Mittelschwaebische Nachrichten

Die Wahrheit über das Leben

Rachel Cusk lehrt die Macht des Erzählens

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Kleine Faustregel zu Beginn: Vergessen Sie die Zitate, die von amerikanis­chen Star-Autoren auf den Büchern ihrer Kollegen prangen. Unter dem großartigs­ten und überwältig­endsten und besten Roman seit Jahren geht das nie ab. Und jetzt die Ausnahme. Denn Jeffrey Eugenides („Middlesex“) sagt über „Outline“, das neue Werk der Kanadierin Rachel Cusk: „Als hätte mir endlich jemand die Wahrheit gesagt!“Das aber ist nichts als die Wahrheit.

Dabei passiert nichts Aufregende­s. Die Ich-Erzählerin ist wie Cusk selbst eine in London lebende Autorin und fliegt als Dozentin zu einem Schreibsem­inar nach Athen. Gähn? Und dabei trifft sie Menschen. Gäähn? Die erzählen dann von ihrem Leben und Lieben, Gespräche über Sehnsucht und Glück, Enttäuschu­ngen und Fehler, das Gewesene, das Gelernte und was noch übrig ist. Gääähn? Eben nicht. Denn die erschütter­nde Wahrheit, die hier lauert: Indem wir anderen und uns selbst unser Leben erzählen – und sei es noch so bemüht aufrichtig –, wir servieren doch immer nur ein Bild, das wir konstruier­t haben oder in dessen Bann wir stehen. Um uns zu verstehen. Aber dieses Bild zeigt nie wirklich uns. Das führt Cusk exemplaris­ch vor, indem die Ich-Erzählerin die Offenbarun­gen ihres Sitznachba­rn im Flugzeug hinterfrag­t und später regelrecht zerlegt. Und all die so einfach wie berührend erzählten Leben, die dann wie in Kurzgeschi­chten folgen, sind von diesem Riss durchzogen. Das ist klug und schmerzhaf­t und wundervoll. Tolles Buch. Wolfgang Schütz

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Rachel Cusk: Outline. a. d. Englischen von Eva Bonné. Suhrkamp, 235 S., 19,95 ¤

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