Wann ziehen die Immobilienpreise wieder an?
Nach der rasanten Talfahrt im vergangenen Jahr gibt es erste Anzeichen für eine Trendwende. Was Experten nun raten.
Zwar fallen auch im Frühjahr die Wohnimmobilienpreise weiter, nachdem sie im Jahresdurchschnitt 2023 laut Statistischem Bundesamt um satte 8,4 Prozent gesunken sind – der stärkste Rückgang im Vorjahresvergleich seit über 20 Jahren. Doch es gibt erste Anzeichen für eine Wende. Der Preisrutsch verliert an Fahrt, wie das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbandes IVD-Süd mitteilt. Die Experten stellen eine „leichte Belebung“des Marktes fest. Laut ImmobilienScout24 ist die Nachfrage nach Neubauwohnungen im Schnitt der deutschen Metropolen seit dem Tiefpunkt Ende 2022 bereits wieder um 43 Prozent gestiegen – was die Preise zuletzt „leicht“hat steigen lassen. Für viele Verbraucher stellt sich damit die Frage: Kaufen oder – weil Kredite nach wie vor teuer sind – doch abwarten?
IVD-Süd-Institutsleiter Stephan Kippes analysiert die aktuelle Lage so: „Der Markt sucht im Moment die Bodenplatte, der Preisverfall kann allerdings noch etwas andauern, dies ist abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.“Zugleich komme es jeweils „sehr stark“auf die energetische Situation der einzelnen Immobilie an. Sprich: Gut gedämmt oder nicht? Wärmepumpe oder Ölheizung? Ein vermeintlich günstiges Angebot relativiert sich schnell, wenn die Sanierungskosten hoch sind.
Rückblick: Von 2008 bis 2022 waren die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland immer Schnitt jedes Jahr gestiegen. Der Bedarf an (Sozial-)Wohnungen war und ist nach wie vor groß, vor allem in den Großstädten. Zugleich steckt die Baubranche wegen der Inflation und stark gestiegenen Zinsen in der Krise. Die Preise sind trotz des unverändert hohen Bedarfes gefallen. Viele warten darauf, wann die Europäische Zentralbank den Leitzins
absenkt, damit Baufinanzierungen wieder günstiger werden.
Wenn es so weit kommt, geht Immobilienexperte Kippes allerdings nicht davon aus, dass das gleich zu einem „heftigen Umschwung am Markt führt“. Die EZB könne aber, wenn sie Geld wieder billiger macht, dem Markt „wichtige Impulse“geben: „Eine Leitzinssenkung würde eher dessen Stabilisierung unterstützen, als bereits einen deutlichen Aufschwung befeuern.“Die Zinsen hatten sich in den vergangenen drei Jahren – von extrem niedrigem Niveau ausgehend – vervielfacht, waren aber zuletzt wieder von etwa vier auf 3,5 Prozent zurückgegangen.
Vor der Dauerkrise waren die Lebenshaltungskosten viel niedriger als heute. Auch das lässt Interessenten zögern. Das größte Risiko sieht Kippes darin, nun „auf Biegen und Brechen“einen Immobilienkauf zu forcieren. Der Experte rät: „Es macht Sinn, sich das deutlich breitere Objektangebot in Ruhe anzuschauen. Man kann mit dem Eigentümer auch über den Preis reden, und wenn die Rahmenbedingungen passen, sollte man kaufen. Man sollte sich aber nicht eine zu große Finanzbelastung aufbürden.“Zur Not sollte man noch etwas warten und zur Miete wohnen bleiben. Zugleich rät Kippes dazu, bei den Hypothekenzinsen „intensiv“mit Vergleichsportalen zu arbeiten und mit den Banken zu verhandeln. „Jedes Hundertstel, das man hier herausholt, ist bereits ein beachtlicher Geldbetrag.“
ImmobilienScout24-Geschäftsführerin Gesa Crockford hingegen findet, es sei für Käufer das größte Risiko, zu lange zu warten. Denn: „Aktuell kauft man oft zu den reduzierten Preisen, die aus dem Zinsschock resultieren. Zudem hat man jetzt noch eine größere Auswahl und Verhandlungsspielraum. Im Moment ist der Immobilienmarkt noch ein Käufermarkt. Das wird sich aber mittelfristig wieder ändern.“
Treppensteigen oder einfach nur duschen – für Menschen, die zum Beispiel nur noch schlecht sehen können oder in einem Rollstuhl sitzen, stellen solche Tätigkeiten eine große Hürde dar. Barrierefreie Wohnungen können Abhilfe schaffen. Doch davon gibt es gerade mit Blick auf die Zukunft in Deutschland viel zu wenige, warnen nun Verbände und Gewerkschaften. Sie fordern massive Investitionen – ansonsten drohten dramatische Konsequenzen.
