Rechtsstreit um Notunterkunft: Etappensieg mit einem „Aber“
Im Rechtsstreit zwischen Tussenhausen und dem Landratsamt über eine Thermohalle für Geflüchtete fällt das Verwaltungsgericht ein außergewöhnliches Urteil.
Es ist ein durchaus ungewöhnliches Urteil, das das Verwaltungsgericht Augsburg im Rechtsstreit zwischen dem Markt Tussenhausen und dem Unterallgäuer Landratsamt am Freitag gefällt hat: Zwar gibt die vierte Kammer des Gerichts der Gemeinde recht, die gegen die Baugenehmigung für eine Notunterkunft für rund 80 Geflüchtete geklagt hatte, und hebt den Bescheid des Landratsamtes auf. Andererseits lässt sie in dem Urteil auch die Möglichkeit einer Berufung zu – und macht damit dem Landratsamt den Weg frei, in die nächste Instanz zu gehen. So etwas sei äußerst selten, wie ein Sprecher im Anschluss erläuterte. Im Regelfall sei es komplizierter, gegen ein solches Urteil vorzugehen.
Die Entscheidung ist also nur ein Etappensieg für Tussenhausen, der zweite nach der Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), der die erste Eilentscheidung des Augsburger Verwaltungsgerichts gekippt hatte, das zunächst dem Landratsamt recht gegeben hatte.
Nach den beiden Eilentscheidungen landete die Thematik nun vor der vierten Kammer des Verwaltungsgerichts in Augsburg um Richter Stefan Eiblmaier. Der hatte, wie er erklärte, vorab die Mindelheimer Zeitung gelesen, aus der er erfahren hatte, dass die Thermohalle, um die sich der Rechtsstreit dreht, sowieso demnächst abgebaut werde, weil dem Landratsamt der Pachtvertrag zum Jahresende gekündigt wurde. Vorsichtig klopfte der Richter also bei Christian Baumann, dem Abteilungsleiter Bauen und Umwelt am Landratsamt, an, ob der Fall deshalb für die Behörde überhaupt noch relevant sei.
Baumann machte deutlich, dass ihm sehr wohl an einem klaren Urteil gelegen sei, weil der Ausgang auch Auswirkungen auf künftige oder ähnliche Verfahren habe. Die Entscheidung des VGH in München sehe er als „hochproblematisch“an. Baumann schloss zudem nicht aus, dass es irgendwann in Zukunft nicht doch zu einer Verwirklichung des Projekts komme, auch wenn es angesichts des gekündigten Pachtvertrages derzeit nicht danach aussehe. Kern des Rechtsstreits – das „Corpus Delicti“, wie es Richter Eiblmaier nannte – ist ein Schreiben des Marktes an das Landratsamt, nachdem diese den Bauantrag eingereicht hatte. Darin wird auf verschiedene Punkte eingegangen, die der Gemeinde noch unklar gewesen seien. Es ist kein „Ja“zum Bauantrag, aber auch kein „Nein“, und das ist der Grund, warum verschiedene Gerichte die Angelegenheit unterschiedlich auslegen.
Die Gemeinde hätte ganz klar das Einvernehmen verweigern können, so die Meinung von Christian Baumann von Landratsamt. Stattdessen habe man in Tussenhausen das Bauvorhaben verhindern und verzögern wollen, so sein Eindruck. Das ließ Rechtsanwalt Axel Weisbach, der den Markt Tussenhausen vertrat, nicht auf sich sitzen. „Es ging nicht um eine Verzögerung. Die Gemeinde hat ein Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.“
Ein Zugeständnis an die jeweils andere Seite gab es immerhin: „Nicht optimal“sei die Sache mit den Fristen gelaufen, gab Baumann zu. Und Axel Weisbach erklärte, dass das Schreiben der Kommune klarer hätte sein können.
Richter Eiblmaier war die angespannte Situation vor Ort bewusst: „Es kommt ein Anruf, dann kommt ein Bus oder zwei.“Landratsämter und die Kommunen müssten die Geflüchteten dann unterbringen. „Ganz gerecht werden sie nie auf die Kommunen verteilt werden“, meinte Rechtsanwalt Weisbach. „Das Gesamtproblem Asyl werden wir hier nicht lösen können.“Darin waren sich alle Verfahrensbeteiligten einig.
Fast schon salomonisch war nach dieser Aussprache dann auch das Urteil: Zwar bekommt der Markt Tussenhausen recht, allerdings räumte das Gericht dem Landratsamt auch ein, auf einfache Art und Weise Berufung einzulegen. Das hat die Behörde fest vor, wie Abteilungsleiter Baumann im Gespräch mit unserer Redaktion nach der Verhandlung verriet.
In nächster Instanz ginge der Fall dann an erneut an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nach München, der schon einmal in seiner Eilentscheidung die Ansicht Tussenhausens bestätigt hatte. Sollte er dies ein zweites Mal tun, schließt das Landratsamt auch eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auch nicht aus. Das sei laut Baumann allerdings „Zukunftsmusik“. In diesem Fall könnte sich der Rechtsstreit wohl noch um einige Jahre hinziehen.