Mittelschwaebische Nachrichten
„Fast zu viel fürs Geld“
Die Berichte des Autors von seinen Aufenthalten in Bayern sind köstlich zu lesen. Vor allem die Bemerkungen zu Bayreuth
München „Bayern scheint ein klug regiertes Land zu sein. Man könnte vielleicht sogar noch eindeutiger sein und feststellen: Bayern ist ein klug regiertes Land.“Nicht einem CSU-Wahlwerbespot sind diese Worte entnommen, sondern Mark Twain (1835–1910) hat sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts niedergeschrieben. Der Autor von Bestsellern wie „Tom Sawyer“bereiste Bayern, als dieses mit Ludwig II. noch einen König und danach mit Luitpold einen Prinzregenten hatte.
Seine Erzählungen, Reiseberichte und Briefe hat Michael Klein für sein im Allitera Verlag neu herausgekommenes Buch „Mark Twain in Bayern“zusammengetragen. Ersichtlich wird, wie pudelwohl sich der für seine oft ironischen Geschichten bekannte US-Schriftsteller bei seinen Aufenthalten gefühlt haben muss, denn es gelang ihm sogar, eine zunächst vorhandene Schreibblockade zu überwinden. Dreimal weilte Twain mit Familie zwischen 1878 und 1893 in Bayern. München, Nürnberg, Bayreuth gehörten zu seinen Stationen.
Erstmals verbrachte Samuel Langhorne Clemens, wie sein eigentlicher Name lautete, mit Frau und Kindern die Zeit vom November 1878 bis Februar 1879 in München, wo sie auf Empfehlung von amerikanischen Freunden in einer Pension abstiegen. Was Twain faszinierte, war die Gründlichkeit in Bayern. So musste er als Fremder genauso wie die Einheimischen ein Formular zu seiner Person ausfüllen, wo er sich als „Philologe und Künstler“eintrug.
Begeistert zeigte sich der Autor auch von den offenen Türen der Kunstgalerien sowie der königlichen Bibliothek, „die annähernd eine Million Bände enthält“. Sich dort Bücher auszuleihen, sei eine Großzügigkeit, „die es wahrlich wert ist, königlich genannt zu werden“. Zu kämpfen hatte der Amerikaner allerdings mit der hiesigen Bettenkultur. „Die teuflischste aller idiotischen Erfindung ist das Plumeau in Österreich, Bayern und Deutschland. Man röstet, wenn man darunter liegt, man erfriert, wenn man es von sich strampelt.“Twain fiel auch auf, dass etwa Konzerte stets pünktlich begannen. Besucher, die später kamen, mussten warten. Auch in Sachen Schauspiel galt Disziplin, sodass der Autor notierte: „Die Manieren der Münchner im Theater sind so gut, wie sie in der Kirche schlecht sind.“
In epischer Breite berichtete Twain von seinem Besuch bei den Bayreuther Festspielen im August 1891. Die „Jünger“von Richard Wagner kämen auf ihrer Pilgerschaft aus den entferntesten Flecken der Erde zusammen, „um ihren Propheten in seiner eigenen Kaaba und in seinem heimischen Mekka zu ehren“. Auf dem Spielplan stand „Parsifal“. „Der erste Akt (von dreien) währte zwei Stunden, und ich genoss ihn trotz der Singerei.“
Der Autor nahm Gesänge der Protagonisten wahr, die stets eine lange, „und zwar eine lange Zeit lang“dauerten. Aufführung und Pause hätten mehr als sieben Stunden beansprucht. „Sieben Stunden für fünf Dollar pro Eintrittskarte ist fast zu viel für das Geld.“Bei „Tristan und Isolde“fiel ihm erneut auf, wie gesittet das Publikum dem Ereignis lauschte: „Keine einzige Regung der gesamten, dichten Masse an Köpfen und Schultern ist wahrzunehmen. Man scheint mit Toten in der Finsternis eines Grabmals zu sitzen.“Manchmal habe er sich bei dieser Andacht wie ein „Ketzer im Himmel“gefühlt, notierte Twain. Der Besuch auf dem Grünen Hügel sei eine der außergewöhnlichsten Erfahrungen seines ganzen Lebens gewesen: „Ich habe niemals etwas so Großes und Erlesenes und Wahrhaftiges wie diese Hingabe gesehen.“
Barbara Just, kna
Michael Klein (Hg.): Mark Twain in Bayern. Allitera Verlag, 228 Seiten, 16,90 ¤