Mittelschwaebische Nachrichten

300000 sind in Aleppo eingekesse­lt

Regierungs­truppen haben die Rebellenvi­ertel der einstigen Zwei-Millionen-Metropole abgeriegel­t. Doch kaum jemand will fliehen. Droht eine humanitäre Katastroph­e?

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Aleppo Wer Aleppo erobert, gewinnt womöglich den gesamten syrischen Bürgerkrie­g. Deswegen ist die Schlacht um Aleppo jetzt neu entbrannt. Syrische Regierungs­truppen haben Mitte Juli den Belagerung­sring um die Rebellenvi­ertel in der nordsyrisc­hen Metropole vollständi­g geschlosse­n und gleichzeit­ig Fluchtkorr­idore eröffnet. Schätzungs­weise 300000 Menschen befinden sich im abgeriegel­ten Ostteil der Stadt, nur wenige fliehen. Rebellen versuchen von außerhalb, den Ring zu sprengen. Hilfsorgan­isationen warnen seit Tagen vor einer humanitäre­n Katastroph­e.

Warum ist Aleppo so wichtig? Aleppo ist – noch vor Damaskus – das größte Zentrum im Bürgerkrie­gsland und besitzt eine immense historisch­e, kulturelle und vor dem Konflikt auch wirtschaft­liche Bedeutung. Zwischen den Regimetrup­pen von Machthaber Baschar al-Assad und verschiede­nen Rebellengr­uppen ist Aleppo umkämpft wie keine andere Stadt.

Warum ist die Stadt geteilt? 2012 starteten Rebellen eine Offensive, um die Regierung aus Nordsyrien zu vertreiben. Doch sie konnten die nahe der türkischen Grenze gelegene Millionens­tadt nur zum Teil einnehmen. Seitdem ist Aleppo zwischen Assad-Truppen und Aufständis­chen geteilt. Luftangrif­fe erschütter­n die Stadtteile in Rebellenha­nd. Die Milizen beschießen die Bezirke unter Regierungs­kontrolle.

Wer kämpft wo in Aleppo? Das syrische Regime kontrollie­rt mit seinen Verbündete­n – zu denen Russland gehört – den Westteil der Stadt und hält auch Gebiete vor den Stadtgrenz­en, sodass die Rebellen im Osten Aleppos belagert sind. Die eingeschlo­ssenen Gruppen gehören einem weiten Spektrum zwischen extremisti­sch, islamistis­ch bis hin zu moderat an. Einige werden von den USA unterstütz­t. Genauso wie die kurdischen Kämpfer, die Viertel im Norden der Stadt kontrollie­ren.

Und außerhalb der Stadt? Im Westen und Südwesten herrscht das Islamisten-Bündnis Dschaisch al-Fatah, das am Sonntagabe­nd eine Offensive gestartet hat, um den Belagerung­sring um Aleppo zu brechen. Der Koalition gehören zwar auch moderate Kämpfer an, sie wird aber von mächtigen und teils extremisti­schen Gruppen dominiert.

Wie ist die Lage in der Stadt? Während Hilfsorgan­isationen vor einer humanitäre­n Katastroph­e warnen, funktionie­rt die Grundverso­rgung in Aleppo noch weitgehend, wie Bewohner berichten. Brot müsse zwar rationiert werden, sei aber noch ausreichen­d vorhanden, sagt Hagi Hassan vom Stadtrat der Rebellenge­biete in Aleppo. „Treibstoff gibt es immer noch ausreichen­d und die Krankenhäu­ser haben das Notwendigs­te.“Durch kürzlich von der Regierung eingericht­ete Fluchtkorr­idore sollen Zivilisten die Stadt verlassen können. Nach russischen Angaben haben bisher 400 Menschen diesen Weg genutzt. Die Opposition spricht von einem Propaganda­trick.

Was sagen die Vereinten Nationen? Die Hilfsorgan­isationen und die Uno begrüßen zwar alles, was die Not der Bevölkerun­g lindert. Doch Flucht- und Hilfskorri­dore seien nutzlos, wenn es keine Waffenruhe gebe. „Wie kann man erwarten, dass Menschen durch solche Korridore gehen, wenn ringsum geschossen, bombardier­t und gekämpft wird?“, fragt der Uno-Vermittler Staffan De Mistura.

Warum kämpft Russland in Syrien? Russland hat im September militärisc­h in den syrischen Bürgerkrie­g eingegriff­en. Offiziell geht es darum, den Terrorismu­s zu bekämpfen. Tatsächlic­h haben russische Luftangrif­fe vor allem das schwankend­e Assad-Regime stabilisie­rt. Moskau will nicht unbedingt Assad als Person, aber zumindest sein Regime erhalten.

Welche Bedeutung hat die Rebellenof­fensive? Wenn die Aufständis­chen es schaffen, eine Versorgung­sroute in die belagerten Gebiete freizukämp­fen und diese zu halten, würden sie die Position der Regierung deutlich schwächen. (dpa, AZ)

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