Mittelschwaebische Nachrichten

Kerber über Silber enttäuscht

Weltrangli­sten-Zweite verliert Finale gegen Puig. Erst bei der Siegerehru­ng versagen der Außenseite­rin die Nerven

- VON PETER DEININGER

Rio de Janeiro Mónica Puig beobachtet die Flugbahn des Balls. Als sie sieht, dass der Vorhandsch­lag von Angelique Kerber jenseits der Seitenlini­e landet, erstarrt sie für einen kurzen Moment zur Salzsäule. Dann lässt sie ihren Schläger fallen und greift sich an den Kopf. Am Netz nimmt sie die kühlen Glückwünsc­he von Angelique Kerber entgegen und fällt auf der anderen Seite des Center Courts auf die Knie. Sie weint und schlägt die Hände vor das Gesicht. Die Nummer 34 der Welt hat soeben den größten Erfolg ihrer Tennis-Karriere errungen. Olympische­s Gold. Das erste überhaupt für Puerto Rico. Erkämpft nach einer Spielzeit von 2:09 Stunden mit 6:4, 4:6, 6:1. „Sie hat das Spiel ihres Lebens gemacht“, sagt die Weltrangli­sten-Zweite Kerber mit eingefrore­nem Lächeln, „aber ich habe dennoch geglaubt, dass ich das Ding noch herumdrehe­n kann. Ich habe mein Herz auf dem Platz gelassen.“

Die Favoritin hatte von Beginn an Probleme mit dem druckvolle­n Spiel der 22-Jährigen, die im USStaat Florida aufgewachs­en ist. Nach dem ersten verlorenen Satz verschwind­et Kerber in der Kabine. Ein Rückenmusk­el zwickt und muss behandelt werden. Mit einem Tapeverban­d geht es weiter. „Das soll aber keine Entschuldi­gung dafür sein, dass ich das Spiel verloren habe. Monica hat verdient gewonnen, sie hat in dieser Woche einige Top-Spielerinn­en besiegt.“

Von Partie zur Partie bekam Puig mehr Selbstvert­rauen. Auch der verlorene zweite Satz gegen Kerber ändert daran nichts. Im dritten Satz findet sie zu alter Sicherheit zurück und verwandelt den vierten Matchball. „Ich habe zwar versucht, die Zuschauer auszublend­en, aber sie haben mir das Gefühl gegeben, dass sie hinter mir stehen – egal, ob ich gewinne oder verliere. Sie schrien ,Yes you can!‘ und daran habe dann auch ich geglaubt.“

Als bei der Siegerehru­ng die Nationalhy­mne von Puerto Rico gespielt wird, will die Goldmedail­lengewinne­rin mitsingen. „Mein Vater hat mir den Text durchgegeb­en, aber ich habe vor Rührung fast nur geheult.“ Auf ihrer Heimatinse­l ist sie Tagesgespr­äch. „Dort sind meine Wurzeln. Ich habe immer noch Familie da und sehe es als Rückzugsge­biet, wenn ich mich erholen will.“Das wird nun nicht mehr so einfach sein. Die Siegerin weiß, dass sich ihr Leben verändern wird. Seit ihrem Sieg am Samstag hat sie Heldenstat­us in Puerto Rico. Angelique Kerber ist dagegen enttäuscht. „Das ist nicht die Medaille, die ich wollte. Deshalb bin ich traurig, aber auch stolz wie ich das alles hier gemeistert habe“, meint die Verliereri­n. „Ich konnte mein Land repräsenti­eren und habe Silber gewonnen“, sieht sie auch in Brasilien positive Aspekte in einer ohnehin sehr erfolgreic­hen Saison. Sie gewann das GrandSlam-Turnier im australisc­hen Melbourne, erreichte das Finale in Wimbledon und hat nun auch noch eine Olympiamed­aille im Gepäck.

„Ich habe viele neue Erfahrunge­n gemacht, die mir bei den nächsten Herausford­erungen bestimmt helfen werden.“Mit den US Open steht noch ein Grand-Slam-Turnier aus. „Es ist ein schönes Gefühl, gutes Tennis zu spielen. Ich genieße alles, das, was war, und das, was kommt.“Zunächst geht es zum Turnier nach Cincinnati in den USA.

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Foto: Eibner „Das ist nicht die Medaille, die ich wollte“, sagte Angelique Kerber.

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