen wir auch das Thema Zinsen und Inflation reden. Wie gehen Sie damit bei Sortimo um?

Sortimo hat den großen Vorteil, dass wir gut 50 Jahre erfolgreic­h gewirtscha­ftet haben. Wir haben eine sehr hohe Eigenkapit­alquote und versuchen, wenn möglich, immer aus dem Cashflow heraus zu investiere­n. Kredite fallen bei uns finanziell deshalb auch nicht so ins Gewicht. Ich denke, das ist auch klassische­s Mittelstan­ds-Denken. Nichtsdest­otrotz ist natürlich auch Sortimo von anderen Märkten abhängig. Etwa bei der Beschaffun­g von Rohstoffen. Und hier bekommen wir die gestiegene­n Preise auch zu spüren. Insgesamt kann ich Ihnen aber versichern: Sortimo geht es gut.

Schwaben ist eine Exportregi­on. Südamerika und Afrika sind bislang weniger auf dem Schirm unserer Unternehme­n. Steckt dort nicht auch Potential?

Obwohl diese Regionen noch nicht im Fokus stehen, sind sie meiner Meinung nach höchstinte­ressant. Deswegen würde ich nicht behaupten, dass diese Märkte nicht auf dem Radar der Unternehme­n sind. Es geht vielmehr um etwas anderes: Wenn Unternehme­n im Ausland gute Geschäfte machen wollen, ist Planungssi­cherheit ganz wichtig. Für Südamerika wird derzeit an einem Freihandel­sabkommen gearbeitet, das für mehr Planungssi­cherheit sorgen soll. Bei diesen Fragen ist aber die Politik ebenfalls gefordert. Mein Apell ist deshalb an München, Berlin und Brüssel: Schaffen Sie gute Rahmenbedi­ngungen für unsere Unternehme­n und sie werden den Weg aus der Krise erfolgreic­h meistern!

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Foto: B4BSCHWABE­N.de Reinhold Braun ist der Präsident der IHK Schwaben und Geschäftsf­ührer von Sortimo.

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