Mittelschwaebische Nachrichten

Wenig Einsicht

Die Abgeordnet­e, die ihren Lebenslauf fälschte, klagt an. Ende August will sie abtreten

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Düsseldorf Man hätte wohl am ehesten mit einer zutiefst geknickten Frau gerechnet. Mit einer, die sich nach wochenlang­em Schweigen nun kleinlaut um Rechtferti­gung bemüht, die Reue zeigt oder um Verständni­s bittet. Doch die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Petra Hinz wählt vor allem den Weg der Konfrontat­ion und Kritik. Sie richtet sich gegen ihre Partei-„Freunde“in Nordrhein-Westfalen, Justizmini­ster Thomas Kutschaty und Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft.

Drei Wochen nach Auffliegen ihrer Lebenslauf-Lüge und nach massivem Druck, sie solle endlich ihr Mandat aufgeben, geht die 54-Jährige nun recht forsch in die Offensive. Ausführlic­h gibt Hinz der Westdeutsc­hen Zeitung Auskunft. In einer Klinik, in der ihr eine Therapie helfen soll, „zurück zu Würde und Selbstwert“zu gelangen. Im Interview klagt die Politikeri­n an, teilt aus. Angesichts des Skandals, den sie als Hochstaple­rin ausgelöst hat, „nicht sonderlich klug“, meint der Kommunikat­ionswissen­schaftler Christoph Bieber. „Nach allem, was wir aus der politische­n Skandalfor­schung wissen, wäre eine ausführlic­he öffentlich­e Entschuldi­gung die bessere Variante gewesen.“

Hinz kündigt an, sie werde das Bundestags­mandat nach ihrer Behandlung abgeben, sobald sie die Klinik verlassen könne. Wann? „Das bestimmen (...) die Ärzte“. Am Abend meldet die Zeitung dann, dass Hinz zum 31. August abtreten wolle. Und dass sie ihr Bezüge für diesen Monat spenden wolle.

Um die Diäten, die sie weiter erhält, sei es ihr nie gegangen, beteuert Hinz, die entgegen ihren Angaben weder Abitur hat noch Jura studierte. „Ich bin mir meiner Schuld absolut bewusst und ziehe die Konsequenz­en, aber ich habe auch einen letzten Rest Würde verdient.“

Ihre Ämter in Partei und Essener Ortsverein hat sie Anfang des Monats niedergele­gt. Dass sie jahrelang täuschte, entsetzt viele Bürger. Kutschaty berichtet, die Reaktionen aus der Bevölkerun­g seien vernichten­d: „Erst hat sie gelogen, dann klebt sie an ihrem Mandat und zuletzt gibt sie auch noch verheerend­e Interviews“, fasst er das Meinungsbi­ld zusammen. Yuriko Wahl-Immel, dpa

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Foto: Sven Hoppe, dpa Petra Hinz will abtreten, lässt sich damit aber weiter Zeit.

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