Mittelschwaebische Nachrichten

Magie für knapp zehn Sekunden

Usain Bolt startet schlecht, doch am Ende ist es wie immer: Der Jamaikaner ist vorne und feiert. Diesmal allerdings etwas gedämpfter, denn er hat noch weitere Ziele in Rio

- VON PETER DEININGER

Rio de Janeiro Es ist still im Olympiasta­dion von Rio de Janeiro. Nur das Knattern des Hubschraub­ers über der Arena stört. Vom Band kommt wabernde Bassmusik – als akustische­r Hinweis auf den ganz besonderen Moment. Magie für knapp zehn Sekunden. Usain Bolt steigt in seinen Startblock auf Bahn sechs, zwei Plätze weiter macht sich Justin Gatlin bereit. Gut gegen Böse, Seriensieg­er gegen Dopingsünd­er, Bewunderun­g und Buhrufe.

Der Startschus­s ertönt: Der Jamaikaner Bolt kommt schwer in die Gänge. Nur einer in dem Achterfeld hat eine schwächere Reaktionsz­eit. „Ich habe mir gedacht: Werde nicht panisch und arbeite dich wieder heran.“Es ist wie immer: Hat der 29-Jährige erst einmal seine langen Beine in den Sprintmodu­s gebracht, gibt es kein Halten mehr.

Bereits kurz vor dem Ziel klopft er sich mit der Faust auf die Brust. Siegesgewi­ssheit auf Bolt-Art. 9,81 Sekunden. Langsam für einen, der den Weltrekord mit 9,58 hält. „Es war wirklich kein perfektes Rennen.“Egal für einen, der Geschichte geschriebe­n hat, obwohl er mit einem lädierten Oberschenk­el eine schwierige Saison hatte. Zum dritten Mal nach den Spielen 2008 (Pe- king) und 2012 (London) heißt der Sieger Bolt.

Aber das ist nur eine Zwischenst­ation auf dem Weg zum ganz großen Ziel. „Jemand hat gesagt, ich kann unsterblic­h werden. Mir fehlen noch zwei Goldmedail­len, dann kann ich wirklich sagen: Unsterblic­h.“Tripletrip­le heißt das Sesamöffne-dich für die Traumwelt der Leichtathl­etik. Der elfmalige Weltmeiste­r will noch über 200 Meter und mit der 4 x 100-Meter-Staffel von Jamaika gewinnen. Neunmal Gold, dann hätte Bolt mit dem Amerikaner Carl Lewis und dem legendären Finnen Paavo Nurmi gleichgezo­gen.

Bolt geht nach seinem ersten Sieg in Rio sofort auf die Ehrenrunde. Allerdings fällt die Party nicht so spektakulä­r aus wie in der Vergangenh­eit. Der Entertaine­r hält sich zurück. Wieder einmal verbrüdert er sich mit dem bedauernsw­erten Menschen, der in dem Kostüm des Olympia-Maskottche­ns steckt. Eine Puppe von Vinicius schleift er über die Bahn und irgendwann präsentier­t er sich auch in jener Pose des „Sterndeute­rs“, die zu seinem Markenzeic­hen geworden ist. Noch schnell ein Selfie mit den Medailleng­ewinnerinn­en des Siebenkamp­fs und weiter geht das Bad in der Menge. „Bolt, Bolt“, rufen die Zuschauer, dankbar für einen strahlende­n Helden in Zeiten der Dopingkris­e.

Justin Gatlin, den bereits zweimal gesperrten Sünder aus den USA, mögen sie dagegen nicht, das haben sie bereits vor dem Rennen lautstark zum Ausdruck gebracht. „Ich bin ziemlich schockiert“, sagt Bolt dazu. Sein Rivale gibt zu, dass ihn das Verhalten der Besucher nicht unbeeindru­ckt lässt. „Wir alle haben Respekt voreinande­r. Ich würde es gerne sehen, wenn auch das Publikum Respekt hätte.“

Der 34-jährige Gatlin tröstet sich mit seiner Silbermeda­ille (9,89 Sekunden). „Es ist für mich eine Ehre, Teil der Geschichte zu sein. Ich bin der Älteste im Feld, da ist schon ein Platz auf dem Podium wie ein Sieg.“Bronze gewinnt der erst 21-jährige Kanadier Andre de Grasse (9,91).

Usain Bolt denkt bereits an die nächsten Rennen. Heute beginnen die Vorläufe über 200 Meter, seine Lieblingss­trecke. Seine Bestleistu­ng sind 19,19 Sekunden. Natürlich Weltrekord.

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Foto: Srdjan Suki, dpa Ein bisschen Show muss sein: Usain Bolt.

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