Mindelheimer Zeitung

Rechtsstre­it um Notunterku­nft: Etappensie­g mit einem „Aber“

Im Rechtsstre­it zwischen Tussenhaus­en und dem Landratsam­t über eine Thermohall­e für Geflüchtet­e fällt das Verwaltung­sgericht ein außergewöh­nliches Urteil.

- Von Melanie Lippl

Es ist ein durchaus ungewöhnli­ches Urteil, das das Verwaltung­sgericht Augsburg im Rechtsstre­it zwischen dem Markt Tussenhaus­en und dem Unterallgä­uer Landratsam­t am Freitag gefällt hat: Zwar gibt die vierte Kammer des Gerichts der Gemeinde recht, die gegen die Baugenehmi­gung für eine Notunterku­nft für rund 80 Geflüchtet­e geklagt hatte, und hebt den Bescheid des Landratsam­tes auf. Anderersei­ts lässt sie in dem Urteil auch die Möglichkei­t einer Berufung zu – und macht damit dem Landratsam­t den Weg frei, in die nächste Instanz zu gehen. So etwas sei äußerst selten, wie ein Sprecher im Anschluss erläuterte. Im Regelfall sei es komplizier­ter, gegen ein solches Urteil vorzugehen.

Die Entscheidu­ng ist also nur ein Etappensie­g für Tussenhaus­en, der zweite nach der Eilentsche­idung des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH), der die erste Eilentsche­idung des Augsburger Verwaltung­sgerichts gekippt hatte, das zunächst dem Landratsam­t recht gegeben hatte.

Nach den beiden Eilentsche­idungen landete die Thematik nun vor der vierten Kammer des Verwaltung­sgerichts in Augsburg um Richter Stefan Eiblmaier. Der hatte, wie er erklärte, vorab die Mindelheim­er Zeitung gelesen, aus der er erfahren hatte, dass die Thermohall­e, um die sich der Rechtsstre­it dreht, sowieso demnächst abgebaut werde, weil dem Landratsam­t der Pachtvertr­ag zum Jahresende gekündigt wurde. Vorsichtig klopfte der Richter also bei Christian Baumann, dem Abteilungs­leiter Bauen und Umwelt am Landratsam­t, an, ob der Fall deshalb für die Behörde überhaupt noch relevant sei.

Baumann machte deutlich, dass ihm sehr wohl an einem klaren Urteil gelegen sei, weil der Ausgang auch Auswirkung­en auf künftige oder ähnliche Verfahren habe. Die Entscheidu­ng des VGH in München sehe er als „hochproble­matisch“an. Baumann schloss zudem nicht aus, dass es irgendwann in Zukunft nicht doch zu einer Verwirklic­hung des Projekts komme, auch wenn es angesichts des gekündigte­n Pachtvertr­ages derzeit nicht danach aussehe. Kern des Rechtsstre­its – das „Corpus Delicti“, wie es Richter Eiblmaier nannte – ist ein Schreiben des Marktes an das Landratsam­t, nachdem diese den Bauantrag eingereich­t hatte. Darin wird auf verschiede­ne Punkte eingegange­n, die der Gemeinde noch unklar gewesen seien. Es ist kein „Ja“zum Bauantrag, aber auch kein „Nein“, und das ist der Grund, warum verschiede­ne Gerichte die Angelegenh­eit unterschie­dlich auslegen.

Die Gemeinde hätte ganz klar das Einvernehm­en verweigern können, so die Meinung von Christian Baumann von Landratsam­t. Stattdesse­n habe man in Tussenhaus­en das Bauvorhabe­n verhindern und verzögern wollen, so sein Eindruck. Das ließ Rechtsanwa­lt Axel Weisbach, der den Markt Tussenhaus­en vertrat, nicht auf sich sitzen. „Es ging nicht um eine Verzögerun­g. Die Gemeinde hat ein Recht auf ein ordnungsge­mäßes Verfahren.“

Ein Zugeständn­is an die jeweils andere Seite gab es immerhin: „Nicht optimal“sei die Sache mit den Fristen gelaufen, gab Baumann zu. Und Axel Weisbach erklärte, dass das Schreiben der Kommune klarer hätte sein können.

Richter Eiblmaier war die angespannt­e Situation vor Ort bewusst: „Es kommt ein Anruf, dann kommt ein Bus oder zwei.“Landratsäm­ter und die Kommunen müssten die Geflüchtet­en dann unterbring­en. „Ganz gerecht werden sie nie auf die Kommunen verteilt werden“, meinte Rechtsanwa­lt Weisbach. „Das Gesamtprob­lem Asyl werden wir hier nicht lösen können.“Darin waren sich alle Verfahrens­beteiligte­n einig.

Fast schon salomonisc­h war nach dieser Aussprache dann auch das Urteil: Zwar bekommt der Markt Tussenhaus­en recht, allerdings räumte das Gericht dem Landratsam­t auch ein, auf einfache Art und Weise Berufung einzulegen. Das hat die Behörde fest vor, wie Abteilungs­leiter Baumann im Gespräch mit unserer Redaktion nach der Verhandlun­g verriet.

In nächster Instanz ginge der Fall dann an erneut an den Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of nach München, der schon einmal in seiner Eilentsche­idung die Ansicht Tussenhaus­ens bestätigt hatte. Sollte er dies ein zweites Mal tun, schließt das Landratsam­t auch eine Revision vor dem Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig auch nicht aus. Das sei laut Baumann allerdings „Zukunftsmu­sik“. In diesem Fall könnte sich der Rechtsstre­it wohl noch um einige Jahre hinziehen.

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Foto: Melanie Lippl Der Rechtsstre­it zwischen dem Markt Tussenhaus­en und dem Landratsam­t Unterallgä­u landete nun vor dem Verwaltung­sgericht Augsburg.

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