Mittelschwaebische Nachrichten
Boko Haram will noch mehr Christen töten
Der Wechsel an der Spitze der islamistischen Terrorsekte gibt Rätsel auf. Steckt der IS dahinter?
Kapstadt Wohl nichts illustriert die jüngsten Verluste von Boko Haram in Nigeria so deutlich wie der gerade vollzogene Machtwechsel an der Spitze der islamistischen Sekte. Im Jahr 2014 galt Boko Haram noch als tödlichste Terrormiliz der Welt. Rund 6000 Menschen starben und die Entführung von mehr als 200 Schulmädchen machte weltweit Schlagzeilen. Der langjährige Anführer Abubakar Shekau kontrollierte damals ein Gebiet von der Fläche Belgiens. Er inszenierte sich martialisch mit Waffenarsenalen in aufwendig produzierten Videos.
Seine Entmachtung wurde nun fast lautlos vollzogen. In einem Magazin der Terrorgruppe Islamischer Staat wird Abu Musab al-Barnawi als der neue „Wali“(Gouverneur) der westafrikanischen IS-Provinz vorgestellt, als die sich Boko Haram mittlerweile bezeichnet. Al-Barnawi war schon früher in Videos als Sprecher der Organisation in Erscheinung getreten. Viel ist über ihn allerdings nicht bekannt. Angeblich war er einmal Journalist. Der nigerianische Autor Ahmed Halkida verbreitet dagegen das Gerücht, es handele sich um einen Sohn des 2009 in Untersuchungshaft getöteten Boko-Haram-Gründers Muhammad Yusuf.
Kein Wort verliert das IS-Magazin über Shekau, der damals die Nachfolge von Yusuf angetreten hatte und seitdem 20 000 Morde zu verantworten hat. Wenige Stunden nach der Bekanntgabe tauchte allerdings eine Tonbandaufnahme auf, in der Shekau offenbar seine Entmachtung eingesteht. „Ich bin betrogen worden“, sagt er dort angeblich, „aber die Leute sollen wissen, dass wir nicht aufgeben.“Er halte an seiner Auslegung des Islams fest.
Analysten ordnen die Stimme Shekau zu, endgültig lässt sich das nicht verifizieren. Zweimal hat ihn die Regierung schon für tot erklärt, im Juni sagte aber ein Armee-Sprecher, er gehe davon aus, dass Shekau noch lebe.
In den Augen Shekaus verdient jeder Muslim, der seinem Aufruf zur Auslöschung von Ungläubigen und westlichen Institutionen nicht folgt, den Tod. So waren neben Lehrern gemäßigte Imame die meistbetroffene zivile Berufsgrup- pe, Hunderte wurden getötet. Immer wieder gab es auch Selbstmordanschläge auf belebten Marktplätzen, oft von Kindern verübt. Die Opfer waren meist Muslime. Die Brutalität von Shekau, der auch eigene Kämpfer willkürlich hinrichtete, ging selbst vielen seiner Gotteskrieger zu weit.
Immer entschiedener hatte zuletzt auch die Bevölkerung im Nordosten des Landes in Form von Bürgerwehren die Bemühungen der Armee im Kampf gegen Boko Haram unterstützt. Und das, obwohl die lange von der Regierung vernachlässigte Region staatlichen Institutionen traditionell skeptisch gegenübersteht. Die IS-Führung lastet Shekau die Verluste in Nigeria an, seine Kämpfer wurden in entlegene Dörfer und den Sambisa-Wald zu- rückgedrängt. Der Armee gelangen große Erfolge gegen Boko Haram. Versorgungswege wurden mit Luftangriffen zerstört. Die Organisation gilt als tief gespalten.
Mit der Ernennung von al-Barnawi setzt sich nun offenbar die Gruppierung durch, die weniger muslimische Opfer in der Zivilbevölkerung fordert. Im Interview mit dem IS-Magazin kündigt der Terrorist zwar an, Städte zu zerstören, die sich Boko Haram widersetzen. Weit ausführlicher aber spricht er über christliche Anschlagsziele. „Wir werden jede Kirche, die wir erreichen können, in die Luft sprengen und alle christlichen Bewohner töten“, sagte er.
Die nigerianische Armee stellt den Machtwechsel als reinen Ablenkungsversuch eines sterbenden Feindes dar. „Das interessiert uns nicht, weil die Gruppe beinahe tot ist“, sagte ein Armee-Sprecher. „Ob mit oder ohne neuen Anführer – wir werden Boko Haram auslöschen.“
Der Anführer verlor die Unterstützung des IS