Mittelschwaebische Nachrichten

In Syrien geht das Sterben weiter

Die von Russland angekündig­te tägliche Feuerpause bringt nichts. Ärzte richten einen dramatisch­en Appell an Barack Obama

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Aleppo Seit mehr als vier Jahren tobt der Bürgerkrie­g in Syrien. Alle Hoffnungen auf eine Lösung des Konflikts haben sich zerschlage­n. Die heftig umkämpfte Millionens­tadt Aleppo wird immer mehr zum Symbol des Leids. In der einstigen Rebellenho­chburg könnte sich das Schicksal des ganzen Landes entscheide­n. Trotz einer von Russland angekündig­ten täglichen dreistündi­gen Feuerpause ging das Sterben auch gestern weiter. In einem verzweifel­ten Appell an Barack Obama forderten Ärzte in Aleppo ein sofortiges Eingreifen der USA. „Uns helfen nun keine Tränen mehr, kein Mitleid und nicht einmal Gebete, wir benötigen Ihr Handeln“, heißt es in einem Brief an den amerikanis­chen Präsidente­n.

Aleppo ist das am härtesten umkämpfte Schlachtfe­ld im syrischen Bürgerkrie­g. Die Stadt ist zwischen dem Regime und verschiede­nen Rebellengr­uppen aufgeteilt. Erst vor wenigen Tagen wurde der Belagerung­sring um die Stadt gesprengt. Menschen strömten wieder auf die Straßen, die an vielen Stellen nur noch von Skeletten aus Beton und Schutt gesäumt sind. Die Bewohner der östlichen Stadtviert­el feierten. Ein Rebellenbü­ndnis – unter Führung von Islamisten – hatte die wochenlang­e Blockade durch die syrische Armee durchbroch­en. Doch schon kurz darauf schlugen wieder Granaten ein.

Seit Tagen steht die einst stolze Metropole im Norden Syriens unter Dauerbesch­uss. Und zerfällt immer weiter. Bislang ist es den Rebellengr­uppen nicht gelungen, eine sichere Passage aus der Stadt hinaus oder hinein zu errichten. Die Lage für die Bewohner verschärft sich jeden Tag. Hilfsorgan­isationen warnen: Selbst wenn die dreistündi­ge Feuerpause funktionie­ren würde, bliebe zu wenig Zeit, um die Menschen mit Lebensmitt­eln, Trinkwasse­r und Medikament­en zu versorgen. Die Leute in der Stadt verlassen sich statt auf moderate Rebellengr­uppen mehr und mehr auf Islamisten, die sich offiziell zwar vom Terrornetz­werk Al Kaida losgesagt haben, aber dennoch ein Herrschaft­sgebiet unter dem islamische­n Recht der Scharia aufbauen wollen.

Für den syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad, der von Russland militärisc­h unterstütz­t wird, wäre die Eroberung Aleppos von enormer Bedeutung. Verlieren die Rebellen ihre frühere Hochburg, wären die Hoffnungen auf einen Sturz Assads wohl zerstört. Auch deshalb ist Aleppo ein Sinnbild für den gesamten Bürgerkrie­g in Syrien.

Eine anhaltende Waffenruhe ist nach Ansicht von Experten so gut wie unmöglich. Dennoch forderten die Vereinten Nationen gestern erneut eine Feuerpause von 48 Stunden sowie sichere Fluchtkorr­idore, damit Hilfsliefe­rungen in die umkämpften Viertel gelangen können. Denn die humanitäre Situation wird immer dramatisch­er. In Aleppo gibt es noch etwa 30 Ärzte – für gut 300000 Menschen. Sie appelliere­n nun an Obama: „Zeigen Sie, dass Sie ein Freund des syrischen Volkes sind!“(dpa, afp, AZ)

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