Mittelschwaebische Nachrichten
Millionärsfreundin in Haft
Frau muss nach blutigem Streit auf der Wiesn viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Richter und Anwälte geraten sich in die Haare
München Die Verlobte eines Hamburger Millionärs muss ihr Luxusleben wohl vorerst gegen den Alltag im Gefängnis tauschen. Das Landgericht München I verurteilte die 34-Jährige gestern zu viereinhalb Jahren Haft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Die Mutter dreier Kinder hatte zugegeben, einen Wiesn-Gast 2015 vor dem Käfer-Promizelt mit einem Klappmesser verletzt zu haben. Der Mann hatte ihren Bekannten, den Ex-Fußballnationalspieler Patrick Owomoyela, zuvor rassistisch als „Bimbo“und „Neger“beleidigt und auch sie selbst verbal angegriffen. Der Lastwagenfahrer erlitt eine schwere Stichwunde, ihm musste die Milz entfernt werden. Die Frau ging nach dem Vorfall in die Nobeldisco P1 und feierte weiter.
Beim Urteil hatte sie die Augen geschlossen, schließlich brach sie – wie schon zuvor oft in der Verhandlung – in Tränen aus. Ihre Verteidiger hatten stets von Notwehr gesprochen und auf Freispruch plädiert. Sie kündigten an, das Urteil „sehr wahrscheinlich“anzufechten und vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu ziehen. „Die Ange- klagte handelte mit Tötungsvorsatz“, begründete der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann sein Urteil. „Sie bringt die Tasche auf, sie bringt das Messer raus, sie macht es auf, sie sticht zu.“In dem Verhalten könne er keine Anhaltspunkte für eine Panik erkennen. Das Gericht lastete der Frau an, dass sie die Tat zwar gestanden, den verletzten Mann aber nicht als Opfer anerkannt und keine Verantwortung für ihre Tat übernommen habe.
Der Prozess hatte auch deshalb Schlagzeilen gemacht, weil der Verlobte der Angeklagten nach Auffassung des Gerichtes mehrfach versucht hatte, Zeugen zu kaufen. Ein Mann, der die Angeklagte mit einer Falschaussage entlasten und 200 000 Euro bekommen sollte, packte vor Gericht aus. Auch der Verletzte bekam Geld geboten. Gegen den Hamburger Millionär läuft ein Ermittlungsverfahren. Er wurde sogar vorübergehend festgenommen.
Im Anschluss an seine Urteilsbegründung fand der sichtlich wüten- de Richter deutliche Worte für die Verteidiger der Angeklagten. „Ich habe es in 27 Jahren noch nicht erlebt, dass Verteidiger jegliche professionelle Distanz zu ihrer Mandantin derart verloren haben“, sagte er. Ob Anwälte in die Verwicklungen um den gekauften Zeugen einbezogen waren, müsse geprüft werden. Auch ein „lancierter“Artikel in einer Zeitschrift sei zu beachten, sagte Riedmann. „Die Umstände verlangen nach Aufklärung.“
Es gebe Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht einer Straftat, sagte der Richter und kündigte an, die Anwaltskammer über das Handeln der Anwälte zu unterrichten. Rechtsanwalt Gerhard Strate wies die Vorwürfe zurück und vermutete Lokalpatriotismus beim Richter: Er glaube, „dass Verteidiger, die aus Hamburg kommen, hier nicht willkommen sind“. Und: „Die Wiesn ist schon ein Rechtsgut für sich.“München sei eine schöne Stadt, aber „die Strafjustiz in Bayern ist nicht so, dass man sich darüber freut“. Richter Riedmann aber betonte: „Die Kammer entscheidet nicht nach einem Sonderrecht für Prominente und auch nicht nach einem Sonderrecht für die Wiesn.“(dpa)
Verlobter wollte mehrere Zeugen kaufen