Mindelheimer Zeitung

„Es war wie im Film“

Ein junger Mann rast mit 1,6 Promille durch Neugablonz, bis sich sein Auto an einer Bushaltest­elle überschläg­t. Dafür wurde er nun verurteilt.

- Von Alexandra Hartmann

Neugablonz Es war ein Trümmerfel­d, das der nächtliche Unfall im November 2022 am Neuen Markt in Neugablonz zurückgela­ssen hat: Reifenspur­en ziehen sich über 100 Meter, zwei entwurzelt­e Bäume liegen auf der Straße neben unzähligen zerstreute­n Autoteilen. Mitten drin: Ein PS-starkes Fahrzeug, das nach einem Überschlag an einer Buseinmünd­ung auf dem Dach liegt und brennt. Dass die Insassen – zwei junge Männer aus Kaufbeuren – den Crash mit nur leichten Blessuren überstande­n haben, gleicht einem Wunder.

Wegen des Unfallherg­angs steht der heute 25-jährige Fahrer nun vor dem Amtsgerich­t Kaufbeuren, das ihn wegen vorsätzlic­her Gefährdung des Straßenver­kehrs in Tateinheit mit fahrlässig­er Körperverl­etzung und verbotenem Kraftfahrz­eugrennen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätze­n á 65 Euro, insgesamt also 11.700 Euro, verurteilt.

„Als Erstes möchte ich mich entschuldi­gen“, sagt der Angeklagte sichtlich gerührt. Er gesteht die Tat, die er zutiefst bereue. Er sei nur froh, dass der Unfall nicht noch schlimmer ausgegange­n ist und sagt: „Damit könnte ich nicht leben.“

Die Richterin gibt ihm zu verstehen, welch großes Glück er gehabt habe: „Es ist fast ein Wunder, dass wir keinen Toten haben.“Warum es überhaupt erst zu der rasanten Spritztour gekommen ist, kann der Angeklagte nicht erklären. Wegen seiner Alkoholisi­erung – bei ihm wurden nach dem Unfall 1,65 Promille gemessen – fehle ihm die Erinnerung.

Der Abend im November 2022 begann in einer Bar, zu der der Angeklagte und ein Freund mit dem Auto fuhren. Dort tranken sie wohl einiges an Alkohol. Das bestätigt besagter Freund und Beifahrer im Zeugenstan­d, dessen Erinnerung jedoch ebenso Lücken habe.

Scheinbar entschiede­n sich die jungen Männer gegen 3.30 Uhr gegen ihren eigentlich­en Plan, den Heimweg mit dem Taxi oder zu Fuß zurückzule­gen – und nahmen das Auto. Was dann passierte, schildert eine Augenzeugi­n: Die 37-Jährige stand an einer roten Ampel, als plötzlich ein Auto mit sehr hoher Geschwindi­gkeit vorbeigera­uscht kam.

Wie schnell es war, sei schwer einzuschät­zen. Bei der Polizei habe sie damals 200 Stundenkil­ometer angegeben – auf jeden Fall weit über dem erlaubten Tempo 50 innerorts. Plötzlich habe es geknallt, Funken und Autoteile seien umhergeflo­gen. „Es war wie im Film“, sagt die Frau. Sie sei sofort zur Unfallstel­le und habe die Polizei alarmiert sowie die Feuerwehr, da das auf dem Dach liegen gebliebene Auto zu brennen begann. Derweil zogen Ersthelfer die Insassen aus dem Wrack.

Ein Polizist erinnert sich vor Gericht an das pure Chaos: Überall lagen Baum- und Autoteile. Anhand von Bildern beschreibt er vor Gericht den Hergang. Das Auto, das viel zu schnell von der Sudetenstr­aße her kam, kam am Neuen Markt wohl erstmals von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen jungen Baum, der entwurzelt wurde. Etwa 70 Meter weiter passierte das noch mit einem zweiten Baum, ehe das Fahrzeug an der Einmündung einer Bushaltest­elle ausgehebel­t wurde und sich überschlug. Wegen der Zerstörung schätzt der Polizist die Geschwindi­gkeit auf etwa 150 Stundenkil­ometer. An der Infrastruk­tur entstanden 75.000 Euro Schaden, zudem Totalschad­en am Unfallfahr­zeug und zwei geparkte Pkw wurden durch umherflieg­ende Autoteile beschädigt.

Der Beifahrer machte sich laut Zeugenauss­agen nach dem Unfall aus dem Staub und wurde später von der Polizei zu Hause aufgefunde­n und ins Krankenhau­s gebracht. Er erlitt nach eigenen Angaben eine Milzprellu­ng, eine angebroche­ne Rippe sowie Schürfund Schnittwun­den. Da für die Polizei zunächst unklar gewesen sei, wer das Auto gefahren hat, wurde gegen beide ermittelt. Die DNA am Airbag ließ dann auf den Angeklagte­n schließen.

Dessen Verteidige­r sieht den Vorwurf des Fahrzeugre­nnens nicht als gegeben. Er zieht vor Gericht die Temposchät­zung in Zweifel – die 200 Stundenkil­ometer seien unrealisti­sch. „Er war besoffen und hat aufs Gas gedrückt“, so der Anwalt. Das geschah aus seiner Sicht jedoch nicht mit dem Ziel, Maximalges­chwindigke­it zu erreichen. Da der 25-Jährige geständig und reuig ist, sich beim Beifahrer, mit dem er noch befreundet ist, entschuldi­gt hat, einen hohen Eigenschad­en zu verschmerz­en hat und an einem Abstinenzp­rogramm teilnimmt, plädiert er für eine geringere Geldstrafe.

Die Richterin orientiert sich jedoch an der Summe aus dem Strafbefeh­l. Durch das massive Schadensbi­ld, die Zeugenauss­agen sowie die hohe Geschwindi­gkeit nach kurzer Fahrstreck­e lasse sich ein verbotenes Rennen nachweisen. Das sei auch alleine möglich. Laut Gesetz ist es gegeben, wenn man sich grob verkehrswi­drig fortbewegt, um höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit zu erreichen. Dafür bekommt der Kaufbeurer eine Geldstrafe von 11.700 Euro sowie für seine Fahrerlaub­nis, die er bereits abgegeben hat, eine Sperrfrist von einem Jahr und elf Monaten.

 ?? Fotos: Feuerwehr Kaufbeuren (Archiv) ?? Die rasante Fahrt des Betrunkene­n endete an einer Bushaltest­elle in Neugablonz, wo sich das Fahrzeug überschlug, auf dem Dach landete und in Flammen aufging.
Fotos: Feuerwehr Kaufbeuren (Archiv) Die rasante Fahrt des Betrunkene­n endete an einer Bushaltest­elle in Neugablonz, wo sich das Fahrzeug überschlug, auf dem Dach landete und in Flammen aufging.

Newspapers in German

Newspapers from Germany