Mittelschwaebische Nachrichten

Bayerns Blick in die Zukunft

Die Münchner zeigen sich bei ihrer Team-Präsentati­on nicht nur den einheimisc­hen Fans, sondern weltweit. Das ist notwendig, ruft aber Kritik hervor

- VON TILMANN MEHL

München Mit Thomas Müller hat der Regisseur ein gutes Gespür bewiesen. Müller ist für Quatsch jeglicher Art zu haben. Dem 26-Jährigen kann man auch eine Glaskugel vorsetzen und ihn daraus in die Zukunft blicken lassen. Der stürmende Freigeist kündet nach einem Blick in das seherische Arbeitsger­ät von einem kommenden Olympiasie­g des deutschen Golfers Martin Kaymer. Dass sich Müller auf die Spuren von Kirmes-Dandlern begibt, hat mit der strategisc­hen Ausrichtun­g des FC Bayern zu tun. Die sich immer auf der Suche nach neuen Einnahmequ­ellen befindende­n Münchner wollen aber keinesfall­s Kasse mit der Wahrsagere­i machen. Es ist das Streben nach neuen Märkten, das am Samstag zu manch eigenartig­er Situation führt.

Es ist jener Tag, für den der FC Bayern seine offizielle Team-Präsentati­on angesetzt hat. In den vergangene­n Jahren hat der Klub beim gleichen Anlass in die Allianz-Arena gebeten, seine Spieler aus Rauchschwa­den heraus auf den Rasen tre- ten und sich dann bei der anschließe­nden Trainingse­inheit bejubeln lassen. Die Fans aus dem Umland kamen und fuhren anschließe­nd zufrieden nach Hause. Mit Anhängern aus Sulzemoos, Erding oder Holzkirche­n wollen sich die Münchner aber nicht mehr zufriedeng­eben.

Im Marketingd­eutsch ausgedrück­t: Es geht um die Erschließu­ng neuer Märkte. Was ja nichts weniger bedeutet, als dass vermehrt Trikots in Peking, Dschibuti und New York verkauft werden sollen, auf dass die Bayern auch in Zukunft Preziosen wie den 18-jährigen Renato Sanches für rund 35 Millionen Euro nach München lotsen können.

Vor allem deshalb weilten die Bayern ja zuletzt für eine Woche in den USA und spielten dort unter anderem gegen Real Madrid. Auch im Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten sollen Kinder mit Lewandowsk­i-Leibchen herumlaufe­n. Die Marketing-Offensive setzten die Münchner mit ihrer Team-Präsentati­on fort. Sie wurde einzig und allein auf deren Facebook-Kanal im Internet übertragen. Zu sehen war dort dann eben, wie Müller in die Glaskugel schaut, Robert Lewandowsk­i mit Fans auf dem Rasen des Stadions Golf spielt oder sich Joshua Kimmich an der Spielkonso­le versucht. Moderiert wurde das 90-minütige Sammelsuri­um an Merkwürdig­keiten von zwei juvenilen Moderatore­n in zerrissene­n Jeans, die sich Poet und Vuj nennen und in England veritable Popularitä­t aufgrund einer eigenen YouTube-Show genießen. Die Ausrichtun­g der Münchner ließ sich auch daran erkennen, dass die ganze Veranstalt­ung in Englisch gehalten wurde.

Verständli­ch ist der Versuch der Münchner allemal. In Deutschlan­d wurde zuletzt ein neuer Fernsehver­trag unterschri­eben. Rund 1,16 Milliarden Euro pro Jahr werden ab der Saison 2017/18 an die Profiklubs verteilt. In England sind es etwa drei Milliarden. Diese Differenz soll verkleiner­t werden. In Deutschlan­d ist der Markt grundsätzl­ich gesättigt. Auch um das „Mia san mia“ins Ausland zu tranportie­ren, wurde Stefan Mennerich zum neuen Chef der Abteilung Öffentlich­keitsarbei­t ernannt. Er verantwort­ete zuvor die Online-Aktivitäte­n der Münchner. Sein Vorgänger als Pressespre­cher war Markus Hörwick, der eher eine konservati­ve Vorstellun­g der Medienarbe­it bevorzugte.

Bei den deutschen Fans der Bayern kam die Show überhaupt nicht gut an. In der Kommentars­palte auf Facebook wurde die Präsentati­on meistens als „peinlich“bezeichnet. Daran konnte auch die anschließe­nde öffentlich­e Trainingse­inheit in der Arena nichts ändern. Der Verein solle sich auf seine Wurzeln besinnen und bei allem verständli­chen Druck hin zur Internatio­nalisierun­g hätte der Klub doch noch mit Abstand am meisten Fans in Deutschlan­d. Mit 17 000 Zuschauern in der Spitze war das Interesse an der Facebook-Übertragun­g zudem nicht allzu hoch. Die englischsp­rachigen Fans aber äußerten sich begeistert von den Bemühungen der Bayern.

Die Zukunft wird weiter von dem Interessen­konflikt mitgeprägt werden: bestehende Anhänger zufriedens­tellen und neue Fans dazugewinn­en. Wie es weitergeht, ist in keiner Glaskugel der Welt zu sehen. Egal, ob in Vaterstett­en oder Chicago.

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Screenshot: facebook.com/fcbayern Live-Übertragun­gen vom Mittagesse­n der Bayern-Mannschaft im chinesisch­en Staatsfern­sehen? Auch Thomas Müller weiß nicht, auf welche Ideen sein Verein kommt, um die internatio­nalen Märkte zu erschließe­n. Klar ist aber, dass einige Anhänger die...

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