In der Bauwirtschaft herrscht derzeit Flaute. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung werden die Ausgaben für Bauleistungen im Jahr 2024 zum ersten Mal seit 2009 wieder zurückgehen. Statt der von der Bundesregierung anvisierten 400.000 neuen Wohnungen dürften in diesem Jahr nur etwa 225.000 entstehen. Für ein Segment ist das ein besonderes Problem.
Laut einer Studie des Pestel-Instituts aus dem vergangenen Jahr fehlen 2,2 Millionen barrierefreie Wohnungen, in Zukunft dürfte sich das Problem mit Blick auf eine alternde Bevölkerung weiter verschärfen. Beim VdK spricht man gar von fünf Millionen Wohnungen, die fehlen. Der Verband bezieht sich dabei auf die Angehörigen, die oft ebenfalls keine Barrierefreiheit gewährleisten. Eine Studie aus dem Jahr 2022 kommt zum Ergebnis, dass jedes Jahr 170.000 zusätzliche barrierefreie Wohnungen nötig wären, um den Bedarf zu decken.
Mit Blick auf solche Zahlen wird der Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim VdK, Jonas Fischer, deutlich: „Die Not ist tatsächlich gravierend.“In den Sprechstunden des Sozialverbandes kämen häufig Menschen, die zum Thema Barrierefreiheit Fragen hätten. „Sie sind verzweifelt, weil sie das Gefühl haben, dass sie sich einen Umbau nicht leisten können.“Auch der Spitzenverband der Deutschen Immobilienwirtschaft ZIA warnt. „Vor allem in Zukunft könnte graue Wohnungsnot ein ernstes Problem werden“, sagt Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan. Das Problem spitze sich aufgrund des demografischen Wandels zu. Deutschland sei „nicht ausreichend gerüstet“.
Dem Bundesbauministerium liegen laut eigener Aussage keine aktuellen Zahlen vor. „Mit Blick auf die demografische Entwicklung der Bevölkerung ist davon auszugehen, dass der Bedarf nicht gedeckt ist“, teilt ein Sprecher aber mit. „Diese Unterdeckung wird sich auch nicht nur mit Neubau decken lassen, weshalb dem Umbau des Bestandes noch mehr Bedeutung zukommt.“Ein neues Forschungsprojekt zum Neubau von altersgerechten Wohnungen soll laut Ministerium neue Erkenntnisse liefern.
Dieser Umbau kann schnell mehrere Tausend Euro kosten. Zu viel für viele Rentnerinnen und Rentner, wie Jonathan Diesselhorst von der IG Bau betont. „Der Anteil der Menschen, die kleine Renten beziehen, ist groß.“Ohnehin müssten viele einen großen Teil ihrer Rente für Mietkosten ausgeben. Eine Studie aus dem Jahr 2022 zeige, dass nur acht Prozent der Seniorenhaushalte eine barrierefreie Wohnung hätten. Oft lebten sie einfach unter den vorherigen Umständen weiter.
