„Bei uns fehlt sich gar nichts“
100 Geflüchtete leben in Jengen. Vor wenigen Wochen kamen 40 Männer hinzu. Laut Bürgermeister klappt das Zusammenleben gut. Was der Schlüssel zum Erfolg ist. In Türkheim wird am 8. April diskutiert.
Jengen/Türkheim Seit wenigen Wochen leben 40 junge Männer in Jengen. Sie sind Asylbewerber. Und sie sind willkommen. Etwa die Hälfte von ihnen stammt aus der Türkei; die anderen kommen ebenfalls aus Ländern, wo sie um ihre Sicherheit fürchten müssen. Während sich andernorts seit Monaten Widerstand gegen neue Asylbewerberunterkünfte regt, scheint die Situation in Jengen sehr entspannt. „Bei uns fehlt sich gar nichts“, berichtet Bürgermeister Ralf Neuner. Im Prinzip sei die Situation dieselbe wie 2016. Auch damals habe seine Gemeinde Asylbewerber aufgenommen. Viele von ihnen kamen schon damals im gleichen Gebäude unter, wo jetzt die 40 jungen Männer leben.
Kann die Gemeinde Türkheim von Jengen lernen? In Türkheim
„Der Betreuer hat seinen Laden im Griff und kümmert sich wirklich gut um die neuen Bewohner.“
Bürgermeister Ralf Neuner
wird seit Monaten nach einem geeigneten Standort für eine Flüchtlingsunterkunft gesucht, das Landratsamt macht der Wertachgemeinde zunehmend Druck. Zuletzt wurde aber eine „Gnadenfrist“eingeräumt, nachdem der ursprüngliche Termin bis Ende März nicht einzuhalten war.
Drei Standorte werden momentan von der Gemeinde favorisiert: Am Montag, 8. April, wird um 19 Uhr eine Infoveranstaltung mit dem Thema „Mögliche Asylunterbringung“stattfinden. Und weil Kähler durchaus um das Interesse an diesem Thema weiß, wird diese Bürgerinfo ebenso wie die spätere Gemeinderatssitzung am 18. April im Sieben-Schwaben-Saal der Mittelschule stattfinden. Sollte sich nach dieser Bürgerinfo ein Ja zur Bereitstellung von gemeindeeigenen Flächen abzeichnen und der Gemeinderat dann eine entsprechende Grundsatzentscheidung getroffen hat, könnten dies eine Teilfläche am sogenannten Festplatz neben dem Wertachstadion, eine Teilfläche auf dem Parkplatz an der Hochstraße und eine Teilfläche im östlichen Bereich des Parkplatzes am Bahnhof Türkheim sein.
Vielleicht hilft der Blick in die Nachbarschaft nach Jengen: Ursprünglich sei das Haus als Bürogebäude genutzt worden, berichtet Neuner, dann aber wurde es während der ersten großen Flüchtlingswelle zur Asylunterkunft umgewidmet. Und auch jetzt stimmte der Gemeinderat erneut einer Umnutzung als Asylbewerber-Unterkunft zu. „Das war bei uns gar kein Thema“, sagt Neuner.
Das Gebäude im Gewerbegebiet gehört einem privaten Besitzer, der bereits im Vorfeld das Gespräch mit der Gemeinde gesucht habe. „Er hat auch einen Betreuer angestellt, der sich um die Bewohner kümmert“, weiß der Bürgermeister. Gerade dies mache viel aus. „Der Betreuer hat seinen Laden im Griff und kümmert sich wirklich gut um die neuen Bewohner“, so Neuner. Einen Helferkreis, der sich 2016 gebildet, später aber wieder aufgelöst hat, brauche es daher momentan „eher nicht“, denn der Besitzer des Gebäudes habe selbst alles gut organisiert.
Neben den 40 jungen Männern leben in der Gemeinde 60 weitere Flüchtlinge. 45 davon kommen aus der Ukraine und sind überwiegend in Beckstetten untergebracht. „Das ist quasi ein Selbstläufer, denn sie sind von Anfang an sehr selbstständig gewesen“, berichtet der Bürgermeister. Die Asylbewerber-Situation im Ostallgäu sei weiterhin angespannt – auch wenn die Zahl der Neuzuweisungen über die Jahreswende „etwas zurückgegangen ist“, sagt Stefan Leonhart, Sprecher des Landratsamts Ostallgäu: „Im Durchschnitt kommen seit Beginn des Jahres etwa 20 Personen pro Woche.“Sie erhalten dort eine Unterkunft, „wo noch Kapazität in Unterkünften ist“.
Dabei stellt Leonhart klar, dass Ukrainer zwar Flüchtlinge, aber keine Asylbewerber sind. „Sie erhalten automatisch eine Aufenthaltserlaubnis und können Bürgergeld beziehen“, so der Sprecher.
Aktuell leben in der Gemeinde Jengen insgesamt 55 Asylbewerber, hinzukommen 45 Geflüchtete aus der Ukraine. In Buchloe fanden 165 Asylbewerber eine neue Unterkunft, 133 Ukrainer leben laut Landratsamt ebenfalls in der Gennachstadt. Für Waal sind laut Landratsamtssprecher neun Asylbewerber registriert sowie 45 Ukrainer; in Lamerdingen leben aktuell sechs Menschen, die in Deutschland Asyl suchen. In der nördlichsten Gemeinde des Ostallgäus fanden zwei Menschen aus der Ukraine ein neues Zuhause.
Sicher, räumt der Jengener Bürgermeister Ralf Neuner ein, spüre man hie und da immer mal wieder Bedenken. Doch insgesamt seien die Bürgermeister im Landkreis Ostallgäu den Asylbewerbern gegenüber positiv eingestellt: „Ich denke schon, dass wir hier viel Solidarität zeigen, die meisten geben ihr Bestes“, meint Neuner.