Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn russischer Quark brennt
Milchprodukte werden zum Teil gestreckt. Die Folgen der Mangelwirtschaft
Moskau Dieser russische Quark verhält sich nicht wie er sollte. Lichterloh brennt das vermeintliche Milchprodukt. Gut zehn Minuten dauert das Experiment, bei dem eine Reporterin den angeblichen Tworog aus einem Hinterhofladen in St. Petersburg einer Feuerprobe unterzieht. Nach kurzer Zeit verwandeln die züngelnden Flammen den schneeweißen Speisequark in eine dunkelbraune Masse. „Es riecht wie Plastik“, sagt die Journalistin des Portals fontanka.ru und rümpft im Video-Beitrag die Nase. „Guten Appetit, Genossen!“
Der Clip löst einen Aufschrei im Internet aus. Eine Analyse des Quarks im Auftrag des kritischen Online-Magazins zeigt: Das als Tworog verkaufte Milchprodukt enthält kein Milchfett, sondern ist mit Zusatzstoffen gepanscht. Medien berichten gar von Produkten, die mit Stärke, Kreide oder Gips gestreckt sein sollen.
Der brennende Quark gilt als Sinnbild für den schlechten Zustand der russischen Milchbranche. Gut ein Viertel seines Rohmilch-Bedarfs von 30 Millionen Tonnen importiert Russland. „Jahrelang wies die Sparte die niedrigsten Investitionen in der russischen Agrarindustrie auf“, erklärt Artjom Below, Geschäftsführer des Verbandes der Milchproduzenten. Aus Sowjetzeiten geerbte Anlagen gelten als rückständig und unproduktiv. Gerade bayerische Produzenten von Milchprodukten hatten große Erfolge auf dem russischen Markt.
Der Kurswechsel beginnt 2014. Mit einem Importverbot für westliche Lebensmittel schafft sich der Kreml einen geschützten Raum, um die rückständige Agrarindustrie zu modernisieren. Zu einem führenden Lebensmittelexporteur will Präsident Wladimir Putin sein Land machen. Das Embargo, eine Reaktion auf Sanktionen des Westens gegen Russland im Ukraine-Konflikt, jährt sich an diesem Samstag zum zweiten Mal. Bis Ende 2017 hat Putin das Einfuhrverbot verlängert.
In der EU löst das Verdruss aus. Produzenten von Fleisch, Obst und Milch haben mit Russland einen wichtigen Markt verloren. Um rund 45 Prozent sind die Agrarexporte von Deutschland nach Russland zwischen 2013 und 2015 gesunken, ein Minus von mehr als 700 Millionen Euro. Die mit niedrigen Preisen und Überproduktion kämpfenden Milchbauern bekommen dies zu spüren. (dpa)