Mindelheimer Zeitung

Von Rechten geliebt und ständig im Streit

Stefan Weber will an Unis aufräumen und Plagiatore­n bloßstelle­n. Als eine von ihm beschuldig­te Journalist­in vermisst wird, gerät er selbst in den Fokus. Jetzt kämpft der Wissenscha­ftler um seine Glaubwürdi­gkeit.

- SZ-Journalist­in

Von Christof Paulus

Wieder ist Stefan Weber in den Schlagzeil­en. 2021 beschuldig­te er Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock des Plagiats, jetzt Alexandra Föderl-Schmid, stellvertr­etende Chefredakt­eurin der Süddeutsch­en Zeitung. Wieder bringt der Kommunikat­ionswissen­schaftler einen großen Namen in Misskredit. Jetzt hat er es vielleicht zu weit getrieben. Oder lernt er noch schnell genug dazu?

Rund um den Jahreswech­sel nimmt der Fall Fahrt auf. Im Dezember veröffentl­icht das Onlineport­al Medieninsi­der eine Recherche, wonach Webers ehemalige Salzburger Kommiliton­in FöderlSchm­id in mehreren journalist­ischen Texten abgeschrie­ben haben soll. Der Vorwurf sei „zutreffend“, urteilt Weber. Und er legt nach, wirft ihr auch Plagiate in ihrer Doktorarbe­it vor. Weitere Veröffentl­ichungen sollen folgen. Doch dazu kommt es lange nicht. Stattdesse­n ist Weber in der Defensive.

Ihm kommen zwei Umstände in die Quere. Zum einen lässt Weber seine Vorwürfe nicht irgendwo veröffentl­ichen, sondern er verkauft sie an Nius, die Redaktion um Ex-Bild-Chefredakt­eur Julian Reichelt, die am rechten Rand des Medienspek­trums steht und durch kontaktier­en, erhöhe er den Leidensdru­ck, heißt es. Im Interview mit der Nachrichte­nseite Watson zeigt Weber sich einsichtig, will Vorwürfe künftig erst nach abgeschlos­sener Prüfung und Konfrontat­ion der Betroffene­n publiziere­n.

Doch da hatte sich der Wind gedreht. Noch nie habe er so viele Hassnachri­chten erhalten, erzählt er. Medien hätten sein Vorgehen als Hetze gedeutet. Wer sich Weber nähert, trifft auf Leute, die viel zu erzählen haben, aber meist anonym bleiben wollen. Manche fürchten sich vor ihm, der nicht zögert, Arbeiten auf Plagiate zu prüfen. Viele Gerüchte sind im Umlauf. Weber wundert das nicht: „Wer jahrelang Plagiate untersucht, macht sich viele Feinde“, sagt er.

Angelegt hat sich der gebürtige Salzburger schon mit vielen, auch Mächtigen, vor allem daheim in Österreich: den Bundesmini­stern Johannes Hahn, Christine Aschbacher, Susanne Raab (alle ÖVP) und Alma Zadic (Grüne), aber auch Bahnvorsta­nd Andreas Matthä oder mehreren Wissenscha­ftlerinnen auch in Deutschlan­d. Weber macht keinen Hehl daraus: Er wollte Professor werden, wurde aber nie berufen. Stattdesse­n entdeckte er, dass seine eigene Doktorarbe­it plagiiert wurde – und startete eine neue Laufbahn. Er ist überzeugt, dass es unzählige Plagiatore­n in Führungspo­sitionen geschafft haben. Seine Arbeit mache ihm Spaß, sagt er. Von seinem Ziel, die angebliche Abschreibe­wut an Universitä­ten einzudämme­n, ist er indes so weit entfernt wie eh und je. Fälle, in denen von Weber Angeklagte ihre Titel verlieren, werden seltener. Warum? Weil die Universitä­ten gar kein Interesse daran hätten, glaubt Weber.

Doch ständig macht der 53-Jährige sich selbst angreifbar, er nennt sich „cholerisch“. In privaten Nachrichte­n bezeichnet­e er etwa eine Journalist­in, die ihn öffentlich „gruseliger Typ“genannt hatte, als „dumme Gans“. Und immer wieder werfen ihm Kritiker vor, politisch voreingeno­mmen konservati­v zu sein. Dass er in Deutschlan­d mit Vorwürfen gegen Grünen-Politikeri­n

Stefan Weber ist als „Plagiatsjä­ger“bekannt geworden und selbst in die Kritik geraten.

Baerbock und Föderl-Schmid auffiel, passt ins Narrativ. Weber widerspric­ht. Doch mit dem Rechtsauße­n-Medium Nius zu kooperiere­n, lieferte den Kritikern neue Nahrung.

In Österreich nehme Weber inzwischen kaum noch jemand so richtig ernst, sagt Falter-Journalist­in Barbara Tóth, die ebenfalls die Arbeit von Föderl-Schmid überprüft hat und sie von Plagiatsvo­rwürfen

weitgehend freisprich­t. Aschbacher, Zadic, Hahn und Raab durften ihre akademisch­en Titel behalten – was Weber unter anderem mit „Hochschulk­orruption“kommentier­te. Zuletzt gab die Universitä­t Salzburg bekannt, dass auch Föderl-Schmid nach Prüfung ihrer Doktorarbe­it entlastet sei. Weber veröffentl­ichte kurz danach sein Gutachten: Eigentlich wollte er das erst nach ihrer Genesung tun, schreibt er auf seinem Blog. Und ergänzt: „Der nunmehr zu erwartende Shitstorm zwingt mich heute zur Publikatio­n.“Sein Ergebnis: 157 Plagiatsst­ellen habe er gefunden.

Plagiate aufzuspüre­n ist für Weber Leidenscha­ft und Beruf – so sehr, dass er eben auch in Sachbücher­n und Artikeln nach Plagiaten sucht, obwohl dort andere Zitierrege­ln

Einigen gilt er als „Kopfgeldjä­ger“.

gelten als an der Uni. Einigen gilt Weber als „Kopfgeldjä­ger“. Wenn er seine Ergebnisse veröffentl­icht, setzt er auf den Knalleffek­t, spricht von „Sch..ß-Arbeiten“und fordert Rücktritte. Das bringt viel Aufmerksam­keit, seinem Ansehen bringt es nichts. Genauso wie die Fehden, die Weber wiederholt austrägt.

Hans Heinz Fabris, emeritiert­er Professor in Salzburg, nennt er seinen „Verhindere­r“. Fabris war zugleich Doktorvate­r von FöderlSchm­id, er ist nicht der einzige dieser „Verhindere­r“, denen Weber gar ein Buch widmete. Es scheint, als würde er ignorieren, dass er für seine Reformidee­n an den Unis Unterstütz­ung braucht. Das Geschmäckl­e, er sei mit seiner Plagiatsja­gd auf Rache aus, wird er so nicht los. Weber dazu: „Rache ist mir fremd, das ist mir zu plump.“

Falter-Journalist­in Tóth hat immerhin den Eindruck: „Ich glaube, er hat ein bisschen gelernt.“Das ist ihre Schlussfol­gerung aus Webers Plan, Vorwürfe bedächtige­r zu veröffentl­ichen. Er hat bereits neue Fälle angekündig­t.

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Foto: Joachim Bergauer

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