Das ist eine Beobachtung, die auch VdK-Mann Fischer gemacht hat. Meist gebe es nicht das eine Ereignis, das für eine Einschränkung der Mobilität sorge, sondern es sei eine schrittweise Entwicklung. „Die Leute versuchen die Probleme dann aus Scham mit Hilfslösungen zu verdecken, wie wir bei Hausbesuchen öfter sehen.“Ein Großteil beschäftige sich erst mit einem Umbau, wenn es schon fast zu spät sei. Deshalb rät Fischer dazu, sich möglichst früh mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Eine Möglichkeit besteht darin, sich um Fördermittel zu bemühen. 150 Millionen Euro stellt die Bundesregierung in diesem Jahr für das entsprechende KfW-Programm zur Verfügung. Deutlich zu wenig, finden VdK und IG Bau. Beide fordern einen Ausbau des Programms auf 500 Millionen Euro. „So viel bräuchte es nach unseren Berechnungen, damit der Fördertopf bis zum Ende des Jahres hält“, sagt VdK-Experte Fischer. Außerdem sollten sich Förderprogramme gezielter an Menschen mit geringem Einkommen richten. Das Bundesbauministerium weist darauf hin, dass der Fördertopf bereits in diesem Jahr von 75 auf 150 Millionen Euro aufgestockt wurde. Auch für das kommende Jahr habe das Ministerium diese Summe angemeldet. „Die aktuellen Antragszahlen seit Neustart des Programms zeigen, dass das Programm sehr gut nachgefragt wird.“
Ein weiteres Programm sieht einen Investitionszuschuss bis zu 12,5 Prozent bei einer Barrierereduzierung in der eigenen Wohnung vor. Viel zu wenig für den VdK. „Knapp 87 Prozent Eigenanteil macht es vielen unmöglich, sich für den Zuschuss zu bewerben“, moniert Experte Fischer. Sein Verband plädiert für eine Aufstockung der Förderung auf 30 Prozent. Das Bundesbauministerium teilt aber mit, dass eine Erhöhung des Zuschusses nicht geplant sei. „Es findet jedoch fortlaufend eine Evaluierung der Zahlen zum Förderprogramm sowie aller Begleitumstände statt, um gegebenenfalls die Förderkonditionen an sich ändernde Bedarfe anzupassen.“
Der Spitzenverband der Deutschen Immobilienwirtschaft ZIA fordert ebenfalls bessere Förderbedingungen. „Der altersgerechte, barrierearme Umbau im Bestand muss durch weitere Zuschussprogramme für Eigentümerinnen oder Eigentümer und Darlehen für Vermieter staatlich unterstützt werden“, fordert Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan. Bei den Neubauten bestünde die Problematik derzeit in den schlechten Rahmenbedingungen, wie beispielsweise den hohen Zinsen. „Um nicht in naher Zukunft eine noch größere Versorgungslücke zu riskieren, müssen zwingend Anreize für den barrierearmen Wohnungsbau geschaffen werden“, so Özkan.
Die IG Bau sieht auch die Eigentümer bzw. Vermieter von Wohnungen in der Pflicht. „Diese sollten verpflichtet werden, im Neubau ein Mindestmaß an Barrierefreiheit zu erfüllen“, sagt Diesselhorst. Es müsse zumindest einen Mindestanteil an Wohnungen geben, die barrierearm seien. Dies sähen die Landesbauordnungen zum Teil zwar schon vor, aber nicht überall. Auch dürften die Renovierungen nicht zu einer finanziellen Belastung für Mieter werden. Derzeit können acht Prozent der Investitionskosten jährlich auf die Miete umgelegt werden. „Das kann eine starke Mieterhöhung bedeuten.“Neben einer Reform der mietrechtlichen Regelungen fordert die IG Bau deshalb Förderprogramme, um eine mögliche Erhöhung zu deckeln. Laut dem Bundesbauministerium sieht der Koalitionsvertrag keine Änderung bei der sogenannten Modernisierungsmieterhöhung vor.
Für die Zukunft befürchten die Verbände eine Verschärfung des Problems. Man erlebe ein Wettrennen zwischen dem Alterungsprozess der Gesellschaft sowie dem Aufbau barrierefreier Wohnungen. Auf Sicht würden immer mehr Wohnungen fehlen, warnt Jonas Fischer vom VdK. „Die Konsequenz ist eine zunehmende Vereinsamung von Senioren, weil diese nicht mehr vor die Tür kommen.“Auch aus Sicht der IG Bau ist der Ausblick negativ. Mit den derzeitigen Instrumenten werde es nicht besser, findet Experte Diesselhorst. „Es ist zu befürchten, dass es erst einmal schlechter wird.“Das Thema laufe in der Politik derzeit nur unter ferner liefen.
Zumindest der ZIA sieht kleine Hoffnungsschimmer. So gebe es Start-ups, die sich mit dem Thema beschäftigten. Diese seien auf den altersgerechten Umbau von Badezimmern spezialisiert und böten von der Planung über das Beantragen von Fördermitteln bis zur Umsetzung alles aus einer Hand an. „Da gibt es eine erfreuliche Dynamik“, sagt Hauptgeschäftsführerin Özkan. Dies könne Tempo in das Thema bringen.
Umbau wird oft erst Thema, wenn es fast zu spät ist.
Investitionen können auf die Miete umgelegt werden.