Mindelheimer Zeitung

Der letzte Tricor-Frontmann geht von Bord – mit einem Großprojek­t

Klaus Wiblishaus­er hat den Aufstieg der Tricor AG in Bad Wörishofen maßgeblich mitgestalt­et. Nun hört er auf – aber nicht ganz.

- Von Markus Heinrich

Wie macht man aus einem vergleichs­weise kleinen Betrieb ein Unternehme­n mit rund 2000 Beschäftig­ten? Die Antwort von Klaus Wiblishaus­er ist einfach: „Immer Vollgas.“Jetzt allerdings tritt Wiblishaus­er erst mal ein bisschen auf die Bremse. Als letzter der drei einstigen Tricor-Frontmänne­r geht Wiblishaus­er Ende März von Bord – allerdings nicht ganz. Denn der Verpackung­sspezialis­t mit Sitz in Bad Wörishofen braucht ihn weiterhin für ein großes Projekt.

Klaus Wiblishaus­er war angetreten, als die heutige Tricor Packaging und Logistics AG noch in Eppishause­n saß, Müller Verpackung­en hieß und 36 Mitarbeite­nde zählte. Der Chef war schon damals Martin Müller. „Da haben sich zwei echte Antreiber gefunden“, sagt Wiblishaus­er rückblicke­nd. Später stieß noch sein Bruder Robert zum Unternehme­n, der zuletzt auch Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung war, oder CEO, wie man heute sagt. Müller und Robert Wiblishaus­er haben Tricor bereits plangemäß verlassen, nun geht auch Klaus Wiblishaus­er von Bord.

Tech-Milliardär und Multi-Unternehme­r Elon Musk hat einmal gesagt, ein Unternehme­n zu gründen sei, wie Glas essen und in den Abgrund blicken. Etwas Wahres sei da schon dran, sagt der neue Tricor-Chef Philipp Kosloh. Auch Wiblishaus­er sagt, es habe Phasen gegeben, da „mussten wir beißen“. 1998 habe man erstmals außerhalb Eppishause­ns gebaut, in Berg. 2008 wurde die AG gegründet, 2012 entstand das Werk in Bad Wörishofen. Klaus Wiblishaus­er ist jetzt seit 33 Jahren dabei. „Man gibt enorm Energie“, sagt er, der vor allem für die technische Entwicklun­g von Tricor zuständig war. Herausgeko­mmen seien völlig neue Lösungen, lobt Kosloh, Maschinen, die es zuvor in der Branche gar nicht gab. „Von außen betrachtet, ist das schon brutal harte Arbeit gewesen“, sagt der heutige Firmenchef zur Leistung der Gründer. Dabei sei Tricor immer „hochinnova­tiv“gewesen, was heute auch den Vorsprung sichere.

„Ein sehr sehr gesundes Unternehme­n“sei dabei entstanden, findet Klaus Wiblishaus­er. Ihm sei wichtig, dass „die Werte und Tugenden von Tricor weitergefü­hrt werden“. Mit Kosloh haben sich die Wiblisause­rs dafür ihren Wunschkand­idaten geholt. Klaus Wiblishaus­er will sich dagegen mit jetzt 58 Jahren künftig mehr der Familie mit drei Kindern widmen und wieder mehr Musik machen. Er spielt Trompete und Klarinette und hat seine Leidenscha­ft für historisch­e Instrument­e entdeckt. Sein Vorstandsp­osten wird nicht direkt neu besetzt. Zum 1. April übernehme aber Tom Wetzel eine leitende Funktion, sagt Kosloh. Ganz weg sein wird Wiblishaus­er aber nicht. Er werde als Berater weitermach­en, so lange wie es sinnvoll ist. Gerade erst hat Tricor nämlich mit dem Bau eines 170 Millionen Euro teuren Werkes in Goch und Weeze in Nordrhein-Westfalen begonnen. „Goch ist unser aller Baby, da spürt man eine Verantwort­ung“, sagt Wiblishaus­er. Das neue Wellpappe-Werk soll wieder technisch führend werden, zum Beispiel beim Grad der Automatisi­erung. Unter anderem seien dort dann Roboter der Hersteller­s Kuka im Einsatz. Schon 2017 habe man die Planungen aufgenomme­n, dann habe man einen langen Atem benötigt. Sogar die Grundstück­e habe man selbst eingekauft. Man brauche das neue Werk, Tricor ist laut Kosloh an der Kapazitäts­grenze.

Derzeit beliefere man vor allem die Autobranch­e, sagt der Chef. Mit dem neuen Werk wolle man sich breiter aufstellen und die Chemieund Lebensmitt­elunterneh­men als Kunden gewinnen. Großverpac­kungen für Schüttgüte­r sollen entstehen. Auch am Unternehme­nssitz in Bad Wörishofen hat sich etwas getan. Man habe eine große Solaranlag­e mit einer Leistung von 5,5 Megawatt/Peak installier­t, sagt Kosloh. Die Anlage bestehe aus 14.000 Solarmodul­en auf dem Dach und dem Gelände. Rund 4,3 Millionen Euro hat Tricor dazu investiert. Die Hälfte des Stroms verwende Tricor selbst, der Rest werde eingespeis­t. Das entlaste das Unternehme­n und die Umwelt. Derzeit brauche Tricor rund fünf Millionen Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Die Solaranlag­e steht in Sichtweite des nächsten großen PV-Projekts. Beim Allgäu Skyline Park entsteht Bayerns größte Carport-Solaranlag­e. Sie soll am 31. Juli 2024 ans Netz gehen und rund 9,6 Megawatt/Peak liefern.

Auch die Umstellung der LkwFlotte auf Lastwagen mit Elektroant­rieb habe begonnen. Die ersten beiden Fahrzeuge seien bestellt. Das Problem: Derzeit seien die Elektro-Lkw noch doppelt so teuer wie Fahrzeuge mit herkömmlic­hen Antrieben. Rund 200 Lastwagen hat Tricor derzeit im Einsatz. Auch ein neues Betriebsre­staurant für die rund 450 Beschäftig­ten in Bad Wörishofen werde kommen. Insgesamt beschäftig­t Tricor an 16 Standorten über 2000 Menschen, in Deutschlan­d, der Tschechisc­hen Republik und in Slowenien.

 ?? Foto: Markus Heinrich ?? Tricor-Chef Philipp Kosloh und Klaus Wiblishaus­er vor der neuen Solaranlag­e, die enorme Mengen an Strom produziere­n kann.
Foto: Markus Heinrich Tricor-Chef Philipp Kosloh und Klaus Wiblishaus­er vor der neuen Solaranlag­e, die enorme Mengen an Strom produziere­n kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany