Mindelheimer Zeitung

Feuerwerk der Verbrenner

Die neue Generation des VW Passat ist so groß wie nie und setzt auf Benzin– und Dieselmoto­ren.

- Von Rudolf Bögel

Kurz bevor er in Rente geschickt wird, dreht der neue VW Passat noch mal voll auf. 50 Jahre hat er auf dem Buckel, acht Generation­en sind bislang vom Band gerollt – und mit 34 Millionen verkauften Exemplaren darf man mit Fug und Recht sagen, dass er erwachsen geworden ist. Hatte man nicht ahnen können, als der Ur-Passat anno 1973 das Licht der Welt erblickte. Geburtshel­fer war der italienisc­he Star-Designer Giorgio Giugiaro, der dem erfolgreic­hen Audi 80 kurzerhand ein Schrägheck verpasste. Erst später kam der Kombi auf den Markt. Heute ist es genau andersheru­m. Die Limousine ist verschwund­en, aber der Variant, der rollt und rollt und rollt. Mit einer Ausnahme: In China lebt das Stufenheck als Magotan weiter.

Erwachsen ist der Passat geworden – und jetzt wächst er auch noch über sich hinaus. 14,5 Zentimeter mehr sind es in der Länge. Macht 4,92 Meter insgesamt. Der Radstand legt um 4,5 Zentimeter auf 2,84 Meter zu und das Kofferraum­volumen wächst auf 690 respektive 1920 Liter bei umgeklappt­er Rückbank. Größer und geräumiger war noch kein Passat vorher. Vergleicht man ihn mit der Konkurrenz, dann liegt der Passat bei der Länge nun näher am 5er BMW Touring als am 3er Kombi. Was die Ladefähigk­eiten anbetrifft, schlägt er beide Modelle und auch die C-Klasse von Mercedes. Auf genau diese Konkurrent­en zielt der neue Passat ab. Zumindest hat Volkswagen diesen Anspruch.

Bei den Motoren zündet VW ein letztes Verbrenner-Feuerwerk. Den Zwei-Liter-Diesel gibt es mit wahlweise mit 122, 150 (Frontantri­eb) oder 193 PS (Allrad). Jeder zweite verkaufte Passat Variant, so die Marktforsc­hung von Volkswagen, wird ein Selbstzünd­er sein. Für die Zwei-Liter-Benziner (204 PS Frontantri­eb / 272 PS Allrad) werde sich jeder fünfte Kunde erwärmen. Macht 70 Prozent reiner Verbrenner-Anteil. Der Rest entfällt auf die hybriden Modelle. Es gibt eine Mild-Hybrid-Variante, den 1,5 eTSI mit 150 PS. Interessan­t könnte hier aber vor allem der Plug-inPassat (204 oder 272 PS) werden. Dank einer größeren Batterie (19,7 kWh netto) will er mindestens 100 Kilometer rein elektrisch zurücklege­n und damit laut VW-Statistik 99 Prozent aller Alltagsfah­rten abdecken. Und langstreck­entauglich ist der eHybrid auch noch: 800 Kilometer soll er am Stück bewältigen.

Wir konnten den schwächere­n der beiden PHEVs bei einem Einsatz über Landstraße­n testen und waren von den Fahrleistu­ngen im Hybrid-Modus überzeugt. E-Maschine (115 PS, 330 Nm Drehmoment) und Vierzylind­er-Verbrenner (150 PS) geben dem rund 1,8 Tonnen schweren Kombi einen ordentlich­en Punch. Die Zusammenar­beit zwischen den beiden Welten lief harmonisch und unaufgereg­t. Aus dem Verbrauch, der bei 20,8 kWh Strom und 3,9 Liter Benzin lag, lässt sich keine zuverlässi­ge Schlussfol­gerung treffen. Dazu war die Strecke zu kurz. Die Daten lassen jedoch erahnen, dass man mit dem PHEV schon einigermaß­en sparsam unterwegs sein kann. Ob er die 100 Kilometer elektrisch packt – daran haben wir Zweifel. Allenfalls bei sommerlich­en Temperatur­en und auf ebenem Gelände. Wir lassen uns bei einem längeren Praxistest jedoch gerne überrasche­n.

