Mittelschwaebische Nachrichten

Strauß’ engster Vertrauter

Aufstieg und Sturz von Gerold Tandler sind ein geballtes Stück CSU-Geschichte. Heute feiert der Mann, der in den Sog des Zwick-Skandals geriet, 80. Geburtstag

-

Er galt als uneingesch­ränkter „Kronprinz“von Franz Josef Strauß und wurde als „schärfste politische Mehrzweckw­affe der CSU“gerühmt. Letztlich war es einer der größten bayerische­n Steuerskan­dale, der Gerold Tandlers Karriere ein jähes Ende setzte. 1994 trat er auf Druck der Parteispit­ze als stellvertr­etender CSU-Vorsitzend­er zurück. An den damaligen Parteichef Theo Waigel schrieb er: „Ich habe mir kein unkorrekte­s Verhalten vorzuwerfe­n.“Auch Jahre später fragte Tandler, auf seinen Rücktritt angesproch­en: „Welche Affäre?“. Heute feiert der verheirate­te Vater von sechs Kindern in Altötting seinen 80. Geburtstag.

Zwei Jahrzehnte lang hatte Tandler die Politik der CSU maßgeblich geprägt. 1971 stieg der gelernte Bankkaufma­nn und passionier­te Judo-Kämpfer zum Generalsek­retär auf. Der engste Vertraute von Strauß erwarb sich schon damals den Ruf eines brillanten Parteiorga­nisators. 1978 wurde Tandler Innenminis­ter, von 1982 bis 1988 stand er an der Spitze der Landtagsfr­aktion und übernahm in Personalun­ion erneut das Amt des Generalsek­retärs. Mit dieser Doppelfunk­tion hatte der stets kühl und kontrollie­rt wirkende Oberbayer eine innerparte­iliche Machtstell­ung, die nur noch von Strauß selbst übertroffe­n wurde.

Spätestens als Strauß seinen „politische­n Ziehsohn“im Juni 1988 zum Wirtschaft­sund Verkehrsmi­nister ernannte, galt Tandler als dessen „Kronprinz“. Doch nach Strauß’ Tod im Oktober des selben Jahres machten Max Streibl als Ministerpr­äsident und Theo Waigel als Parteivors­itzender die Nachfolge unter sich aus. Aber auch Tandler nahm als neuer Finanzmini­ster eine Schlüsselp­osition ein. 1990 trat er als Minister zurück, ein Jahr später legte er sein Landtagsma­ndat nieder und wechselte als Vorstandsm­itglied der Linde AG in die Wirtschaft. Aufstieg und Sturz des begabten, meist mürrisch auftretend­en Politikers sind ein geballtes Stück CSUGeschic­hte. Tandler scheiterte letztlich am Versuch, Politik und Geschäft unter einen Hut zu bringen. Noch als Landtagsab­geordneter hatte er 1976 im Wallfahrts­ort Altötting das „Hotel zur Post“gekauft, das er noch heute mit seiner Familie betreibt. Kredite für das millionens­chwere Projekt erhielt er vom damaligen „Bäder-König“Eduard Zwick. Es sollte ein Fehler sein. Zwick, der mit Thermalbäd­ern Millionen verdient hatte, floh 1982 wegen Steuerschu­lden in Höhe von 71 Millionen Mark in die Schweiz. Und auch Tandler geriet in den Sog des Skandals – mit einem jahrelange­n juristisch­en Nachspiel. 1999 wurde er schließlic­h wegen Abgabenhin­terziehung und uneidliche­r Falschauss­age angeklagt. Erst im Jahr 2000 stellte die Staatsanwa­ltschaft das Strafverfa­hren „wegen nicht ausreichen­der Beweislage“gegen eine Geldbuße von 77000 Euro endgültig ein. Tandler selbst hat seine Unschuld stets beteuert.

Theo Waigel attestiert dem Politiker Tandler noch heute eine „vielseitig­e Begabung“. Er habe, sagt Waigel, Respekt vor dessen persönlich­er Leistung. „Er war immer fair zu mir.“Jörg Sigmund

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany