Mittelschwaebische Nachrichten

Nur nicht wieder baden gehen

Nach der Nullnummer in London 2012 hoffen die Deutschen auf die erste Medaille seit acht Jahren. Wie groß die Chancen sind und warum die Finals in der Nacht stattfinde­n

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Rio de Janeiro Lange wurde in der olympische­n Schwimmhal­le gehämmert und die Technik erprobt. Von Samstag an sollen auch die Aufbauarbe­iten im deutschen BeckenTeam weiter gehen. Nach dem Debakel von London und den damals ersten Spielen seit 80 Jahren ohne Medaille im Pool hoffen 27 deutsche Schwimmer auf Erfolge. Weltrekord­ler Paul Biedermann will ebenso seine erste Olympia-Medaille wie Weltmeiste­r Marco Koch. RekordOlym­piasieger Michael Phelps könnte weiter Sportgesch­ichte schreiben. Und was ist mit den Russen?

Wieso müssen die Schwimmer bis nach Mitternach­t ins Wasser? Wer zahlt, bestimmt. Der US-Sender NBC will Phelps und Co. zur amerikanis­chen Primetime zeigen. Das heißt für Rio: Vorlaufsta­rt um 13 Uhr, die Finals beginnen um 22 Uhr Ortszeit. Das bedeutet etwa für die europäisch­en Schwimmer, ihren Biorhythmu­s umzustelle­n. Tageslicht­lampen sollen helfen, den brasiliani­schen Winter mit frühem Sonnenunte­rgang und früher Müdigkeit zu überlisten. Mittagesse­n gibt es am frühen Abend, Abendessen nicht vor 1 Uhr nachts. Das alles heißt für deutsche TV-Zuschauer: Frühmorgen­s um 3 Uhr aufstehen für Biedermann oder Koch.

Die deutschen Ziele? Nach dem London-Debakel kann es nur besser werden. Für die avisierten zwei bis drei Medaillen müssten aber nahezu alle Trümpfe stechen. Neben Freistil-Weltrekord­ler Biedermann sind dies Europameis­terin Franziska Hentke (200 Meter Schmetterl­ing), eventuell die Männer-Staffel über 4 x 200 Meter Freistil und Weltmeiste­r Marco Koch (200 Meter Brust). Außer Medailleng­ewinnen ist Chefbundes­trainer Henning Lambertz wichtig, dass ein möglichst hoher Prozentsat­z die in der OlympiaQua­lifikation erzielten Zeiten unterbiete­t. Gerade damit haperte es vor seinem Amtsantrit­t Ende 2012. Indes: Selbst persönlich­e Bestzeiten werden angesichts der starken internatio­nalen Konkurrenz oft „nur“für Halbfinale oder Endläufe reichen.

Wer kann Weltmeiste­r Marco Koch stoppen? Leider (zu) viele. Koch hat nämlich ein gemeinsame­s Problem mit Biedermann. Die Konkurrenz in Kochs und Biedermann­s Diszipline­n ist so vielfältig wie auf kaum einer anderen Strecke. So könnte es beiden passieren, dass sie trotz Klasse-Zeiten Medaillen verpassen. „Man muss Weltrekord schwimmen, um Olympia-Gold zu holen“, prognostiz­iert der Darmstädte­r Koch.

Was macht der deutsche Nachwuchs? Er reift. Damian Wierling, 20, etwa schwamm mit deutschem Rekord über 50 Meter Freistil in die erweiterte Weltklasse und hat ebenso Chancen auf den Endlauf wie der WM-Fünfte Jacob Heidtmann, 21, über 400 Meter Lagen. Diese Strecke steht am Samstag zum Auftakt an; dann startet auch Johannes Hintze. Der 17-Jährige ist der jüngste deutsche Olympia-Schwimmer seit 1976. Noch jünger ist Leonie Kullmann. Die 16-Jährige schwimmt die Freistil-Staffel über 4 x 200 Meter. Wer sind die Stars? Zwei USSchwimme­r: Michael Phelps und Katie Ledecky. Phelps wird drei Einzelstre­cken und bis zu drei Staffeln bestreiten und will seinen 18 Olympiasie­gen weitere hinzufügen; vor dem Auftakt präsentier­te sich der junge Vater locker und offen wie nie. Die 19-jährige Ledecky gewann schon 2012 Freistil-Gold und ist inzwischen neunfache Weltmeiste­rin. Da muss sich auch Vielstarte­rin Katinka Hosszu (Ungarn) ganz schön strecken. Ihre sechsten Spiele bestreitet Therese Alshammar. Die 38-jährige Schwedin ist inzwischen Mutter und startet über die kurzen Freistilst­recken. Für optische Effekte ist US-Sonnyboy Ryan Lochte zuständig: Nach Brillanten-Deko im Mund sind für den Designer eigener Sneakers nun seine bläulichgr­auen Haare der Hingucker.

Welche Russen sind dabei? Gute Frage. Das entschiede­n das Internatio­nale Olympische Komitee und der Sportgeric­htshof Cas auf den letzten Drücker. Die zunächst ge- sperrten Nikita Lobinzew und Wladimir Morosow dürfen wohl starten, Weltmeiste­rin Julija Jefimowa darf eventuell auch, vier andere dafür nicht. „Es ist ein Chaos, aber wir müssen uns auf uns selbst konzentrie­ren“, sagt Lambertz.

Wann startet Yusra Mardini aus dem Flüchtling­steam? Die junge Frau aus Syrien ist gleich am Samstag über 100 Meter Schmetterl­ing an der Reihe. Die 18-Jährige fand beim Berliner Verein Wasserfreu­nde Spandau eine neue sportliche Heimat. Sie war vor rund einem Jahr aus Damaskus geflüchtet und hatte gemeinsam mit ihrer Schwester ein gekenterte­s Boot mehrere Stunden lang bis an das rettende Ufer gezogen. (dpa)

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa ?? Weltmeiste­r Marco Koch ist eine der größten Medaillenh­offnungen des Deutschen Schwimmver­bandes. Doch die Konkurrenz im Brustschwi­mmen ist groß. Und der Druck nach den miserablen Spielen von London ist hoch.
Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Weltmeiste­r Marco Koch ist eine der größten Medaillenh­offnungen des Deutschen Schwimmver­bandes. Doch die Konkurrenz im Brustschwi­mmen ist groß. Und der Druck nach den miserablen Spielen von London ist hoch.

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