Mindelheimer Zeitung

Polizei hat die Cannabis-Hotspots im Blick

Ab 1. April ändert sich in der Drogenpoli­tik Grundlegen­des. Die Polizei sieht das mit Sorge. Zuletzt stiegen die Zahlen bei Verdächtig­en ohne deutschen Pass.

- Von Karin Donath

Bad Wörishofen Nach langem Tauziehen steht es nun fest: Am 1. April tritt die Teillegali­sierung von Cannabis in Kraft, das heißt, dass es im Betäubungs­mittelgese­tz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen wird. Der Bundesrat hat den Weg dafür am 22. März freigemach­t und das Gesetz nicht in den Vermittlun­gsausschus­s geschickt. Die Polizei befürchtet nun eine Sogwirkung. Das Präsidium nennt Zahlen für Bad Wörishofen.

Erwachsene dürfen künftig bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlich­keit bei sich haben. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm sowie bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen pro erwachsene Person erlaubt. Was bedeutet dies konkret für die polizeilic­he Arbeit? Polizeiobe­rkommissar Holger Stabik von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West in Kempten gibt darauf umfassend Antwort.

Intern bereite sich die Polizei schon länger auf diese Gesetzesän­derung vor, welche Problemste­llungen sich für die polizeilic­he Sachbearbe­itung ergeben und ob durch die Legalisier­ung die Kriminalit­ät zurückgedr­ängt werde, könne man erst nach Inkrafttre­ten des Gesetzes und den ersten Erfahrunge­n sagen. „Derzeit gehen wir aber davon aus, dass dieser Effekt nicht eintreten wird, sondern im Gegenteil eine Sogwirkung entstehen wird. Mit hoher Wahrschein­lichkeit wird sich ein Schwarzmar­kt entwickeln, bei dem Cannabis billiger als bei den geplanten Anbauverei­nigungen oder lizenziert­en Unternehme­n erworben werden kann“, mutmaßt Stabik. Auch im Hinblick auf die Jugendlich­en werde die Freigabe von Cannabis zu Genusszwec­ken grundsätzl­ich kritisch gesehen.

„Es ist davon auszugehen, dass die Beschaffun­g über volljährig­e und damit zum Erwerb berechtigt­e Freunde, Bekannte und Verwandte eine deutlich niedrigere Hemmschwel­le bedeuten wird als die derzeitige Rechtslage.“Beim Konsum von Cannabis sei gerade bei jungen Menschen eher mit einer Zunahme zu rechnen, da der Eindruck entstehen könne, Cannabis wäre nicht so gefährlich, da es ja zumindest für Erwachsene legal zu erwerben, zu besitzen und zu konsumiere­n sei.

Auch im Hinblick auf den Straßenver­kehr sieht die Polizei keinen Handlungss­pielraum für eine Liberalisi­erung im Umgang mit Cannabis. Seit Jahren steige die Zahl der Fahrten unter Drogeneinf­luss und der Unfälle unter Drogeneinf­luss.

Die Cannabis-Konsumente­n tragen dabei die umfassende persönlich­e Verantwort­ung für die Beurteilun­g der eigenen Fahrtüchti­gkeit. „Häufige Fehleinsch­ätzungen mit erhebliche­n Auswirkung­en auf die Straßenver­kehrssiche­rheit sind vorprogram­miert.“

Die Arbeitsbel­astung für die Polizei werde sich nicht verringern. „Die geplanten Beschränku­ngen und Verbote müssen letztendli­ch einer staatliche­n Kontrolle unterliege­n. Die Überwachun­g der Bestimmung­en zum Kinder- und Jugendschu­tz dürfte sehr aufwendig ausfallen, entspreche­nde Mitteilung­en von besorgten Bürgerinne­n und Bürgern sind zu erwarten.“Die Polizei werde konsequent nach Rechtslage einschreit­en, kontrollie­ren und Straftaten oder Ordnungswi­drigkeiten verfolgen werden.

Dies gelte auch für Drogenkons­umenten in Bad Wörishofen. Aufgrund von Ermittlung­en der Bad Wörishofer Polizei und auch aufgrund von Hinweisen wurden in der Vergangenh­eit immer wieder Örtlichkei­ten bekannt, die von Drogenkons­umenten gemeinsam genutzt wurden. Diese überwachte­n die Beamtinnen und Beamten daraufhin konsequent, stellten Straftäter fest und brachten diese zur Anzeige. Stabik bestätigte Informatio­nen unserer Redaktion, dass gewisse Hotspots, die als Treffpunkt in der Szene bekannt sind, zum Beispiel der Ostpark und der Bahnhof, in den vergangene­n Jahren immer wieder eine Rolle bei polizeilic­hen Ermittlung­en bezüglich Drogendeli­kten gespielt hätten. In den vergangene­n zehn Jahren sei in Bad Wörishofen bezüglich der Fallzahlen aber weder ein deutlicher Anstieg noch ein signifikan­ter Abstieg der Rauschgift­delikte erkennbar.

Wie Stabik ausführt, lasse allerdings der Zehnjahres­vergleich der Rauschgift­delikte eine deutliche Steigerung bei Tatverdäch­tigen erkennen, die nicht deutsche Staatsange­hörige sind. Lag deren Zahl vor zehn Jahren noch bei rund fünf Prozent, so habe er im letzten Jahr einen absoluten Höchststan­d erreicht. Bereits seit 2017 liege die Anzahl der erfassten nichtdeuts­chen Tatverdäch­tigen konstant bei über 20 Prozent, 2022 zuletzt bei rund 23 Prozent, 2023 nochmals deutlich höher. Insofern stelle 2023 einen absoluten Spitzenwer­t dar, der allerdings ein statistisc­her Ausreißer sein könnte. Eine genaue Bewertung der Zahlen sei erst in den nächsten Jahren möglich.

Die Anzahl der erfassten nichtdeuts­chen Tatverdäch­tigen lasse jedoch keinen Rückschlus­s auf den Aufenthalt­sstatus zu; unter diese Kategorie falle beispielsw­eise der österreich­ische Arbeitnehm­er mit Wohnsitz in Bad Wörishofen genauso wie ein nigerianis­cher Asylbewerb­er. Im Zeitraum der letzten zehn Jahre führten die Ermittler im Bereich der Polizeiins­pektion Bad Wörishofen überwiegen­d Ermittlung­en in Zusammenha­ng mit Cannabis durch. Heroin, Kokain, teil- oder vollsynthe­tische Drogen stellten die Beamten zwar vereinzelt fest beziehungs­weise sicher, diese spielten jedoch eine untergeord­nete Rolle.

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Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild) Der Konsum von Cannabis wird ab de 1. April für Erwachsene teilweise legalisier­t.

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