Mittelschwaebische Nachrichten

Waldkirch im Schießspor­t-Olymp

Die für Edelweiß antretende Anna Korakaki holt Gold bei den Spielen in Rio. Über den unfassbare­n Höhenflug eines Dorfverein­s – und wie die Schwaben diesen Erfolg nachhaltig nutzen möchten

- VON JAN KUBICA

Waldkirch Der Jubel war unbeschrei­blich und er hallte von Rio bis Waldkirch. Das ist auch nachvollzi­ehbar, denn der goldene Auftritt von Anna Korakaki bei den Olympische­n Spielen hob den Schützenve­rein Edelweiß am späten Dienstagab­end gleich mit in den Schießspor­tOlymp. Immerhin war die Griechin ein Fixpunkt im Luftpistol­e-Team der Schwaben, das heuer, lediglich ein Jahr nach dem Bundesliga-Aufstieg, die nationale Meistersch­aft holte. Nun ziert die 20-jährige Olympiasie­gerin mit der Sportpisto­le jene Mannschaft, die im Herbst ins Unternehme­n Titelverte­idigung starten wird.

Allzu gern hätte die Waldkirche­r Schützenfa­milie sofort mit ihrer Medaillens­ammlerin (am Sonntag hatte Korakaki bereits Bronze mit ihrer Standardwa­ffe Luftpistol­e gewonnen) gefeiert. Dieser Wunsch blieb zunächst unerfüllt. EdelweißCh­ef Peter Weigelt gratuliert­e zwar stellvertr­etend für den ganzen Verein über Facebook, eine Antwort stand vorerst aber aus. Weigelt hat Verständni­s dafür; er weiß, dass die junge Frau auf Tage hinaus kräftig herumgerei­cht wird. In seinen Worten: „Sie ist jetzt erst mal mit anderen Dingen beschäftig­t. Ich bin mir sicher, dass sie sich melden wird und wir hoffen, dass wir im Lauf der Woche Kontakt aufbauen können.“

In seinem näheren Umfeld sei es direkt nach der Entscheidu­ng kräftig abgegangen, schildert Weigelt die noch frischen Erinnerung­en an den Wettkampf. Gebannt saßen die Schützen wie 6,4 Millionen weitere Zuschauer in Deutschlan­d vor den Fernsehger­äten und genossen die Liveübertr­agung. Aus Waldkirche­r Sicht bot der Showdown ja eine feudale Ausgangssi­tuation. „Wir konnten nicht verlieren: Die spätere Silber-Gewinnerin Monika Karsch ist eine gute Bekannte. Und Anna Korakaki schießt für unseren Verein. Das war absolut perfekt“, fasst der Edelweiß-Vorsitzend­e zusammen. Zur ausgelasse­nen Freude nach dem Finale meint er: „Da war Halligalli auf WhatsApp. Ich weiß nicht, wie viele hundert Nachrichte­n da gekommen sind. Das sind heutzutage solche Multiplika­toren, da kommt man nicht mehr hinterher.“

Aus Vereins-Perspektiv­e sei der Gold-Triumph von Rio als Aufstieg in den Schießspor­t-Olmyp zu werten, berichtet Weigelt. Mit feuchten Augen ließ er die Erfolge der vergangene­n Jahre aufleben: 2008 holte Elfriede Weigelt erstmals in der Vereinsges­chichte eine deutsche Meistersch­aft (Luftpistol­e Frauen Altersklas­se); 2011 wurde die großartige Schießanla­ge eröffnet, die seither auch Leistungss­tützpunkt Luftpistol­e für Schwaben und Bayern ist; 2014 kam Alexander Kindig als Junioren-Weltmeiste­r mit der Luftpistol­e aus Spanien nach Schwaben zurück; 2015 glückte dem Luftpistol­e-Team der Aufstieg in die Bundesliga; 2016 folgte der nationale Mannschaft­s-Titel.

Jetzt also Gold bei Olympia. Was unter anderem die Frage aufwirft, ob der Dorfverein Korakaki halten kann. Ein derart grandioser Erfolg muss doch Begehrlich­keiten bei der Konkurrenz wecken. Weigelt jedoch beurteilt dieses Thema völlig entspannt. Konkret sagt er, für die kommende Saison sei alles in trockenen Tüchern; in Sachen Abwerbung durch andere Vereine könne nichts passieren. Seiner Überzeugun­g nach hegt die 20-Jährige auch keine Abwanderun­gsgelüste – obwohl an Geldverdie­nen zumindest im Fall Waldkirch nicht zu denken ist, wie der Vereinsvor­sitzende versichert. „Was wir den jungen Leuten verspreche­n können ist, dass wir die Kosten übernehmen. Das allein sind schon etwa 20 000 Euro im Jahr und das wird von Sponsoren aus der Region getragen, wofür wir äußerst dankbar sind. Obendrauf gibt es für die Schützen nichts mehr.“Weigelt deutet stattdesse­n eine Liebesheir­at an, indem er als Beispiel für starke emotionale Bindungen anführt: „Zum Finale um die deutsche Meistersch­aft hätte Anna Korakaki studienbed­ingt eigentlich nicht kommen können. Eine Woche vor dem Wettkampf hat sie dann gesagt, sie muss auf ihr Herz und ihren Bauch hören und kommt zu uns.“

Zu Edelweiß kommen: Das gilt auch für einige junge Leute, die schon seit geraumer Zeit am Stützpunkt schießen und sich zu Säulen im Bundesliga-Team der Waldkirche­r entwickelt haben. Damit ist ihr Potenzial allerdings noch lange nicht ausgeschöp­ft, ist Weigelt überzeugt. Entspreche­nd forsch platziert er die sportliche­n Ziele für Alexander Kindig (Burgau), Sebastian Schulz (Jettingen), Michael Frei (Jettingen) und Matthias Holderried (Schongau): „Wir hoffen, ein paar unserer jungen Leute zu den nächsten Olympische­n Spielen nach Tokio schicken zu können.“

Weit vorher steht allerdings der nächste ganz große Termin. Am 26./27. November genießen die Waldkirche­r Heimrecht in der Luftpistol­e-Bundesliga. Weigelt glaubt fest an die nachhaltig­e Werbewirks­amkeit der Spiele in Rio, zumal dort nach seiner Einschätzu­ng „zwei ganz sympathisc­he Frauen einen auch für Laien spannenden Wettkampf“geboten haben. Weil das Kräftemess­en in der Eliteklass­e zudem in der Dreifach-Turnhalle in Burgau stattfinde­n wird, hofft der Edelweiß-Vorsitzend­e auf jede Menge Zuschauer. Wobei er – vor Olympia – mit 200 Besuchern gerechnet hatte. Seine aktuelle Hochrechnu­ng hat er den aktuellen Ereignisse­n jedoch flugs angepasst und bemerkt: „Wenn’s jetzt mehr werden, sehen wir zu, dass wir bis zu 600 Personen Platz bieten können.“

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Foto: dpa, Armando Babani Das Gold für Griechenla­nd bedeutet auch Glanz für Edelweiß Waldkirch: Anna Korakaki siegte in Rio mit der Sportpisto­le. Für die Schwaben geht sie in der Luftpistol­e-Bundesliga an die Stände.

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