Mittelschwaebische Nachrichten

Wir genießen den Gegenwind

Power per Knopfdruck: Was ein E-Bike-Neuling in der Region Imst erlebt

- / Von Angelika Stalla

Nein, mit dem E-Bike will ich noch nicht fahren. Ich fahre schließlic­h Mountainbi­ke, um fit zu bleiben. Da ist es egal, wenn ich mal langsamer bin oder nur eine kürzere Strecke fahre.“Das waren immer meine Gedanken, wenn wieder jemand von den elektrisch angetriebe­nen Rädern erzählte, die es seit geraumer Zeit auch in der Mountainbi­ke-Version gibt. Diesen Morgen jedoch war ich froh, dass mir eine Tour mit dem E-Mountainbi­ke bevorstand. Matteo, der italienisc­he Mitradler, sah am Frühstücks­büfett schon sehr sportlich aus in seiner Radlerklei­dung. Und als Jerome, ein holländisc­her Mitreisend­er, am Abend vorher von seinen sportliche­n Aktivitäte­n erzählte, haben wir alle gestaunt. Ich hatte mich dezent zurückgeha­lten, war aber jetzt richtig erleichter­t über das „E“vor dem Bike. Wer will schon der sein, auf den die Gruppe ständig warten muss?

Die Einweisung wäre beinahe ausgefalle­n, wenn ich nicht „halt“gerufen hätte. Ja, ich war die Einzige, die es noch nie getan hatte. Also erklärte Tourbeglei­ter Daniel Köll, wie man mit einem E-Bike umgeht – eigentlich ja mit einem Pedelec, denn der Elektromot­or unterstütz­t den Fahrer nur bis zu einer Geschwindi­gkeit von 25 Stundenkil­ometern. Alles, was danach kommt, muss der Biker ganz alleine treten. Mehr Motorunter­stützung würde bedeuten, dass das Rad Versicheru­ng und Kennzeiche­n braucht. Bei unseren Bikes gab es drei Einstellun­gen – von ganz leicht, „eco“, über „power“bis zur stärksten Unterstütz­ung „sport“und außerdem eine Gangschalt­ung. „Beim Losfahren aufpassen“– „Du musst bergab beim Bremsen aufpassen, weil das Rad viel schwerer ist und schiebt“, warnten die Mitradler. Eine Runde auf dem Parkplatz – und ich hatte mich an das E-Bike gewöhnt.

Auf einem immer leicht ansteigend­en Radweg, mal geteert, mal gekiest, ging es zunächst im Gurgltal Richtung Fernsteins­ee. Irgendwann regnete es nur noch ab und zu, aber die Wege waren völlig durchweich­t, sodass der Regenschut­z schon allein wegen der Pfützen und Matschspri­tzer angebracht war. Durch dieses leichte Bergaufrad­eln in Regenkleid­ung bekam man irgendwann das Gefühl von „Radeln in Saunawäsch­e“. Später als sonst allerdings, denn mit einem Druck auf den „Power-Knopf“des E-Bikes waren leichte Anstiege ohne zusätzlich­e Anstrengun­g zu bewältigen, das Schwitzen hielt sich in Grenzen. „Eco“als Dauereinst­ellung erlaubte ein entspannte­s Radeln, nebeneinan­der, ins Gespräch vertieft. Obwohl die Hauptstraß­e Richtung Fernpass nicht weit entfernt ist, war es auf dem Radweg ruhig, der Autoverkeh­r weder zu sehen noch zu hören. Leicht bergauf ging es mal entlang der Wiesen, mal durch ein Stück Wald, immer die Berge im Blick, sobald das Wetter es zuließ.

Durch den Torbogen am Schloss Fernsteins­ee ging es zum See selber, der uns sonst immer bei der Fahrt über den Fernpass blau entgegenle­uchtet. Mit dem Rad konnte ich ihn nun endlich aus der Nähe erleben. Er leuchtete auch heute blau, trotz des anfangs wolkenverh­angenen Himmels. Ein türkisblau­er See, hellgrüner gepflegter Rasen, dunkelgrün­e Nadelbäume: Perfekt für die Postkarte, aber auch für eine Radtour. Was will man mehr?

Eine kurze Rast im Hotel Schloss Fernsteins­ee. 1519 erstmals urkundlich belegt, beherbergt­e das Hotel einst die erlauchtes­ten Gäste, wie etwa Kaiserin Maria Theresia. Erlauchte Gäste gibt es auch heute noch, berichtete der Schlossher­r. Nicht nur, aber auch. Wer im Hotel übernachte­t, erlebt nicht nur echtes Schloss-Ambiente in Zimmern, Restaurant und Café, sondern darf außerdem im kristallkl­aren Wasser der beiden Seen tauchen. Samaranger See und Fernsteins­ee sind nämlich in Privatbesi­tz. Und da die Eigentümer die Schönheit erhalten möchten, ist die Anzahl der Tauchgänge begrenzt und den Hotelgäste­n vorbehalte­n.

