Mittelschwaebische Nachrichten
Elf Freunde und ein Angebot an alle
Tom Ruess ist mit dem Klingenburger Team gerade in die Regionalliga aufgestiegen. Über Berührungsängste von Laien, das deutsche Aushängeschild in Rio und die Stars der Szene
Mehr als ein Jahrhundert hat es gedauert, ehe Golf wieder olympisch wurde – und dann verzichten jede Menge Topspieler aus aller Welt auf eine Teilnahme. Bei den Männern fehlen die ersten vier der Weltrangliste. Was glauben Sie: Tun die Stars ihrem Sport damit einen Gefallen? Ruess: Das glaube ich nicht. Wenn man mal die Chance bekommen hat, bei Olympia antreten zu dürfen, hätten die Topstars auch hinfahren sollen.
Viele nannten das Zika-Virus Grund für ihr Fernbleiben. Ruess: Also, die oft gehörte Ausrede mit dem Zika-Virus – ob das der wirkliche Grund ist?
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Könnte sich dennoch eine Werbewirksamkeit ergeben – allein schon, weil in Rio überhaupt Golf gespielt und von dort aus in alle Welt gesendet wird? Ruess: Unbedingt. Ich glaube auch nicht, dass die Qualität des Turniers ernsthaft leidet. Klar, es fehlen Topleute. Aber im Golf kann ein Schlag alles entscheiden. Und das Feld ist sehr dicht; unter den Top 100 der Welt hat jeder eine Chance, in Rio zu gewinnen. Es geht ja auch immer um die Tagesform und die richtige mentale Einstellung.
Das deutsche Aushängeschild Martin Kaymer sieht Olympia augenscheinlich als großes Abenteuer, weit außerhalb des Üblichen. Und er schildert seine Erlebnisse im olympischen Dorf in Superlativen. Ruess: Da kann ich mich definitiv in ihn reinversetzen. Wenn man Input aus anderen Sportarten bekommt, so viel vom Tagesablauf und den Trainingsmethoden anderer mitkriegt – da kann man sich sicher was Positives abkupfern. Ganz abgesehen vom Fakt, dass es ein toller Austausch auf gesellschaftlicher Ebene ist.
Wo landen die deutschen Golfer in Rio? Ruess: Martin Kaymer traue ich definitiv den Sprung auf das Treppchen zu. Er spielt gerade sehr gutes Golf. Alexander Cejka wünsche ich ein tolles Olympiaturnier, traue ihm aber ehrlich gesagt nicht zu, unter die ersten drei zu kommen. Im Frauenbereich bin ich leider über-
Das schaue ich mir dann nächste Woche entspannt an.
Der Bau der olympischen Golfanlage war einigermaßen umstritten – und das ist kein Alleinstellungsmerkmal, sondern betrifft viele Golfplätze überall auf der Welt. Konkret ging es um Umweltfragen. Ruess: Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, aber so viel ich weiß, wurde die Anlage vom bekannten amerikanischen Golfplatz-Architekten Gilbert Hanse designt. Und ich glaube, dass jeder Golfplatz, der heute unter den bei Olympia herr-
schenden Bedingungen gebaut wird, ganz klar einen Blick auf die Umwelt hat. Da muss Technologie verbaut werden, die der direkten Umgebung zumindest nicht schadet. Aber man muss auch einräumen: Golf und Golfplatzbau ist immer ein Spagat zwischen Sportart und Konsum.
Ihr Verein, der GC Schloss Klingenburg, wurde für seine Naturschutzbemühungen sogar schon prämiert. Dort gibt es keine Beschwerden in Sachen Umwelt, oder? Ruess: Definitiv nicht. Der Verein ist ja auch offen; er bietet den Einwohfragt.
nern der Marktgemeinde JettingenScheppach und der ganzen Region die Möglichkeit, hinzukommen und durch die Natur zu schlendern. Dazu ist auch jeder herzlich eingeladen.
Sie haben mit dem Männerteam gerade den Aufstieg in die Regionalliga geschafft und damit den größten sportlichen Erfolg der Vereinsgeschichte erreicht. Ruess: Und es ist nicht nur eine Golfmannschaft, sondern es sind in diesem Fall wirklich elf Freunde, die da zusammenspielen. Wie geht’s jetzt weiter? Ruess: In einem Team kann man immer noch mehr arbeiten, und mit noch mehr Training sollte der Klassenerhalt auch ein realistisches Ziel sein. Es wird dafür jedoch ein größerer und fitterer Kader nötig sein, denn in der Regionalliga spielt man 36 Loch an einem Tag.
Bedeutet das, dass Sie auf der Suche nach Neuzugängen von außerhalb sind? Ruess: Unser Ziel ist nicht, von irgendwoher jemanden zu werben. Da wir unsere Jugendausbildung nicht vernachlässigt haben, besitzen wir dort einen Pool, aus dem wir schöpfen können.
Apropos Jugend: Wie sind Sie eigentlich zum Golf gekommen? Ruess: Indem ich ganz am Anfang im Kinderwagen von meinen Großeltern und meiner Mutter über den Platz geschoben wurde. Der Golfsport hat sich bei mir dann gegenüber Tennis und ganz am Ende auch gegen Handball durchgesetzt.
Welchen zeitlichen Aufwand muss man bringen, um, sagen wir mal, auf Ihrem derzeitigen Niveau zu spielen? Ruess: Wie bei jeder anderen Sportart ist es meistens nicht das Talent, das die letzten zehn Prozent ergibt. Es ist die Übung, es ist das Training. Nur ist das mit dem zeitlichen Aufwand eine komplett individuelle Sache. Als ich viel Zeit hatte, stand ich 30, 40 Stunden die Woche auf dem Platz. Heute bin ich froh, wenn ich an zwei Tagen in der Woche hinkomme. Aber wenn man spielt, ist man in diesem Sport meistens gleich ein paar Stunden draußen.
Wenn Sie für die Zukunft Ihres Lieblingssports einen Wunsch frei hätten – welcher wäre das? Ruess: Dass jeder, der nicht Golf spielt, offen gegenüber diesem Sport wird und es einfach mal ausprobiert.
Und wenn der Laie mutmaßt, dass es da zu elitär zugeht? Ruess: Die Klingenburg ist nicht mehr sehr elitär. Bei uns gibt es zum Beispiel eine große Tafel. An der sitzen alle gemeinsam, tauschen sich aus und essen auch zusammen. Golf ist immer noch Sport, das heißt, man kann sich mit jedem unterhalten, man ist mit jedem per Du.
Das Gespräch führte Jan Kubica