Die sagenhafte Armee
Es ist eine der größten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Am 29. März 1974 stießen chinesische Bauern auf eine riesige Figurengruppe aus Kriegern. Bis heute sind noch immer viele Rätsel nicht gelöst.
Von Michael Ossenkopp
Eigentlich sind die einfachen Landarbeiter in der Provinz Shaanxi im Herzen Chinas auf der Suche nach Wasser. Doch schon nach ein paar Spatenstichen stoßen sie wenige Meter unter der Oberfläche auf ein Hindernis. „Zunächst konnten wir nicht viel erkennen“, erinnert sich Yang Quanyi, „erst als wir weitergruben, sahen wir einen kompletten Kopf.“Danach kommen auch Pfeilspitzen und Tonscherben zum Vorschein. Was Quanyi und seinen sechs Kollegen in diesem Moment nicht bewusst ist: Sie haben einen sensationellen Fund gemacht, der zu den größten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts gezählt wird. Was aus dem Zufallsfund wohl geworden wäre, hätten die Landarbeiter nicht Angst vor den Göttern gehabt?
„Wir dachten, es seien die Überreste einer Tempelstatue – vielleicht ein Buddha“, sagt Yang Zhifa, ein weiterer Entdecker der ersten Stunde. Sie glauben, es handelt sich um eine Bronzereliquie, die sie für ein paar Zigarettenpäckchen verkaufen können. Doch aus Angst vor einer Bestrafung – sei es von Vorgesetzten oder gar von den Göttern – bringen sie ihren Fund in drei Schubkarren lieber ins nächstgelegene Museum.
Zuständige Beamte fahren mit ihnen zurück zur Fundstelle. Die Experten erkennen sofort, dass es sich um wertvolle Stücke aus der
Qin-Dynastie handeln muss. Sie buddeln weiter und entdecken eine umfangreiche Gräberlandschaft. Auf drei Gruben verteilt, befinden sich in dem Areal mehr als 8000 lebensgroße Fuß- und Reitsoldaten, Pferde, Kriegswagen und Waffen – eine ganze Armee aus Terrakotta. Wer hat sie in Auftrag gegeben?
Kaiser Qin Shihuangdi (259 – 210 v. Chr.) fürchtete sich zeitlebens vor Tod und Machtverlust und war stets auf der Suche nach einem Elixier zur Unsterblichkeit. Deshalb ließ er seinen Kaiserpalast als Mausoleum nachbauen und deshalb – zu seinem Schutz – sollten ihn seine Soldaten auch im Totenreich begleiten. Offenbar starb er an einer Quecksilbervergiftung, eine der Wunderdrogen, von denen er sich ewiges Leben versprochen hatte.
Bei den Grabungen stellt man fest, dass schon bald nach dem Tod des Kaisers Teile der Gänge von Grabräubern geplündert worden waren. Aber es gibt auch nahezu unversehrte Figuren. Das besondeschers durch Fallen in eine regelrechte Todeszone verwandelt haben. Zudem könnten Armbrüste oder eine Quecksilber-Flut die Wissenschaftler gefährden und den kostbaren Inhalt unwiederbringlich zerstören.
Qin Shihuangdi war ein Tyrann, aber gleichzeitig auch ein Reformer. Seine mächtige Armee unterwarf sechs Nachbarstaaten und vereinte so China erstmals zu einem Reich. Schon im ersten Jahrhundert v. Chr. hatte der Historiker Sima Qian über sagenhafte Juwelen in der Grabhalle berichtet, allein an den Decken seien Tausende von Perlen und Edelsteinen befestigt gewesen. Er erwähnte aber ebenso „Sicherungsmaßnahmen“, deshalb haben die Forscher Expeditionen zum Sarkophag wiederholt verschoben. Vielleicht könnte er sogar mit Sprengfallen gefüllt sein?
Außerdem schwebt über der Stätte noch eine große politische Frage: Da die Gräber eine direkte
Bed and Breakfast.
Die Finder in China dachten an eine Tempelstatue.
Die Soldaten sollten den Kaiser im Totenreich schützen.
Die Figuren stehen in einer strengen Hierarchie.