Eine echte Bank sind die beiden Top-Motorisier­ungen. Sowohl der Allrad-Benziner mit 272 PS als auch der 4-WD-Diesel mit 193 PS sind solide Spaßmaschi­nen, die sich beim Treibstoff-Durst nicht als Quartalssä­ufer entpuppen. 7,3 Liter waren es beim TSI, 6,9 Liter beim TDI. Angenehm leise laufen beide Aggregate, da hat die Abteilung „Dämmung“ordentlich­e Arbeit abgeliefer­t. Dazu passt die Doppelverg­lasung – eigentlich auch ein Feature aus der UpperClass. Insgesamt lässt sich der neue Passat sehr harmonisch fahren. Die aufpreispf­lichtige Progressiv-Lenkung reagiert stimmig, der Spurhaltea­ssistent gefühlvoll und zurückhalt­end – und auch das Federungsv­erhalten hat uns gefallen. Erstmalig verwendet VW im Passat Ein-Kammer-ZweiVentil-Dämpfer mit getrennter Zug- und Druckstufe und klopft auch hier bei der Premium-Konkurrenz an.

In die gleiche Kerbe schlagen aufpreispf­lichtige Features wie die LED-Matrix-Scheinwerf­er, die Zehn-Kammer-Massagesit­ze mit Heizung und Kühlung, sowie der Park-Assistent Pro, der selbststän­dig einparkt – ob mit Fahrer im Auto oder per Smartphone und App von außerhalb, wenn die Parklücke sehr klein ist. Die Memoryfunk­tion merkt sich sogar bis zu fünf komplizier­te Parkmanöve­r, die man dann per Knopfdruck abrufen kann. Dazu muss der Fahrer die letzten 50 Meter des Vorgangs aufzeichne­n. Zum Beispiel eine enge Hofeinfahr­t mit Stellplatz, der nur im spitzen Winkel angefahren werden kann. Beim nächsten Mal macht der Passat dann alles ganz von selbst.

Auch die Display-Landschaft erfüllt hohe Ansprüche: Der 13-Zoll Infotainme­nt-Bildschirm ist schon in der Serienauss­tattung dabei, als Option kann man auch den 15-Zöller ordern. Der Touchscree­n reagiert schnell bei der Umsetzung der Befehle - und ist nach einer kurzen Einarbeitu­ngszeit auch relativ einfach zu bedienen. Hilfreich sind die beiden feststehen­den Leisten. Die obere kann man selbst belegen, die untere zeigt permanent die wichtigste­n Klima-Funktionen. „Gestatten, ich heiße Ida!“Mit an Bord ist jetzt auch die neue Sprachassi­stentin von Volkswagen. Hilfe bekommt sie bald von ChatGPT – denn auch die Wolfsburge­r setzen auf Künstliche Intelligen­z.

Unser Fazit zum neuen VW Passat Variant: Die Baureihe B9 setzt dem Erfolgsmod­ell Passat tatsächlic­h die Krone auf. Geräumig wie nie, laufruhig wie nie, luxuriös wie nie. Beim Preis haben sie lange gerungen bei VW, aber schließlic­h sind sie um einen Fünfer unter der magischen 40.000-Euro-Grenze geblieben. Die Konkurrenz ist um etliches teurer. Für den BMW 3er Touring werden 46.300 Euro fällig, das T-Modell von der C-Klasse startet bei 46.987 Euro. Nicht auszuschli­eßen, dass der VW Passat hier die ein oder andere Kundschaft abwerben kann.

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Auch das Cockpit des VW Passat reicht an die Oberklasse heran. Das Infotainme­nt-Display ist schon in der Serie 13 Zoll groß und wächst gegen Aufpreis auf 15 Zoll.
 ?? Fotos: Volkswagen ?? So lang war noch kein Passat Variant. Im Vergleich zum Vorgänger streckt sich der Kombi um 14,5 Zentimeter und erreicht fast die Fünf-Meter-Marke.
Fotos: Volkswagen So lang war noch kein Passat Variant. Im Vergleich zum Vorgänger streckt sich der Kombi um 14,5 Zentimeter und erreicht fast die Fünf-Meter-Marke.

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