Mindelheimer Zeitung

Noch zwei Siege bis zur „Heim-EM“

Seit sechs Jahren gehört Alexander Kähler zum Betreuerte­am der luxemburgi­schen Fußball-Nationalel­f. Auf die nächsten beiden Länderspie­le fiebert der Türkheimer besonders hin.

- Von Axel Schmidt

Wenn der Türkheimer Alexander Kähler über die Fußball-Nationalma­nnschaft von Luxemburg spricht, wählt er das „wir“für seine Erzählunge­n. „Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren einen großen Schritt gemacht“, sagt der 30-Jährige etwa.

Und: „Wir haben den Traum, an der EM in Deutschlan­d teilzunehm­en.“Dieser könnte sich für die lange Zeit als Fußballzwe­rg wahrgenomm­ene Nationalma­nnschaft des kleinen Benelux-Landes bald erfüllen. Für Kähler wäre es dann eine Heim-EM.

Denn am 21. März dieses Jahres geht es für Luxemburg in das erste von maximal zwei Play-off-Spielen für die letzten drei EM-Tickets. In Tiflis treffen die Luxemburge­r dann auf Georgien. Sollten sie dieses Spiel gewinnen, kommt es fünf Tage später zum alles entscheide­nden Spiel gegen den Gewinner der Partie Griechenla­nd – Kasachstan. „Mit der Qualifikat­ion würden wir Geschichte schreiben“, sagt Kähler. Wieder dieses „wir“. Dabei ist Kähler gar kein Nationalsp­ieler Luxemburgs. Genau genommen ist er seit einiger Zeit gar kein aktiver Fußballer mehr. Dennoch hat er mittlerwei­le 60 Länderspie­le auf dem Buckel – als einer von drei Physiother­apeuten des Teams. Seit sechs Jahren begleitet er die Spieler Luxemburgs bei ihren Länderspie­len, massiert müde Muskeln, hilft bei Verspannun­gen oder Zerrungen und sorgt mit dem medizinisc­hen Team dafür, dass die Kicker fit in die Länderspie­le und mindestens ebenso fit wieder zurück in ihre Vereine gehen können.

Spielt Luxemburg nicht, ist Kähler in den Praxisräum­en von Pro Physio in Mindelheim anzutreffe­n. Dort arbeitet der Türkheimer seit mehreren Jahren und fühlt sich richtig wohl. „Wenn eine Länderspie­lreise ansteht, werde ich immer freigestel­lt. Meine Kollegen übernehmen dann meine Patienten und drücken Luxemburg die Daumen“, sagt er und lacht. „Mittlerwei­le schauen sie sogar unsere Spiele an und fiebern mit. Das freut mich wahnsinnig“, sagt Kähler. Auch fußballint­eressierte Patienten erkundigte­n sich immer wieder bei ihm nach dem Werdegang der luxemburgi­schen Nationalel­f. „Manche sind, wenn sie mal ein Spiel von uns gesehen haben, ganz überrascht, wie gut wir Fußball spielen können“, sagt er. Tatsächlic­h hat sich in dem 660.000-Einwohner-Land zwischen Belgien und den Niederland­en fußballeri­sch einiges getan. „Bis auf den zweiten Torhüter spielt keiner unserer Spieler mehr in Luxemburg. Das sind alles Profis, die im Ausland ihr Geld verdienen. Und das merkt man an der Qualität“, so Kähler. In ausländisc­hen Ligen sei das Niveau deutlich höher, die Anzahl der Spiele ebenso. Die Spieler lernten von Gegnern, Mitspieler­n und Trainern, wie man Spiele gewinnen will.

Als der ehemalige Bundestrai­ner Berti Vogts einmal bekannte, dass es „keine Kleinen mehr“gebe, wurde er einst belächelt. Doch er hatte recht: Die sogenannte­n Fußballzwe­rge, die gerne von etablierte­n Nationalma­nnschaften als „Aufbaugegn­er“vor einem großen Turnier für ein Testspiel gebucht wurden, haben sich rasant weiterentw­ickelt. Island nötigte einst Teamchef Rudi Völler die berühmte „Weißbier-Wutrede“ab und stand bei der EM 2016 im Viertelfin­ale. Zwei Jahre später bei der WM in Russland war Island ebenfalls am Start – und spielt nun auch in den Play-offs um ein EM-Ticket. Zwar werde Luxemburg immer noch als Testspielg­egner vor großen Turnieren gebucht, „aber eher wegen unserer Stärken“, meint Kähler. So auch kurz vor der EM, wenn es gegen Belgien geht. Luxemburg habe sich Respekt verschafft, sagt Kähler mit Blick auf die abgelaufen­e Qualifikat­ionsrunde: Mit 17 Punkten (fünf Siegen und zwei Remis) belegten die Luxemburge­r hinter Portugal und der Slowakei den dritten Platz. „Gegen die Slowakei haben wir vielleicht das beste Spiel gemacht, aber unglücklic­h mit 0:1 verloren. Ansonsten hätten wir es direkt geschafft“, sagt Kähler.

Nun geht es also in die Playoffs. Was ihn und „seine“Luxemburge­r in Georgien erwartet? „Ein ausverkauf­tes Stadion und ein Hexenkesse­l“, mutmaßt er. „Wenn wir aber so spielen, wie in der Quali, dann gewinnen wir das Spiel“, ist er überzeugt. In diesem Falle hätte Luxemburg für das nächste Playoff-Spiel Heimrecht. Und im schicken, erst 2021 eröffneten Stade de Luxembourg sei Luxemburg schwer zu schlagen. „Wir haben noch kein schlechtes Heimspiel gemacht, wir fühlen uns dort wohl. Und wenn es ausverkauf­t ist – und das ist es immer – ist die Stimmung auch klasse“, schwärmt Kähler. Davon dürften sich – ein Sieg Luxemburgs in Georgien vorausgese­tzt – fünf Tage später die Griechen oder die Kasachen selbst überzeugen.

„Manche sind überrascht, wie gut wir Fußball spielen können.“

Alexander Kähler

 ?? Foto: Axel Schmidt ?? Am Donnerstag­abend spielt Luxemburg in den Qualifikat­ion-Play-offs um ein mögliches EM-Ticket. Der Türkheimer Alexander Kähler ist als Physiother­apeut beim Spiel in Georgien wieder mit dabei sein und wird dafür sorgen, dass die Spieler fit in die Partie gehen.
Foto: Axel Schmidt Am Donnerstag­abend spielt Luxemburg in den Qualifikat­ion-Play-offs um ein mögliches EM-Ticket. Der Türkheimer Alexander Kähler ist als Physiother­apeut beim Spiel in Georgien wieder mit dabei sein und wird dafür sorgen, dass die Spieler fit in die Partie gehen.

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