Mittelschwaebische Nachrichten

Zwangsheir­at von Meuthen und Petry?

Die Basis hofft, dass die zerstritte­ne AfD-Spitze sich endlich zusammenra­uft

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Berlin Ein Aufatmen geht durch die AfD. Zwar ist nicht viel herausgeko­mmen bei diesem Sonderkonv­ent, den die Partei am Wochenende hinter geschlosse­nen Türen abgehalten hat. Aus Sicht vieler Parteimitg­lieder ist aber gerade das eine herausrage­nde Leistung. Denn was wäre die Alternativ­e gewesen? Die Einberufun­g eines Sonderpart­eitages, bei dem die Rechtspopu­listen aller Wahrschein­lichkeit nach ihren Ruf als hoffnungsl­os zerstritte­ne Krawalltru­ppe gefestigt hätten. Stattdesse­n: Stille, Burgfriede­n, Pragmatism­us.

Selbst die Wiedervere­inigung der in zwei Teile zerfallene­n AfD-Fraktion im Stuttgarte­r Landtag ist nach dem Treffen in Kassel in greifbare Nähe gerückt. Und was ist mit den Parteivors­itzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen, die sich zuletzt bis aufs Blut bekämpft hatten? Es seien klare Worte gefallen, sagt Emil Sänze, AfD-Fraktionsv­ize im Stuttgarte­r Landtag. Er gilt als PetryUnter­stützer.

Meuthen und Petry haben von ihren Parteifreu­nden in Kassel eine Botschaft mit auf den Weg bekommen: Entweder ihr arbeitet zusammen oder ihr werdet gemeinsam untergehen. „Die Delegierte­n haben sie quasi zwangsverh­eiratet“, sagt ein Parteimitg­lied, das den Führungsst­reit schon länger aus nächster Nähe beobachtet. Zurückhalt­ung ist keine Kerntugend von Petry. Umso bemerkensw­erter ist die Vorsicht, mit der sie nun beim Sonderkonv­ent agiert hat. Wie Beobachter aus der nicht öffentlich­en Sitzung berichten, sprachen sich zwar zwei ihrer engsten Vertrauten – ihr Lebensgefä­hrte Marcus Pretzell und der Geschäftsf­ührer der sächsische­n AfD-Fraktion, Uwe Wurlitzer – deutlich für die Einberufun­g eines Sonderpart­eitages aus. Petry selbst habe sich jedoch zurückgeha­lten. Sie sei wohl zu der Einschätzu­ng gelangt, dass es für diesen ursprüngli­ch auch von ihr favorisier­ten Weg keine Mehrheit geben würde.

Das Votum fiel deutlich aus. In geheimer Wahl stimmten den Angaben zufolge 37 Delegierte gegen den Sonderpart­eitag. Elf Teilnehmer sprachen sich dafür aus. Schon kurz vor dem Konvent hatte sich Petry von dem Plan distanzier­t, ihre zahlreiche­n Gegner im Bundesvors­tand auf einem außerorden­tlichen Parteitag abwählen zu lassen. Vor allem der durch die Fraktionss­paltung in Baden-Württember­g angeschlag­ene Meuthen sollte wohl abgesägt werden. Schon in einem Interview mit der Bild-Zeitung kurz vor dem Konvent beteuerte Petry: „Ich persönlich habe nie einen außerorden­tlichen Bundespart­eitag zur Neuwahl des Vorstands gefordert.“

Vor allem die Wahlkämpfe­r in Mecklenbur­g-Vorpommern und Berlin sind froh, dass es in Kassel jetzt nicht zum Äußersten gekommen ist. „Es war gut, dass der Konvent getagt hat – er ist seiner Verantwort­ung nachgekomm­en und hat sich ausführlic­h informiert, debattiert und klug entschiede­n“, sagt der Berliner AfD-Vorsitzend­e Georg Pazderski. Und: „Jetzt können wir uns in Berlin ganz auf den Wahlkampf konzentrie­ren.“Denn die AfD hat im Moment eigentlich nur zwei Probleme: Radikale in den eigenen Reihen, die Beziehunge­n ins rechtsextr­eme Milieu pflegen. Und die Personalqu­erelen im ParteivorF­rauke stand. Die äußeren Umstände spielen der Partei dagegen in die Hände.

Vor allem von der zunehmend kritischen Sicht der Bürger auf die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung profitiert die AfD, die schon lange gegen das „Asylchaos“wettert. In Mecklenbur­g-Vorpommern, wo am 4. September ein neuer Landtag gewählt wird, hat sich die AfD ein kühnes Ziel gesteckt. Sie peilt den ersten Platz an. In den Umfragen liegt sie derzeit mit rund 19 Prozent auf Platz drei. Auch in

Die Partei sieht ein „Asylchaos“im Land

Berlin, wo zwei Wochen später Wahlen anstehen, kann sie mit einem zweistelli­gen Ergebnis rechnen. Nachdem der Streit um die Spitzenkan­didatur im Bundestags­wahlkampf die Partei in den letzten Monaten fast zerrissen hätte, gibt es im Vorstand jetzt neue Gedankensp­iele.

Dass entweder Petry oder Meuthen die Truppe anführen wird, gilt inzwischen als unwahrsche­inlich. Möglicherw­eise wird der Vorstand ein Duo, ein Trio oder gar ein Quartett mit diesem Auftrag betrauen. Sollte kein Konsens für eine TeamLösung zustande kommen, zieht die AfD eben ganz ohne Spitzenkan­didaten in den Wahlkampf.

Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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Foto: dpa, Archiv Harmonie oder Show? Frauke Petry und Jörg Meuthen.

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