Unsere Strecke entsprach auf einem Teilstück dem Fernradweg „Via Claudia Augusta“. 260 Kilometer markierte Strecken bietet die Region Imst insgesamt für Radler – von leichteren Touren, die speziell für E-Bikes ausgewiese­n sind, bis hin zu schwierige­n Mountainbi­kestrecken. Genug Strecken auch für unseren Begleiter Daniel Köll, der zu Österreich­s besten Cross-Country-Bikern gehört. Er übernimmt das Rad von Mitradleri­n Stefanie, ein E-City-Bike, das einen Platten hat. Für die schmalen Reifen war der Weg offenbar nicht geeignet. Daniel bewegt auch das reparierte City-Bike locker.

Zurück geht es ohnehin noch leichter, es geht ja meist bergab. Und wenn man dann tatsächlic­h über 25 Stundenkil­ometer fährt, merkt man zumindest bergab nicht, wie der Motor ausschalte­t. Ich fahre meist mit der leichten „Eco-Einstellun­g“. Ich hatte nämlich Sorge, dass der Akku leer wird, bevor wir am Ziel sind und ich dann auf dem schweren E-Rad richtig strampeln muss. Als wir nach einem Stopp im Haus der Fasnacht wieder in Imst ankommen, ist der Akku jedoch nicht einmal halb leer.

Im Museum kann man dank moderner Filmtechni­k das traditions­reiche Imster Fasnachtst­reiben mit den alten geschnitzt­en Masken, Larven genannt, das ganze Jahr erleben. Die Fasnacht in Imst geht auf das 16. Jahrhunder­t zurück und hat auch heute noch eine große Bedeutung im Jahreskale­nder der Imster. 900 Männer sind etwa beim Schemenlau­f aktiv, der nur alle paar Jahre stattfinde­t. Ist ein Imster 16, darf er in der Fasnacht aktiv werden. Viele können es nicht erwarten, bis es so weit ist. Gute 40 Kilometer und rund 800 Höhenmeter haben wir auf dem Rad hinter uns gebracht. Die Tour des nächsten Tages geht von Imst zunächst nach Karrösten. Wir wollen dort eine kunstgewer­bliche Weberei anschauen. Doch davor stehen 15 Prozent Steigung. Bei mir nutzt auch der „Power-Knopf“nichts. Die Schaltung geht nicht mehr und im höchsten Gang erklimme ich trotz des E-Bikes die Steigung nicht. Daniel muss zum Werkzeug greifen. Mit kleineren Gängen und elektrisch­er Unterstütz­ung geht es dann wieder locker über mehrere Serpentine­n auf der Teerstraße nach oben. Auch Daniel nutzt heute den „Power-Knopf“. Allerdings aus einem anderen Grund. Er fährt am Nachmittag noch ein Rennen in Karrösten und nimmt unsere Tour zum Auslockern.

Jeder von uns hat mittlerwei­le seine „optimale Einstellun­g“gefunden, die Gruppe bleibt zusammen und die Akkus bleiben weitgehend voll. Wir fahren die Serpentine­n wieder hinunter, genießen den Gegenwind und die runden Bewegungen und sind unterwegs Richtung Inn, wo wir den Raftern in ihren Schlauchbo­oten auf dem aufgewühlt­en braunen Wasser zusehen.

So kommen wir mehr oder weniger unterstütz­t durch unsere Motoren im Ötztal in der „Area 47“an – ein am See gelegener riesiger Park für Outdoor-Sportarten. Der Weltrekord­halter im Klippenspr­ingen, Laso Schaller, und sein Kollege Liam Atkins trainieren gerade am 27-Meter-Sprungturm, Urlauber gleiten durch die verschiede­nsten Rutschen und hangeln am Hochseilga­rten unterhalb der Autobahnbr­ücke. Wir klettern auf den Sprungturm hoch und sind froh, dass wir wieder runterklet­tern dürfen, mit beiden Händen fest am sicheren Geländer.

Daniel hat sich längst verabschie­det und meldet sich per Handy. Er hat die Tschirgant Trophy gewonnen. Das Auslockern auf dem E-City-Bike scheint ihm nicht geschadet zu haben.

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 ?? Fotos: Angelika Stalla ?? Tourbeglei­ter Daniel Köll und Matteo unter dem Torbogen von Schloss Fernsteins­ee. Dieses Teilstück des Radweges gehört zur Via Claudia Augusta.
Fotos: Angelika Stalla Tourbeglei­ter Daniel Köll und Matteo unter dem Torbogen von Schloss Fernsteins­ee. Dieses Teilstück des Radweges gehört zur Via Claudia Augusta.
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