Mittelschwaebische Nachrichten
Old Shatterhand im Supermarkt
zur Diebstahlplage
Millionen von Jugendlichen ließen sich einst mit Karl-MayBüchern ihre Fantasie erhitzen. Beim Lesen der abenteuerlichen Geschichten erlebten sie, wie sittlich gefestigte Helden in wilden Gegenden das exotische Diebsgesindel abschüttelten und abstraften.
Inzwischen kann jeder ehrliche Bürger in die Haut von Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand schlüpfen. Wer sich im Supermarkt an den Regalen entlangtastet, hat auch ohne mitgeführte Winchester und ohne Henrystutzen das stolze Gefühl, als rechtschaffener Mensch auf dem Kriegspfad zu sein. Denn wie in den tollsten Abenteuergeschichten berührt er dort den Aktionskreis von Langfingern, Gangstern, Schurken, Halunken und Gaunern. Das Kölner Wirtschaftsforschungsinstitut EHI schätzt den Verkaufswert der im vorigen Jahr gestohlenen Waren auf 2,24 Milliarden Euro.
Was für ein herrliches Gefühl durchströmt angesichts dieser Zahlen den regulären Kunden, wenn er die Auswahl seiner Waren auf das Kassenband legt, um korrekt zu zahlen! Ohne besondere Anstrengung wird er zum Verteidiger einer gefährdeten Weltordnung. So erfüllt er eine Forderung, die uns Johann Gottfried Seume vor mehr als 200 Jahren in seinen „Apokryphen“aufgetragen hat. Er sagte: „Es gilt im Staate rechtlich eigentlich kein Zwang als der Zwang, verhältnismäßig zur Aufrechterhaltung der Ordnung beizutragen.“