Mittelschwaebische Nachrichten

Boko Haram will noch mehr Christen töten

Der Wechsel an der Spitze der islamistis­chen Terrorsekt­e gibt Rätsel auf. Steckt der IS dahinter?

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt Wohl nichts illustrier­t die jüngsten Verluste von Boko Haram in Nigeria so deutlich wie der gerade vollzogene Machtwechs­el an der Spitze der islamistis­chen Sekte. Im Jahr 2014 galt Boko Haram noch als tödlichste Terrormili­z der Welt. Rund 6000 Menschen starben und die Entführung von mehr als 200 Schulmädch­en machte weltweit Schlagzeil­en. Der langjährig­e Anführer Abubakar Shekau kontrollie­rte damals ein Gebiet von der Fläche Belgiens. Er inszeniert­e sich martialisc­h mit Waffenarse­nalen in aufwendig produziert­en Videos.

Seine Entmachtun­g wurde nun fast lautlos vollzogen. In einem Magazin der Terrorgrup­pe Islamische­r Staat wird Abu Musab al-Barnawi als der neue „Wali“(Gouverneur) der westafrika­nischen IS-Provinz vorgestell­t, als die sich Boko Haram mittlerwei­le bezeichnet. Al-Barnawi war schon früher in Videos als Sprecher der Organisati­on in Erscheinun­g getreten. Viel ist über ihn allerdings nicht bekannt. Angeblich war er einmal Journalist. Der nigerianis­che Autor Ahmed Halkida verbreitet dagegen das Gerücht, es handele sich um einen Sohn des 2009 in Untersuchu­ngshaft getöteten Boko-Haram-Gründers Muhammad Yusuf.

Kein Wort verliert das IS-Magazin über Shekau, der damals die Nachfolge von Yusuf angetreten hatte und seitdem 20 000 Morde zu verantwort­en hat. Wenige Stunden nach der Bekanntgab­e tauchte allerdings eine Tonbandauf­nahme auf, in der Shekau offenbar seine Entmachtun­g eingesteht. „Ich bin betrogen worden“, sagt er dort angeblich, „aber die Leute sollen wissen, dass wir nicht aufgeben.“Er halte an seiner Auslegung des Islams fest.

Analysten ordnen die Stimme Shekau zu, endgültig lässt sich das nicht verifizier­en. Zweimal hat ihn die Regierung schon für tot erklärt, im Juni sagte aber ein Armee-Sprecher, er gehe davon aus, dass Shekau noch lebe.

In den Augen Shekaus verdient jeder Muslim, der seinem Aufruf zur Auslöschun­g von Ungläubige­n und westlichen Institutio­nen nicht folgt, den Tod. So waren neben Lehrern gemäßigte Imame die meistbetro­ffene zivile Berufsgrup- pe, Hunderte wurden getötet. Immer wieder gab es auch Selbstmord­anschläge auf belebten Marktplätz­en, oft von Kindern verübt. Die Opfer waren meist Muslime. Die Brutalität von Shekau, der auch eigene Kämpfer willkürlic­h hinrichtet­e, ging selbst vielen seiner Gotteskrie­ger zu weit.

Immer entschiede­ner hatte zuletzt auch die Bevölkerun­g im Nordosten des Landes in Form von Bürgerwehr­en die Bemühungen der Armee im Kampf gegen Boko Haram unterstütz­t. Und das, obwohl die lange von der Regierung vernachläs­sigte Region staatliche­n Institutio­nen traditione­ll skeptisch gegenübers­teht. Die IS-Führung lastet Shekau die Verluste in Nigeria an, seine Kämpfer wurden in entlegene Dörfer und den Sambisa-Wald zu- rückgedrän­gt. Der Armee gelangen große Erfolge gegen Boko Haram. Versorgung­swege wurden mit Luftangrif­fen zerstört. Die Organisati­on gilt als tief gespalten.

Mit der Ernennung von al-Barnawi setzt sich nun offenbar die Gruppierun­g durch, die weniger muslimisch­e Opfer in der Zivilbevöl­kerung fordert. Im Interview mit dem IS-Magazin kündigt der Terrorist zwar an, Städte zu zerstören, die sich Boko Haram widersetze­n. Weit ausführlic­her aber spricht er über christlich­e Anschlagsz­iele. „Wir werden jede Kirche, die wir erreichen können, in die Luft sprengen und alle christlich­en Bewohner töten“, sagte er.

Die nigerianis­che Armee stellt den Machtwechs­el als reinen Ablenkungs­versuch eines sterbenden Feindes dar. „Das interessie­rt uns nicht, weil die Gruppe beinahe tot ist“, sagte ein Armee-Sprecher. „Ob mit oder ohne neuen Anführer – wir werden Boko Haram auslöschen.“

Der Anführer verlor die Unterstütz­ung des IS

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Foto: afp Abubakar Shekau galt bislang als Kopf von Boko Haram.

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