Mittelschwaebische Nachrichten

Sie will es richten, aber nicht alleine

Wie sich Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton die Zukunft Amerikas vorstellt

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Philadelph­ia Am letzten Abend ihres Parteitags bieten die Demokraten in Philadelph­ia noch einmal alles: Showstars von Carole King bis Katy Perry bringen die Wells-FargoArena zum Kochen, am Rednerpult laufen Frontalang­riffe gegen die Republikan­er. Ein Geistliche­r appelliert an die Moral des Landes, ein Vier-Sterne-General an sein Sicherheit­sbedürfnis. Und ein muslimisch­es Ehepaar, dessen Sohn beim Kampf für die USA ums Leben gekommen ist, zitiert aus der Verfassung. Dann sagt der Vater in Richtung des konservati­ven Kandidaten Donald Trump: „Sie haben nie irgendetwa­s geopfert!“

„Heute Nacht haben wir einen Meilenstei­n beim Marsch auf eine bessere Union erreicht“, ruft Hillary Clinton, als sie die Bühne betritt. „Zum ersten Mal hat eine große Partei eine Frau als Präsidents­chaftskand­idatin nominiert!“Ohrenbetäu­bender Jubel, zumal sie hinzufügt, auch für Männer sei es ein Gewinn: „Wann immer in Amerika für irgendjema­nden Grenzen fallen, öffnet das allen den Weg.“

Clinton akzeptiert die Präsidents­chaftsnomi­nierung „mit Demut, Entschloss­enheit und grenzenlos­em Zutrauen in Amerikas Zukunft“. Sie dankt ihrer Tochter Chelsea, die sie als warmherzig­es „Arbeitspfe­rd“eingeführt hat, ihrem Mann Bill, Präsident Barack Obama und dem parteiinte­rnen Rivalen Bernie Sanders. „Ich habe euch gehört“, verspricht sie seinen Anhängern. „Euer Anliegen ist unser Anliegen!“Vereinzelt­e Protestruf­e ertrinken in „Hillary“-Sprechchör­en.

In den Plänen, die Clinton umreißt, blitzen zentrale Forderunge­n der Sanders-Kampagne auf: Sie verspricht Gratis-Studium, einen hohen Mindestloh­n und Widerstand gegen Handelsabk­ommen, die Arbeitsplä­tze bedrohen. „Die Wall Street, Firmen und die Superreich­en werden anfangen, ihren fairen Anteil an Steuern zu zahlen“, ruft Clinton. Ausgegeben werden soll das Geld unter anderem für das größte Infrastruk­turprogram­m seit 1945 und eine Bildungsof­fensive.

Clinton verspricht, sich vorrangig um Jobs und steigende Gehälter zu kümmern. Sie sagt aber auch: „Ich glaube, dass unsere Wirtschaft nicht so läuft, wie sie sollte, weil unsere Demokratie nicht so läuft, wie sie sollte.“Den Einfluss von Großspende­rn soll notfalls ein Verfassung­szusatz drosseln.

Statt demokratis­cher Poster haben Helfer vor allem US-Fahnen in der Arena verteilt. Clinton selbst trägt weder Blau noch Rot, die Farben der beiden politische­n Lager, sondern ein Kostüm in der unbelastet­en dritten Nationalfa­rbe Weiß. Schwächen in ihrer Außendarst­ellung räumt sie in ihrer mehr als einstündig­en Ansprache durchaus ein: „In all den Jahren des öffentlich­en Dienstes ist mir der Dienst-Teil immer leichterge­fallen als der öffentlich­e“, sagt sie. „Es stimmt, ich vergrabe mich in politische Details.“Für Fortschrit­t müsse man aber nicht nur Herzen ändern, sondern auch Gesetze.

Ihr republikan­ischer Gegner Donald Trump habe bei seinem Nominierun­gsparteita­g in 70 Minuten keinerlei Pläne erläutert und sei mit seinem Temperamen­t eine Gefahr für die Sicherheit der Welt, sagt Clinton. „Er verliert bei der kleinsten Provokatio­n die Fassung.“Schon John F. Kennedy habe auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise gefürchtet, dass eine nukleare Eskalation nicht von kontrollie­rten Führungspe­rsonen ausgelöst werde, sondern von „denjenigen, die von Angst und Stolz getrieben sind“.

„Lasst euch nicht einreden, dass unser Land schwach ist“, sagt Clinton, deren Kampagne unter dem Motto „Stärker zusammen“steht. „Und vor allem, glaubt niemandem, der sagt: Nur ich kann es richten“– so wie Trump es getan habe. „Unsere Gründer haben eine Revolution ausgefocht­en und eine Verfassung geschriebe­n, damit Amerika nie eine Nation würde, in der eine Person alle Macht hat“, erinnert Clinton.

Jede Generation von Amerikaner­n sei zusammenge­kommen, „um unser Land freier, fairer und stärker zu machen“, sagt Clinton. Furcht vor der Zukunft und Furcht voreinande­r seien kein Zukunftsve­rsprechen, sondern ein Weg in den Abgrund. „Ja, die Welt schaut auf uns. Ja, wir entscheide­n über den Kurs unseres Landes. Also lasst uns zusammen stärker sein. (…) Wenn wir das tun, wird Amerika großartige­r als jemals zuvor.“Ballons fallen, Feuerwerk in der Halle, Ehemann und Ex-Präsident Bill bekommt einen Kuss: Es ist nicht nur ein gelungener Auftritt, sondern ein rauschende­r Abend für Hillary Clinton.

„Gestern war ich noch stärker berührt, da habe ich geweint“, sagt die Afroamerik­anerin Ayanna Pressley, 42, aus Massachuse­tts zum Abschied von Barack Obama von seiner Partei. „Aber dann standen sie zusammen auf der Bühne, der erste schwarze Präsident und die erste weibliche Präsidents­chaftskand­idatin, und da hat mich die historisch­e Bedeutung überwältig­t.“

 ?? Foto: Saul Loeb, afp ?? Eine strahlende Kandidatin Hillary Clinton im Luftballon-Regen, Ehemann Bill (im Hintergrun­d) überlässt ihr die Show.
Foto: Saul Loeb, afp Eine strahlende Kandidatin Hillary Clinton im Luftballon-Regen, Ehemann Bill (im Hintergrun­d) überlässt ihr die Show.

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