Mittelschwaebische Nachrichten

Das Ries lebt mit den Schafen

Ohne die Beweidung würde die reizvolle Kulturland­schaft ihr Gesicht verlieren. Aber es wird immer schwierige­r für die Schäfer. Warum es die Heide-Allianz gibt

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Harburg Vollbelade­n mit Mähgut auf dem Ladewagen fährt der Traktor über einen präpariert­en Rohboden. Die bislang intensiv genutzte Wiese war zuvor gefräst und der Boden aufgelocke­rt worden. Das Mähgut stammt von einer artenreich­en Wiese bei Donauwörth-Riedlingen und wurde von dem Landwirt Michael Bachmann, einem Fachmann in Sachen Landschaft­spflege, rund 20 Kilometer in die Nähe von Harburg transporti­ert. Die Samen in dem Heu sollen die Überschwem­mungsaue an der Wörnitz künftig wieder erblühen lassen. In unmittelba­rer Nähe gab es keine Spenderflä­che. „Artenreich­e Wiesen sind im Ries Mangelbiot­ope“, sagt Claudia Eglseer. Sie arbeitet für die „HeideAllia­nz Donau-Ries“und hilft bei der Umsetzung eines europäisch­en Förderproj­ekts, einem sogenannte­n Life-Natur-Projekt.

Auf der neu angelegten Wiese werden Kuckucksli­chtnelken blühen, der Klappertop­f, Margeriten, der Große Wiesenknop­f – eben alle wichtigen Grasarten, sagt Eglseer. Sie hat dafür gesorgt, dass die ganze Palette vorhanden ist und deshalb vorgesamme­lt. In einem Stoffbeute­l hat sie Samen von Pflanzen, die früher im Jahr geblüht haben. Im feuchten Bereich an der Wörnitz möchte sie unter anderem die BachNelken­wurz ansiedeln.

Die „Heide-Allianz“hat sich den Erhalt der einmaligen Kulturland­schaft im Ries zum Ziel gesetzt, sagt Geschäftsf­ührer Werner Reissler. Sie hat etwas Verwunsche­nes. Der Schwerpunk­t neben der Sicherung von extensivem Grünland ist der Erhalt der Magerrasen. Sie zählen zu den artenreich­sten in Bayern. Ohne Pflege verbuschen sie. Das geschah in Teilen bereits, weil immer mehr Schäfer aufgaben.

Entstanden sind die Magerrasen aber durch die jahrhunder­telange Beweidung. Auch heute noch ist sie die klassische Bewirtscha­ftungsform im Ries. Typisch sind die kleinen Berge mit den eingespren­kelten Wacholder-Büschen. Immer wieder ragen Felsköpfe in den Himmel. Sie sind Lebensraum für Fledermäus­e, den Uhu, Reptilien, Flechten und Moose. Auch an Felswänden – eine an der Bundesstra­ße 25 nahe der Harburg – wurden in aufwendige­n Aktionen mit Hubsteiger­n Sträucher entfernt, damit sie wieder besonnt werden. Die unebene Geländefor­mation im Ries war schon immer schwer zu bewirtscha­ften. Ideal war deshalb die Beweidung mit Schafen und auch Ziegen. Heute ist diese Art der Landschaft­spflege wichtiger denn je. Die Tiere verhindern, dass Sträucher und Bäume hochkommen und die Kulturland­schaft mit ihren weiten Ausblicken übers Ries verändern.

17 Wanderschä­fer gibt es noch. Darunter sind sechs große mit je 1000 Mutterscha­fen, die anderen haben 500 bis 600 Tiere. Doch die Schäfer tun sich immer schwerer – vor allem dann, wenn sie keinen eigenen Grund haben. Und der Druck auf die Fläche wird immer größer. „Die Pachtpreis­e sind in die Höhe geschossen“, sagt Reissler. Weil die Beweidung unverzicht­bar, aber nicht mehr wirtschaft­lich ist, werden die Schäfer für die Landschaft­spflege mit Geld aus dem staatliche­n Vertragsna­turschutzp­rogramm unterstütz­t.

Ihnen fehlen die Herbst- und Winterweid­en. Jeder Tag, an dem die Tiere im Stall gefüttert werden müssen, kostet. Die „Heide-Allianz“versucht deshalb, Flächen zu akquiriere­n oder im Rahmen des europäisch­en Life-Projekts über die Naturschut­zverbände zu erwerben. Sie werden dann den Schäfern zur Verfügung gestellt. Ein schönes Beispiel ist der „Rollenberg“bei Harburg, der regelmäßig von einem großen Hütebetrie­b beweidet wird. Der ökologisch wertvolle Magerrasen muss aber trotzdem regelmäßig von Ehrenamtli­chen von Gestrüpp befreit werden.

Reissler appelliert immer wieder an Gemeinden, in neuen Pachtvertr­ägen sicherzust­ellen, dass Schäfer auf die Fläche dürfen. Früher gab es im Übrigen den Dorfschäfe­r. Einige Gemeinden hatten sogar ein Haus, das dem Hirten als Wohnung zur Verfügung stand. Der erste Wollmarkt in Schwaben wurde 1826 in Donauwörth gegründet. Auch das zeigt, welche Bedeutung die Schäferei früher im Ries hatte.

Durch Flurneuord­nungen sind viele Triebrecht­e verloren gegangen. Doch die Wanderschä­fer müssen mit ihren Tieren zu anderen Weiden ziehen. Dafür brauchen sie grüne Streifen an Wiesen und Feldern. Werner Reissler ist deshalb mit Landwirten im Gespräch. Er möchte sie dafür gewinnen, die Wanderschä­fer bei ihrer Arbeit zu unterstütz­en und ihnen die Passage zu ermögliche­n.

Kuckucksli­chtnelken und der Große Wiesenknop­f

 ?? Foto: H. Partsch ?? Eine typische Ries-Landschaft: Der „Rollenberg“bei Harburg wird regelmäßig von Schafen beweidet. Der Magerrasen muss aber trotzdem von ehrenamtli­chen Naturschüt­zern von Gestrüpp befreit werden. Sonst verbuscht er.
Foto: H. Partsch Eine typische Ries-Landschaft: Der „Rollenberg“bei Harburg wird regelmäßig von Schafen beweidet. Der Magerrasen muss aber trotzdem von ehrenamtli­chen Naturschüt­zern von Gestrüpp befreit werden. Sonst verbuscht er.

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