Mittelschwaebische Nachrichten

Das große Stechen

Donau-Anwohner bitten um Hilfe, Biergarten-Besucher werden umschwärmt – sind das Zeichen einer Mückenplag­e?

- VON JENS NOLL

Augsburg Unbemerkt nähern sie sich im Schutze der Dunkelheit. Wer das leise Summen überhört oder die Biester nicht rechtzeiti­g erschlägt, wird das heftige Jucken bald spüren. Verflixt, schon wieder hat eine Mücke zugestoche­n!

Experten haben es im nassen Frühjahr schon kommen sehen: Die Plagegeist­er könnten heuer beste Lebensbedi­ngungen vorfinden und sich in großer Zahl auf hilflose Opfer stürzen. Wer sich draußen aufhält, zum Beispiel abends im Biergarten, wird in vielen Orten in der Region schon bald von Stechmücke­n umschwirrt. Besonders heftig hat es offenbar Menschen erwischt, die an der Donau und am Flüsschen Ussel in Rennertsho­fen (Kreis NeuburgSch­robenhause­n) leben. 100 von ihnen demonstrie­rten jüngst sogar vor der Gemeindera­tssitzung und forderten, mit einem Bakterium gegen die Mückenlarv­en vorzugehen. Großen Bekannthei­tsgrad erlangte darüber hinaus die in Rennertsho­fen gestartete Online-Petition „Stoppt die Stechmücke­nplage“. Sie ist an Ministerpr­äsident Horst Seehofer gerichtet und zählte bis Dienstag etwa 850 Unterstütz­er.

Wie schlimm ist die Situation insgesamt in Bayern? Die Mückenexpe­rten bei der Zoologisch­en Staatssamm­lung München wiegeln ab. Von einer Mückenplag­e könne man keinesfall­s sprechen, heißt es dort. Alles normal. Im Sommer müsse man eben mit den Insekten rechnen, in feuchteren Sommern mehr als in trockenere­n.

Der Biologe Rainer Bretthauer, Umwelt- und Klimaschut­zbeauftrag­ter der Stadt Radolfzell am Bodensee (Kreis Konstanz), äußert sich klarer: „Es gibt deutlich mehr Stechmücke­n als in anderen Jahren.“Der viele Regen im Frühjahr habe alle Dellen in der Landschaft mit Regen gefüllt, sagt er. Und Stechmücke­n lieben bekanntlic­h stehende Gewässer. Dort legen die Blutsauger ihre Eier ab. Sobald es wärmer wird, schlüpft der Nachwuchs.

Die Stechmücke­nart, die am Bodensee und am Oberrhein verstärkt ihr Unwesen treibt, komme auch an bayerische­n Seen vor, erzählt Bretthauer. In den Bergen oder am Meer könne man den fiesen Insekten noch aus dem Weg gehen. Angelockt werden sie hauptsächl­ich vom Kohlendiox­id in der Atemluft und von Wärme. „Wer Bier trinkt, verstärkt die CO2-Fahne noch“, warnt der Experte. Auf bestimmte Duftstoffe im Körpergeru­ch der Menschen fliegen die stechenden Weibchen besonders. Welche das genau sind, könnten Wissenscha­ftler noch nicht mit Sicherheit sagen, ergänzt Bretthauer. In der Unterschie­dlichkeit der Duftstoffe, die die Menschen abgeben, liege jedenfalls die Ursache dafür, dass manche mehr und manche weniger gestochen werden.

Nah am Wasser oder in der Nähe eines Gebüsches steigt zumindest die Wahrschein­lichkeit, gestochen zu werden. Zudem sind die Mücken in der Abenddämme­rung besonders aktiv. Dann steigt die relative Luftfeucht­igkeit, was die Plagegeist­er besonders mögen. Wer sich in dieser Zeit trotzdem draußen aufhalten möchte, muss wohl zu langer Kleidung oder Abwehrmitt­eln greifen.

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