Mittelschwaebische Nachrichten
Für La Famiglia
Von wegen eng! In den Ferrari GTC4Lusso passen auch Mamma und die Bambini. Vorausgesetzt, Papa ist schwerreich
La Famiglia, das ist bekannt, ist dem Italiener heilig. Doch das automobile Aushängeschild des Landes, Ferrari, baut vornehmlich unpraktische Sportwagen, in denen man gerade mal la Mamma mitnehmen kann.
Das konnte die Fiat-Tochter nicht hinnehmen und brachte 2011 mit dem FF einen veritablen Viersitzer auf den Markt, der sogar noch einen ordentlichen Kofferraum hat. In dessen Fußstapfen tritt ab Herbst der GTC4Lusso. Der neue Name soll das Konzept deutlicher machen: GTC steht für Gran Turismo Coupé und bezeichnet die Karosserieform, die zwischen Limousine, ShootingBrake und Coupé einzuordnen ist; die 4 steht für vier Sitzplätze, vier angetriebene und neuerdings sogar vier gelenkte Räder. Und Lusso ist italienisch und heißt Luxus. Der offenbart sich vor allem in einer Rechnung über mindestens 262 000 Euro.
Dafür bekommt man aber bella macchina vom Feinsten: Das neue Blechkleid schmiegt sich dem durchtrainierten Körper an wie ein Mailänder Maßanzug. Mit den mar-
kentypischen Doppelrundleuchten, ein paar Lufteinlässen und einem kleinen Heckspoiler haben die Designer feine Akzente gesetzt. Der Innenraum glänzt mit einer Verarbeitungsqualität, die wir gerne im ganzen Fiat-Konzern sehen würden, und tatsächlich: Dieser Ferrari hat jede Menge Platz. Selbst mit mehr als 1,90 Meter Körpergröße gelingen Ein- und Ausstieg in die erste Reihe ohne Verrenkung. Hinten, muss man fairerweise sagen, reist es sich auch im GTC4Lusso mit kompakter italienischer Statur angenehmer als mit schwedischem Gardemaß – aber deutlich komfortabler als in anderen Modellen.
Der beste Platz ist natürlich vorne links, wo man wortwörtlich die Kontrolle über alles in der Hand hat. Ferrari packt immer mehr Schalter auf das griffige Volant. Neben dem Motorstartknopf, den Tasten für den Blinker und dem Fahrmodusschalter finden sich dort auch die Dämpferverstellung, Lichtschalter und Scheibenwischerbedienung. Aber auch der Beifahrer ist beschäftigt: Reicht ihm das große Infotainmentsystem in der Mittelkonsole nicht aus, kann er auf einem separaten Bildschirm vor sich verschiedene Fahrdaten abrufen und auf die Navigation und das Unterhaltungsprogramm Einfluss nehmen.
Vorausgesetzt, er kann sich darauf konzentrieren. Das geht gut, solange der Fahrer den 6,3-Liter- Zwölfzylinder nicht aus der Reserve lockt. Nach einem kurzen Aufschrei zum Start grummeln die 690 PS nur sonor vor sich hin; das hatten sich die Kunden extra erbeten, um nicht immer die Nachbarschaft aufzuschrecken. Die maximale Kraft von 697 Newtonmetern liegt erst bei 5750 Umdrehungen an, doch ein Großteil davon steht schon knapp über Leerlaufdrehzahl bereit und ermöglicht entspanntes Fahren, wie man es von einer Limousine erwar- tet – ohne dass die Nadel des Drehzahlmessers jemals die 4000er-Marke überschreitet.
Darüber aber beginnt der Bereich, in dem der GTC4Lusso zeigt, dass er ein echter Ferrari ist. Zwar will das Aggregat erst einmal in diese Höhen gebracht werden, denn selbst im Sportmodus dreht das im Heck montierte Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe die Gänge nicht auf Anhieb voll aus. Doch nach einem beherzten Tritt aufs Gas geht der fast zwei Tonnen schwere Ferrari ab wie Schmidts Katze: Derer gleich krallen sich die Räder dank des Allradantriebs in den Asphalt, der jetzt heißer knurrende Zwölfender sichert schier unendlichen Vortrieb und katapultiert den GTC in unter dreieinhalb Sekunden auf Tempo 100.
Lässt man dem Lusso freien Lauf, marschiert er bis auf 335 km/h Schluss. Und während die Ragazzi im Fond Avanti rufen, schickt die Mamma ein Stoßgebet gen Himmel. Doch noch ehe das oben ankommt, haben die fast 40 Zentimeter großen Bremsscheiben dem Vorwärtsdrang schon Einhalt geboten.