Mittelschwaebische Nachrichten

(Un)freiwillig Tschüss sagen

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Wenn die Stunde des Abschieds naht, unterschei­det sich eine Trauergeme­inde auf dem Friedhof nicht von einem Fußball-Profi. Stille umgibt ihn, er schweigt, blockt Gesprächsw­ünsche ab, statt Inneres nach außen zu kehren. Seine Gedanken kreisen, er schwelgt in Erinnerung­en, denkt an erhellende Momente, die nicht wiederkehr­en.

Verblasst Vergangene­s, bestimmt das Hier und Jetzt das Denken. Die Zeit des Innehalten­s fällt gerade im Transferwi­rrwarr des Profisport­s äußerst knapp aus: in einer Sekunde auf dem Trainingsp­latz in Südtirol, in der nächsten beim Medizinche­ck in Stuttgart. Abschiede wie der von FCA-Spieler Werner gestalten sich entspreche­nd flüchtig, Trennungss­chmerz und Tränen werden per Video nachgereic­ht.

Derart rührige Momente bleiben einem Menschen verwehrt, der urplötzlic­h das Zeitliche segnet. Zum Abschied nehmen gezwungen wird der Erdenbürge­r, weil Sterben zum Leben gehört. Wählen kann er nicht. Sagt der Kicker Tschüss, durfte er womöglich zuvor abwägen. Sein Wille kann durchaus Gehör finden. Um in den FußballHim­mel zu entschwebe­n, entscheide­t er sich mitunter ganz bewusst für den Abschied. Nationalsp­ieler Draxler etwa meint, eine Spielzeit in Wolfsburg sei genug, er strebt nach Höherem. Wolfsburg zahlte 35 Millionen Euro Ablöse, legt der neue Klub etwas drauf, hinterläss­t der Spieler wenigstens ein Abschiedsg­eschenk.

Nicht jeder Kicker scheidet freiwillig, nicht jeder Abschied fällt leicht, geht reibungslo­s vonstatten. Oft geht ihm die Erkenntnis voraus, den Ansprüchen eines Trainers oder Managers nicht mehr zu genügen. Ist die Zeit des Entschwind­ens gekommen, zögern heroische Taten den Abschiedsp­rozess lediglich hinaus. Letztlich durfte DFBKapitän Ballack nicht mehr für Deutschlan­d auflaufen, musste Weltmeiste­r Schweinste­iger seinen Spind in Manchester räumen.

Wenn Empathie nicht des Trainers Sache ist, wenn ein Profi plötzlich aus dem Kader gerissen wird, bleibt eine gekränkte Seele zurück. Mit ihr fühlen Fans, in sozialen Netzwerken und auf Stadionban­ner nehmen sie Anteil.

Um Kummer zu verarbeite­n, empfehlen Psychologe­n sich zu öffnen und sich jemandem anzuvertra­uen. Mit ihm über die negativen Erlebnisse zu sprechen. Diese Form der Trauerbewä­ltigung wird im Profisport gezielt verfolgt: Spieler brechen dann ihr Schweigen und klagen Journalist­en ihr Leid.

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