Frau verstrickt sich in Widersprüche
Bei einem Vergewaltigungsprozess in Memmingen greift der Staatsanwalt zu einer außergewöhnlichen Maßnahme.
Wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und verschiedener anderer Straftaten wie Körperverletzung muss sich ein 30-Jähriger vor dem Memminger Landgericht verantworten. Zu Beginn erzählt er dem Gericht, wie seiner Meinung nach alles geschehen sei. Die beiden betroffenen Frauen im Alter von 26 und 29 Jahren hatten die Vorfälle bei der Polizei allerdings anders geschildert.
Der Angeklagte und die Frauen lernten sich unabhängig voneinander im Jahr 2023 kennen. Der 30-Jährige durfte in ein Zimmer der 29-Jährigen in Memmingen ziehen und sie verstanden sich zunächst gut. „Sie war die beste Frau in meinem Leben, sie hat mir viel geholfen“, erzählt er vor Gericht. Die Beziehung verschlechterte sich aber zusehends. Der Angeklagte lernte nebenher die 26-Jährige kennen und lieben. Mit beiden Frauen spielte nach seinen Worten Sex eine wichtige Rolle. Vor allem bei der 26-Jährigen war Sex gewünschterweise mit körperlichen Gewaltanwendungen wie Schlagen und Quälen verbunden, wie sie vor
Gericht aussagt. Als sich die beiden Frauen mit ihrem Begleiter beim Ikarus-Festival 2023 in Memmingerberg zufällig über den Weg liefen, kam es zum Streit mit gegenseitigem Bespucken.
Als der 30-Jährige der einen Frau sagte, dass er nun die andere liebe und heiraten wolle, brachen die Beziehungen zwischen allen Beteiligten ab. Trotzdem kam es mit der 29-Jährigen nochmals zu einem, wie sie betonte, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Sie lud den Mann ein, in ihrer Wohnung zu bleiben, was er kurze Zeit auch machte. Als Reaktion auf eine Schlägerei, die im Bekanntenkreis der beiden Damen und des Angeklagten stattfand, kam im September 2023 die Polizei ins Spiel. Bei den Aussagen der Frauen wurden die Beamten hellhörig, da in Bezug auf den 30-Jährigen viel von körperlicher Gewaltanwendung die Rede war. „So einer gehört doch ins Gefängnis“, sagten die Frauen gegenüber der Polizei und unterschrieben eine entsprechende Anzeige. Die Verhaftung des Mannes und die Unterbringung in Untersuchungshaft folgten.
Für das Gericht ergaben sich aus den textlich festgehaltenen umfangreichen Handy-Audiodateien der 26-jährigen Frau viele Hinweise auf ihr Erleben des Geschehens. Auf eine Vergewaltigung ging sie jedoch nicht ein. Auch in der Gerichtsverhandlung
will sie eine sexuelle Gewaltanwendung durch den Angeklagten nicht bestätigen. „Ich mag es, beim Sex fest angepackt zu werden. Das habe ich der Polizei gesagt, es wird aber im Protokoll nicht erwähnt.“
Letztlich gibt es viele Widersprüche zwischen der Erstvernehmung der Frau und ihren Aussagen vor Gericht. Das bringt auch den Staatsanwalt zu einer außergewöhnlichen Aktion. Er will sich vom Richter als Zeuge vernehmen lassen, da er bei der Vernehmung der 26-Jährigen im November noch mit anderen Aussagen konfrontiert worden sei. Außerdem geht er davon aus, dass sich die Frau in Anwesenheit des Angeklagten aus Angst nichts sagen traue. So wird der Angeklagte vom Richter von der Verhandlung ausgeschlossen. Doch die Frau sagt gegenüber Richter Bernhard Lang, dass sie keinerlei Ängste habe. So darf der 30-Jährige wieder zurück in den Gerichtssaal.
Für die Zeit seiner Zeugenaussage und die weitere Verhandlung musste der Staatsanwalt für sich einen Vertreter besorgen. Als weitere Zeugen wurden noch Polizeibeamte, eine Gynäkologin und ein Krankenhausarzt befragt. Sie berichteten, dass es keine Hinweise auf Verletzungen durch eine mögliche Vergewaltigung gebe. Das Memminger Landgericht hat für die Verhandlung noch weitere Termine angesetzt.
Streit mit gegenseitigem Bespucken