Mittelschwaebische Nachrichten
Segelflieger lernen von Zugvögeln
Schon Flugpionier Lilienthal schaute sich vieles von den Tieren ab. US-Forscher tun es ihm nun gleich: Sie wollen erreichen, dass die Fluggeräte mehr von Aufwinden profitieren
San Diego 120 Jahre nach dem tödlichen Absturz des Flugpioniers Otto Lilienthal wollen US-Physiker den Segelflug optimieren. Dafür nahmen sie den sogenannten Thermikflug von Zugvögeln unter die Lupe, wie die Forscher im US-Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences schreiben. Die Tiere können mithilfe von Aufwinden mit wenig Kraftaufwand weite Strecken fliegen. Dabei finden sie die optimale Flugbahn, obwohl es in den Aufwinden turbulent zugehen kann.
Das Team um Gautam Reddy von der University of California in San Diego fragte sich, wie die Vögel das machen, und untersuchten die komplizierte Technik des Thermikflugs mithilfe von Computermodellen. Dafür setzten die Forscher auch sogenannte selbstverstärkende LernAlgorithmen ein. Dabei wird ein Segelflieger in einer Computersimulation fortlaufend trainiert, indem er ein unmittelbares Feedback zu seinen Flugmanövern bekommt. Bei den simulierten Tests zeigte sich, dass der höchste und längste Flug erreicht wird, wenn er konsequent am Drehmoment der Aufwinde ausgerichtet wird. Temperaturwechsel innerhalb der Winde spielten hingegen eine geringere Rolle.
Um die Fluggeräte künftig weiter segeln zu lassen, könne demnach eher auf Temperaturmessgeräte verzichtet werden als auf relativ einfache mechanische Instrumente zur Messung des Drehmoments, schreiben die Forscher. Die Erkenntnisse müssten jedoch noch im Experiment bestätigt werden. Indem er bestimmte Umweltsignale berücksichtige, sei ein Flieger in der Lage, den Auftrieb zu steigern und selbst bei starken Turbulenzen die Segelleistung zu verbessern, betonte Mitautor Massimo Vergassola.
Strömungsexperte Michael Klaas vom Aerodynamischen Institut der RWTH Aachen hält die Arbeit der US-Forscher für exzellent. Erstmals sei bei Untersuchungen der aufsteigenden Luftmassen genauer hingeschaut und auch die Rolle der Tur- bulenzen berücksichtigt worden. Klaas: „Wenn man versteht, wie Vögel Entscheidungen treffen, kann man auch für den Segelflug oder für den Bau von Drohnen viel daraus lernen.“ Otto Lilienthal war am 10. August 1896 kurz nach dem Absprung von einem Berg in Brandenburg mit seinem Gleiter jäh 15 Meter in die Tiefe gestürzt. Forscher des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR) hatten jüngst die Gründe dafür untersucht und gefolgert, dass der Flugpionier abgestürzt war, nachdem der Gleiter sich bei einem Aufwind zu stark aufgerichtet hatte. (dpa)