Mittelschwaebische Nachrichten
Die tausend Seiten einer Freundschaft
Starkino mit Colin Firth, Jude Law und Nicole Kidman um den harten Weg zum Dichter
„Die Welt braucht Dichter!“schwadroniert Thomas Wolfe (Jude Law) inbrünstig im Büro des New Yorker Verlagshauses Scribner’s Son. Solche Lektionen benötigt Lektor Max Perkins (Colin Firth) freilich kaum, hat er doch schon Autoren wie Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald entdeckt. Für den jungen Wolfe ist Perkins die letzte Hoffnung, bisher hat jeder Verlag sein 300-Seiten-Manuskript abgelehnt. Nur aus Gefälligkeit nimmt sich der Verlagsprofi des Bündels loser Seiten an und beginnt im Pendlerzug mit der Lektüre. Seine Skepsis weicht schnell der leidenschaftlichen Begeisterung. Er hält einen literarischen Rohdiamanten in Händen, da ist sich Perkins sicher.
Daraus einen funkelnden Roman zu schaffen, bedarf allerdings noch erheblicher Anstrengungen. Rigoros streicht er das Werk zusammen, nicht immer zur Begeisterung des Verfassers. Doch der extrovertierte Autor lässt sich von den sanften Methoden seines zurückhaltenden, gleichwohl unerbittlichen Mentors überzeugen. Lohn der gemeinsamen Mühe: Wolfes Debüt „Schau heimwärts, Engel“avanciert zum gefeierten Bestseller, der Erfolg wird für das ungleiche Duo zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Der britische Theaterregisseur Michael Grandage präsentiert mit „Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft“ein atmosphärisch dichtes Biopic über einen stürmischen Schriftsteller und dessen besonnenen Mentor – die Entscheidung, welcher der beiden tatsächlich das Genie darstellt, bleibt dabei dem Zuschauer überlassen.
Der preisgekrönte Bühnenprofi hat ein gutes Händchen für sein exzellentes Ensemble. Während Nicole Kidman als keifende Furie glänzt, darf Laura Linney die verständnisvolle Mama mimen. Jude Law gibt den extrovertierten Künstler bis hart an die Klischeegrenze, derweil Colin Firth bei seinem Porträt des sensiblen Lektors souverän auf maximalen Minimalismus setzt. Bis auf die letzte Szene trägt der Oscargewinner stets Hut – was nicht nur einen Eintrag ins Guinness-Buch wert sein sollte, sondern der dramatischen Schlusssequenz einen ganz besonderen Kick verleiht.
Für solch pfiffige Einfälle bedarf es eines schillernden Drehbuchautoren wie John Logan: Der war nicht nur für „Gladiator“, „Aviator“und „Hugo Cabret“für den Oscar nominiert, aus seiner Feder stammen zudem die James-Bond-Abenteuer „Skyfall“und „Spectre“. Hier darf er sich mit geschliffenen Dialogen über hehre Kunst, herbe Textarbeit sowie frühes Marketing austoben, an denen auch Max Perkins seine Freude gehabt haben dürfte. ****
Filmstart
in Augsburg, Ulm