„Es war wie im Film“
Ein junger Mann rast mit 1,6 Promille durch Neugablonz, bis sich sein Auto an einer Bushaltestelle überschlägt. Dafür wurde er nun verurteilt.
Neugablonz Es war ein Trümmerfeld, das der nächtliche Unfall im November 2022 am Neuen Markt in Neugablonz zurückgelassen hat: Reifenspuren ziehen sich über 100 Meter, zwei entwurzelte Bäume liegen auf der Straße neben unzähligen zerstreuten Autoteilen. Mitten drin: Ein PS-starkes Fahrzeug, das nach einem Überschlag an einer Buseinmündung auf dem Dach liegt und brennt. Dass die Insassen – zwei junge Männer aus Kaufbeuren – den Crash mit nur leichten Blessuren überstanden haben, gleicht einem Wunder.
Wegen des Unfallhergangs steht der heute 25-jährige Fahrer nun vor dem Amtsgericht Kaufbeuren, das ihn wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und verbotenem Kraftfahrzeugrennen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á 65 Euro, insgesamt also 11.700 Euro, verurteilt.
„Als Erstes möchte ich mich entschuldigen“, sagt der Angeklagte sichtlich gerührt. Er gesteht die Tat, die er zutiefst bereue. Er sei nur froh, dass der Unfall nicht noch schlimmer ausgegangen ist und sagt: „Damit könnte ich nicht leben.“
Die Richterin gibt ihm zu verstehen, welch großes Glück er gehabt habe: „Es ist fast ein Wunder, dass wir keinen Toten haben.“Warum es überhaupt erst zu der rasanten Spritztour gekommen ist, kann der Angeklagte nicht erklären. Wegen seiner Alkoholisierung – bei ihm wurden nach dem Unfall 1,65 Promille gemessen – fehle ihm die Erinnerung.
Der Abend im November 2022 begann in einer Bar, zu der der Angeklagte und ein Freund mit dem Auto fuhren. Dort tranken sie wohl einiges an Alkohol. Das bestätigt besagter Freund und Beifahrer im Zeugenstand, dessen Erinnerung jedoch ebenso Lücken habe.
Scheinbar entschieden sich die jungen Männer gegen 3.30 Uhr gegen ihren eigentlichen Plan, den Heimweg mit dem Taxi oder zu Fuß zurückzulegen – und nahmen das Auto. Was dann passierte, schildert eine Augenzeugin: Die 37-Jährige stand an einer roten Ampel, als plötzlich ein Auto mit sehr hoher Geschwindigkeit vorbeigerauscht kam.
Wie schnell es war, sei schwer einzuschätzen. Bei der Polizei habe sie damals 200 Stundenkilometer angegeben – auf jeden Fall weit über dem erlaubten Tempo 50 innerorts. Plötzlich habe es geknallt, Funken und Autoteile seien umhergeflogen. „Es war wie im Film“, sagt die Frau. Sie sei sofort zur Unfallstelle und habe die Polizei alarmiert sowie die Feuerwehr, da das auf dem Dach liegen gebliebene Auto zu brennen begann. Derweil zogen Ersthelfer die Insassen aus dem Wrack.
Ein Polizist erinnert sich vor Gericht an das pure Chaos: Überall lagen Baum- und Autoteile. Anhand von Bildern beschreibt er vor Gericht den Hergang. Das Auto, das viel zu schnell von der Sudetenstraße her kam, kam am Neuen Markt wohl erstmals von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen jungen Baum, der entwurzelt wurde. Etwa 70 Meter weiter passierte das noch mit einem zweiten Baum, ehe das Fahrzeug an der Einmündung einer Bushaltestelle ausgehebelt wurde und sich überschlug. Wegen der Zerstörung schätzt der Polizist die Geschwindigkeit auf etwa 150 Stundenkilometer. An der Infrastruktur entstanden 75.000 Euro Schaden, zudem Totalschaden am Unfallfahrzeug und zwei geparkte Pkw wurden durch umherfliegende Autoteile beschädigt.
Der Beifahrer machte sich laut Zeugenaussagen nach dem Unfall aus dem Staub und wurde später von der Polizei zu Hause aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. Er erlitt nach eigenen Angaben eine Milzprellung, eine angebrochene Rippe sowie Schürfund Schnittwunden. Da für die Polizei zunächst unklar gewesen sei, wer das Auto gefahren hat, wurde gegen beide ermittelt. Die DNA am Airbag ließ dann auf den Angeklagten schließen.
Dessen Verteidiger sieht den Vorwurf des Fahrzeugrennens nicht als gegeben. Er zieht vor Gericht die Temposchätzung in Zweifel – die 200 Stundenkilometer seien unrealistisch. „Er war besoffen und hat aufs Gas gedrückt“, so der Anwalt. Das geschah aus seiner Sicht jedoch nicht mit dem Ziel, Maximalgeschwindigkeit zu erreichen. Da der 25-Jährige geständig und reuig ist, sich beim Beifahrer, mit dem er noch befreundet ist, entschuldigt hat, einen hohen Eigenschaden zu verschmerzen hat und an einem Abstinenzprogramm teilnimmt, plädiert er für eine geringere Geldstrafe.
Die Richterin orientiert sich jedoch an der Summe aus dem Strafbefehl. Durch das massive Schadensbild, die Zeugenaussagen sowie die hohe Geschwindigkeit nach kurzer Fahrstrecke lasse sich ein verbotenes Rennen nachweisen. Das sei auch alleine möglich. Laut Gesetz ist es gegeben, wenn man sich grob verkehrswidrig fortbewegt, um höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dafür bekommt der Kaufbeurer eine Geldstrafe von 11.700 Euro sowie für seine Fahrerlaubnis, die er bereits abgegeben hat, eine Sperrfrist von einem Jahr und elf Monaten.