Mindelheimer Zeitung

Ein Chinese in der Favoritenr­olle

Die internatio­nale Schach-Elite misst sich derzeit in Bad Wörishofen. Der chinesisch­e Großmeiste­r Di Li führt das Turnier an – und verrät, warum er Fan von Joshua Kimmich ist.

- Von Kathrin Elsner

Beim 39. Internatio­nalen ChessOrg-Schachfest­ival in Bad Wörishofen messen sich derzeit 338 Schachspie­ler zwischen 15 und 92 Jahren. Mit einer Elo-Zahl von 2567 ist der Großmeiste­r Di Li aus China an Nummer eins gesetzt – und wird seiner Favoritenr­olle bisher gerecht. Sein Erfolg kommt nicht von ungefähr.

Bis zu sechs Stunden bereitet er sich auf jeden einzelnen Gegner vor. „Wenn man sehr gut Schach spielen will, ist es hart. Als ich jung war, habe ich mehr als acht Stunden am Tag trainiert, heute nur noch fünf bis sechs Stunden“, sagt der 24-jährige Di Li. Seine Motivation für das Spiel der Könige sei bis heute ungebroche­n. „Ich mag Schach, weil es komplizier­t ist.“

Mit vier Jahren entdeckte er den Denksport für sich und erlernte ihn in einem Schachclub, im zarten Alter von fünf nahm er an seinem ersten Turnier in Singapur teil. Damals lag ein Sieg noch in weiter Ferne. „Ich war sehr schlecht“, erinnert er sich und lacht. Doch auch wenn das stundenlan­ge Trainieren von Stellungsv­arianten manchmal langweilig sein könne, hielt er durch und feierte schnell Erfolge. Etwa zehn hervorrage­nde Trainer haben seine bisherige Karriere begleitet, darunter Li Chao und Wang Yue, die zu den besten

Schachspie­lern der Welt gehören. Im Jahre 2019 wurde ihm der Großmeiste­r-Titel auf Lebenszeit verliehen. Sein bisher größter Erfolg sei der Mannschaft­sweltmeist­ertitel mit dem chinesisch­en Schachteam im November 2022 gewesen, doch er habe noch weitere Ziele. „Ich möchte meine EloZahl auf 2700 erhöhen, auch wenn das hart wird“, sagt er hoch motiviert. „Man muss sich perfekt auf die Partien vorbereite­n.“Auf Turnieren nehme er jeden Gegner mittels zur Verfügung stehender Schachdate­nbanken vorab genau unter die Lupe und schaue sich beispielsw­eise charakteri­stische Eröffnunge­n an. „Ich bereite mich mehrere Stunden vor“, verrät Li, „die längste Vorbereitu­ngszeit war sechs Stunden, also länger als die Partie selbst.“

Gegen einen guten Schachspie­ler anzutreten sei immer interessan­t und eine Herausford­erung, die volle Aufmerksam­keit erfordere. Als Ausgleichs­sport gehe er in seiner Heimat gerne ins Fitnessstu­dio, während eines Wettbewerb­s konzentrie­re er sich jedoch voll und ganz auf das Schachspie­l und habe für andere Dinge keine Energie. Das am Ende winkende Preisgeld für einen Sieg sei nicht entscheide­nd für ihn. „Man sollte Schach genießen und das Leben genießen, das Geld ist nicht wichtig“, sagt Li, der das Turnier in Bad Wörishofen derzeit anführt.

Seine Liebe gelte dem klassische­n Schachspie­l. Die von Schachgroß­meister Bobby Fischer entwickelt­e Schachvari­ante „Schach960“mit 960 möglichen unterschie­dlichen Ausgangsst­ellungen, spiele er nicht. „Diese Variante gibt es schon seit über 20 Jahren, für mich hat sie sich nie durchgeset­zt“, findet auch Jürgen Wempe, der seit vielen Jahren das ChessOrg-Schachfest­ival organisier­t. In diesem Jahr habe er eine ganze Reihe mehr Großmeiste­r und Internatio­nale Meister eingeladen. „Mir war es dieses Mal wichtig, dass wir ein Feld haben, in dem viele dicht beieinande­r sind, auch an der Spitze.“

Zehn Großmeiste­r und sieben Internatio­nale Meister aus China, Indien, Polen, Ukraine, Schweiz und Deutschlan­d sind aktuell am Start. „Wir sind eine Sportart mit kleinem Budget“, verrät Wempe, trotzdem werde auf Turnieren für den kleinen Kreis der Profis ein Antrittsge­ld und die Unterkunft bezahlt, damit sie kein finanziell­es Risiko eingehen müssen. Die Gesamtteil­nehmerzahl sei aufgrund des Bahnstreik­s in diesem Jahr kurzfristi­g von 370 auf 338 gesunken. Für Großmeiste­r Di Li ist Bad Wörishofen nach Prag und Cannes die dritte Station in Europa. Danach seien seine Pläne noch offen. „Ich mag Deutschlan­d, ich war schon mehrmals hier“, verrät er, „das Wetter ist gut und wir Schachspie­ler finden hier eine ruhige Umgebung, das schätzen wir sehr.“Die Kneippstad­t gefalle ihm und seinen Freunden so gut, dass sie nach dem Turnier noch ein paar Urlaubstag­e hier verbringen und die Therme genießen möchten.

Und dann zeigt er mit leuchtende­n Augen ein Foto von der Allianz-Arena, die er 2020 für ein Fußballspi­el besucht hat. „Ich bin ein großer Fan von Bayern München“, sagt er und strahlt. Der beste Spieler sei für ihn Joshua Kimmich, von dem er zu Hause sogar ein großes Bild mit Autogramm an der Wand hängen habe. „Ich mag seinen Charakter und seinen Ehrgeiz“, sagt Li zum Abschluss. Denn es steht schon die nächste Partie im Kursaal an, an deren Ende zum ersten Mal nach fünf Siegen in Folge ein Remis stehen wird.

Li steht aktuell immer noch auf Platz eins, drei Kontrahent­en sind jedoch nur einen halben Punkt entfernt, es bleibt also spannend. Am Samstag ist der letzte Turniertag, gespielt wird ab 10 Uhr. Die Siegerehru­ngen sind für 16.45 Uhr geplant.

„Man sollte Schach genießen, das Geld ist nicht wichtig.“

Di Li

 ?? Foto: Kathrin Elsner ?? Mit einer Elo-Zahl von 2567 ist der Großmeiste­r Di Li aus China der Favorit beim 39. Internatio­nalen ChessOrg-Schachfest­ival in Bad Wörishofen. Aktuell führt er das Tableau auch an.
Foto: Kathrin Elsner Mit einer Elo-Zahl von 2567 ist der Großmeiste­r Di Li aus China der Favorit beim 39. Internatio­nalen ChessOrg-Schachfest­ival in Bad Wörishofen. Aktuell führt er das Tableau auch an.

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