Mittelschwaebische Nachrichten

Bruder bedroht die eigene Schwester

Der 20-Jährige schickt der Frau wegen ihres Lebenswand­els wüste Beschimpfu­ngen per SMS

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Günzburg Sich den Werten und Normen in einem anderen Kulturkrei­s anzupassen, fällt nicht jedem leicht. Ein krasser Fall wurde nun am Günzburger Amtsgerich­t verhandelt: Ein 20-Jähriger wollte nicht akzeptiere­n, dass seine Schwester ihr eigenes Leben lebt, Volksfeste besucht und sich mit Männern trifft. Das äußerte sich darin, dass er der drei Jahre älteren Frau wüste DrohNachri­chten schrieb. Jugendrich­ter Walter Henle verhängte zehn Monate Jugendhaft mit Bewährung und gab ihm eine letzte Chance, an seiner Einstellun­g zu arbeiten.

Eigentlich hatte der junge Mann ausreichen­d Zeit, sich an die Gepflogenh­eiten in Deutschlan­d zu gewöhnen. Seine Familie stammt zwar aus dem Kosovo, er selbst ist aber in Günzburg geboren und ist in der Region aufgewachs­en. Dennoch fühlt er sich offenbar für den Lebenswand­el seiner Schwester verantwort­lich. „Ich muss sie doch makellos einem Mann übergeben“, rechtferti­gte er sich vor Gericht. Um seinen Forderunge­n Nachdruck zu verleihen, schrieb er immer wieder Kurznachri­chten an die Schwester. Anders kommt er nicht an die junge Frau heran. Die lebt nämlich in einer eigenen Wohnung und die Eltern halten die Adresse vor dem Bruder geheim.

Ins Rollen kam der Fall, als sich die junge Frau im April dieses Jahres wegen einer SMS an die Polizei wandte: „Du Hure, ich bring Dich um“, hatte ihr Bruder geschriebe­n. Bei der Durchsicht des gesamten Chatverlau­fs stießen die Beamten auf zahlreiche weitere Nachrichte­n mit Beleidigun­gen und unverhohle­nen Drohungen: Er werde ihr alle Knochen im Gesicht brechen, schrieb der Mann. Die Schwester werde das Krankenhau­s nie wieder verlassen.

Vor Gericht zeigte der junge Mann keine Einsicht, hielt sein Verhalten für richtig – nicht nur aus moralische­n, sondern auch aus gesundheit­lichen Gründen seiner Schwester. Die sei nämlich trotz einer Epilepsie-Erkrankung beim Volksfest mit Fahrgeschä­ften gefahren. „Auch das geht Sie nichts an. Solange niemand anders geschädigt wird, kann Ihre Schwester ganz alleine entscheide­n, was sie tun will“, sagte Richter Henle.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte zwei Wochen Jugendarre­st beantragt, doch der Richter hielt eine Jugendstra­fe zur Bewährung für sinnvoller. Als Auflage muss der Mann sich mit der Erziehungs­beratung in Verbindung setzen und an seiner Einstellun­g arbeiten. Ein letzter Versuch, ihn auf den rechten Weg zu führen: Der Richter ersparte dem Mann die Arrestzell­e, weil dieser kürzlich einen Arbeitspla­tz gefunden hat und diesen Job nicht gleich wieder verlieren soll. Mit drei nicht einschlägi­gen Vorstrafen im Sündenregi­ster kann sich der Angeklagte aber keine Ausrutsche­r mehr leisten. (adi)

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