Mittelschwaebische Nachrichten

Angela Merkel steht vor einem Herbst der Entscheidu­ngen

Mit Rückendeck­ung von Horst Seehofer geben der Wirtschaft­sflügel und die Innenexper­ten der Union die Themen für den Wahlkampf vor: Steuern und Sicherheit

- Fer@augsburger-allgemeine.de

VON MARTIN FERBER

Abschalten, durchatmen und zur Ruhe kommen. Wie Millionen Deutsche hat auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihren Sommerurla­ub genutzt, um dem Alltag zu entfliehen und neue Kräfte zu tanken.

Sie wird sie brauchen. Denn nach der Rückkehr an ihren Schreibtis­ch im Kanzleramt am gestrigen Montag herrscht an Krisen, Konflikten, Herausford­erungen und Problemen kein Mangel, weder außen- noch innenpolit­isch. Merkel steht vor einem Herbst der schwierige­n Entscheidu­ngen. Im nächsten Jahr wird gewählt, die Öffentlich­keit will wissen, ob die Kanzlerin für eine vierte Amtszeit antritt und mit welchen Themen sie die Wahlen gewinnen will.

So einfach wie 2013 wird es 2017 nicht mehr werden. Damals reichten ihr im TV-Duell die drei schlichten Worte „Sie kennen mich“sowie das Verspreche­n, dass es mit ihr keine Steuererhö­hungen geben werde, um auf 41,5 Prozent der Stimmen zu kommen. Nach vier Jahren Großer Koalition sowie mit Blick auf die sich dramatisch verändernd­e Weltlage werden von ihr konkrete Antworten erwartet: Was wird aus Europa nach der Brexit-Entscheidu­ng? Wie gestaltet sich die weitere Zusammenar­beit mit der Türkei und mit Russland? Was wird aus Syrien und Libyen? Und vor allem: Wie geht es im eigenen Land mit Blick auf die Konsequenz­en des Zustroms an Flüchtling­en weiter? Bleibt Deutschlan­d ein sicheres Land?

Erschwert wird die Lage für die Union, dass mit der AfD eine Konkurrenz entstanden ist, die praktisch alles ablehnt, wofür die CDU nach der bald zwölfjähri­gen Kanzlersch­aft ihrer Vorsitzend­en steht. Alleine die Existenz der AfD zwingt CDU und CSU, sich inhaltlich zu positionie­ren.

Insofern ist es kein Zufall, dass sich zwei gewichtige Unionsflüg­el zu Wort meldeten und praktisch auf eigene Faust den Wahlkampf eröffneten. Erst legte die Mittelstan­dsvereinig­ung der Union ihr Konzept für eine Steuerrefo­rm vor. Dann präsentier­te Bundesinne­nminister Thomas de Maizière seinen Maßnahmenk­atalog zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschlan­d; gleichzeit­ig wurden die noch sehr viel weitergehe­nden Forderunge­n seiner Parteikoll­egen aus den Ländern bekannt. Wirtschaft­sflügel und Innenpolit­iker gaben damit den Tenor für den Wahlkampf der Union vor: Weniger Steuern, mehr Sicherheit!

In der Tat gibt es in beiden Bereichen gehörigen Nachholbed­arf. Wirtschaft­spolitik und Innere Sicherheit gehören zu den Kernkompet­enzen der Union, bei beiden Themenfeld­ern trauen ihr die Bürger am meisten zu. Doch ausgerechn­et in diesen beiden für das Selbstvers­tändnis wie den Wahlerfolg von CDU und CSU so wichtigen Feldern hat die Reputation der Partei in dieser Legislatur­periode am meisten gelitten, die Defizite sind offensicht­lich. Weil aber weder das Konzept des Wirtschaft­sflügels noch die Forderunge­n der Länder-Innenminis­ter mit dem Kanzleramt abgestimmt waren, blieben sie selbst in den eigenen Reihen nicht unwiderspr­ochen und offenbarte­n, wie tief gespalten die Union ist.

Die Debatten werden weitergehe­n, doch die Themen sind auf dem Markt. Weniger Steuern, mehr Sicherheit – Wirtschaft­sflügel und Innenexper­ten zwingen mit Rückendeck­ung von CSU-Chef Seehofer Merkel zu einem Kurswechse­l. So wollen sie die verunsiche­rten Wähler zurückgewi­nnen, auf Distanz zur SPD wie den Grünen gehen und der AfD das Wasser abgraben. Es ist ein Signal an die Kanzlerin. Mit einem Wohlfühlwa­hlkampf wird man 2017 nicht mehr punkten. Die CDU emanzipier­t sich von Merkel. Und die Kanzlerin muss Position beziehen.

Die Partei emanzipier­t sich von der Kanzlerin

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