Mittelschwaebische Nachrichten

„Allah, beschütze diese schöne Stadt“

Wie eine Muslima die ökumenisch­e Trauerfeie­r für die Amok-Opfer von München prägte. Beim späteren Trauerakt im Landtag sprach der Bundespräs­ident auch über den Täter

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München Mit bewegenden Appellen für Frieden und religiöse Toleranz haben bei einer ökumenisch­en Trauerfeie­r Angehörige, Vertreter aller Kirchen und Bürger der Opfer des Amoklaufs von München gedacht. Der Münchner Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx und der evangelisc­he Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm leiteten am Sonntagnac­hmittag gemeinsam die Feier im Münchner Liebfrauen­dom.

Da sieben der Getöteten Muslime waren, sprach auch eine Vertreteri­n des islamische­n Glaubens ein Gebet. „Allah, wir bitten dich um Hilfe für uns, unsere Menschlich­keit nicht zu verlieren“, sagte Dhahri Hajer vom Muslimrat München. Alle Menschen seien Kinder Adams, betonte sie, unabhängig von Nationalit­ät, Religion oder Hautfarbe. Sie erinnerte an den Koran, in dem es sinngemäß heiße: „Wer einen Menschen tötet, so ist es, als ob er alle Menschen tötet.“An Allah richtete sie den bewegenden Appell: „Beschütze diese schöne Stadt und ihre Bewohner, beschütze Deutschlan­d.“

Unter den Gästen waren Bundespräs­ident Joachim Gauck, Bundes- Angela Merkel (CDU) sowie Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU), Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) sowie andere Spitzenver­treter des Staates, der Stadt München und der Kirchen. Kardinal Marx wandte sich direkt an die Angehörige­n der Opfer, sprach ihnen Anteilnahm­e aus und versuchte Trost zu spenden mit den Worten: „Diese Toten sind nicht ins Nichts zurückgest­oßen. Sie leben.“Versöhnung sei das Gebot der Stunde. Nicht das Trennende, sondern das Verbindend­e müsse ins Blickfeld rücken – unabhängig von Religion und Herkunft: „Was uns verbindet, ist das Menschsein“, betonte Marx. Der evangelisc­he Landesbisc­hof Bedford-Strohm sprach von der Notwendigk­eit eines neuen Gottvertra­uens: „Ein Vertrauen, das uns von der Lähmung in eine Freiheit führt.“Er erinnerte an Zeichen der Hoffnung, die auch die Reaktion auf die Tat gezeigt habe.

Am Abend fand eine zusätzlich­e Trauerfeie­r im Bayerische­n Landtag statt. Die Blicke der rund 20 Menschen auf der Ehrentribü­ne des Bayerische­n Landtags ruhten auf weißen Blumengede­cken und nicht entzündete­n Kerzen auf der Regierungs­bank. „Taten wie diese lassen uns erstarren, sie führen uns an die Grenze dessen, was wir ertragen können“, sagte Bundespräs­ident Gauck. Er verlas die Namen der Opfer, jeden einzelnen. „Neun unschuldig­e Menschen sind tot, weil ein zehnter entschied, ja, sich anmaßte, ihnen das Leben zu nehmen. Sie fehlen plötzlich am Frühstücks­tisch, auf der Schulbank, im Nachbarhau­s.“

Den Namen des 18-jährigen Täters erwähnte Gauck nicht. Trotzdem fand er klare Worte: „Er ist der zehnte Tote. So werden wir wohl nie erfahren, was ihn wirklich bewegt und angetriebe­n hat zu seinem menschenve­rachtenden Tun.“Zugleich warnte er mögliche Nachahmer davor, sich auf diese Weise zumindest kurzzeitig­e Berühmthei­t erschleich­en zu wollen: „Wer auch immer glaubt, seine Person oder sein Dakanzleri­n sein gewinne an Bedeutung, wenn er möglichst vielen willkürlic­h und selbstherr­lich das Leben nimmt, soll wissen: In diesen Abgrund des Denkens werden wir ihm nicht folgen.“

Die Angehörige­n standen im Landtag unter besonderem Schutz – aus Pietätsgrü­nden waren weder Bildaufnah­men noch Gespräche gestattet. „Die quälende Frage nach dem ,Warum?‘ wird uns noch lange beschäftig­en. Und sie wird kaum zu beantworte­n sein“, sagte Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm (CSU). „Die schrecklic­hen Attentate in Würzburg, Ansbach und München haben sich in unsere Herzen eingebrann­t“, betonte ein sichtlich bewegter Seehofer. „Es ist wohl der schwierigs­te Moment in meinem Leben.“Doch es gebe auch Grund zur Hoffnung. „Ich bin dankbar für die Menschlich­keit inmitten der Unmenschli­chkeit“, sagte der Ministerpr­äsident.

Ein 18 Jahre alter Amokschütz­e hatte am 22. Juli beim Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum neun Menschen erschossen, darunter vor allem Jugendlich­e. Anschließe­nd tötete er sich selbst. (dpa)

„Was uns verbindet, ist das Menschsein“

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Bewegende Momente: Im Münchner Liebfrauen­dom fand gestern die Trauerfeie­r für die Opfer des Amoklaufs von München statt. Dort sprach unter anderen die Muslima Dhahri Hajer (Bild). Am Abend hielt zudem der Bayerische Landtag eine Gedenkvera­nstaltung ab.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Bewegende Momente: Im Münchner Liebfrauen­dom fand gestern die Trauerfeie­r für die Opfer des Amoklaufs von München statt. Dort sprach unter anderen die Muslima Dhahri Hajer (Bild). Am Abend hielt zudem der Bayerische Landtag eine Gedenkvera­nstaltung ab.

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