Mittelschwaebische Nachrichten
„Stillstehen war nicht so meins“
Mit seinen Faxen bei der Siegerehrung verscherzte sich Diskus-Olympiasieger Christoph Harting viele Sympathien. Er wandelt damit auf den Spuren seines Bruders Robert
Rio de Janeiro Nach dem größten Triumph seines Lebens geriet Christoph Harting wegen seines Affront-Auftritts auf dem Gold-Podest von Rio in große Erklärungsnot. „Wie bereitet man sich darauf vor, Olympiasieger zu werden? Ich meine, selbst bei aller Tagträumerei, die man irgendwie vollziehen kann – so was kannst du dir nicht vorstellen, so was kannst du dir nicht ausmalen“, sagte der 26 Jahre alte Berliner in einem Interview der ARD und versuchte, sich zu rechtfertigen: „Stillstehen war nicht so meins, deswegen ist das vielleicht falsch angekommen.“
Es kam nicht nur falsch an, Christoph Hartings Verhalten nach seinem sensationellen Olympiasieg im Diskuswerfen sorgte für einen Shitstorm aus der Heimat und Entrüstung im deutschen Lager. „Seine sportliche Leistung war großartig, aber sein Verhalten bei der Siegerehrung ist unwürdig gewesen“, tadelte der deutsche LeichtathletikPräsident Clemens Prokop den jüngeren Bruder von Weltmeister Robert Harting nach dessen GoldCoup. Harting hatte während der Medaillenzeremonie am Samstag gemacht, die Arme verschränkt, Grimassen geschnitten und beim Abspielen der Nationalhymne geschunkelt. „Ich bin ein Mensch, der Rhythmus braucht, der Rhythmus liebt“, meinte er bei einer nicht minder skurrilen Pressekonferenz: „Es ist schwer, zur Nationalhymne zu tanzen, habe ich festgestellt.“Lachen konnte Michael Vesper über diesen Auftritt gar nicht. „Was Christoph Harting bei der Siegerehrung gezeigt hat, war nicht gut“, kritisierte der Chef de Mission. „Er ist Teil unserer Mannschaft und Botschafter unseres Landes.“ Harting meinte in der ARD, dass er auf dem Podium noch halb im Wettkampfmodus gewesen sei. „Du bist im Kopf eigentlich völlig woanders, du bist hormontechnisch völlig übersteuert“, sagte er. Allerdings hatte er auch nach der Siegerkür sein befremdliches Verhalten fortgesetzt. „Schönen guten Tag, ich freue mich, Sie zur Pressekonferenz, die relativ schweigend verlaufen wird, begrüßen zu dürfen“, sagte er. „Ich bin Sportler und kein PR-Mensch, ich beantworte echt ungern Fragen.“Mit Blick auf den nicht gerade geliebten Bruder Robert, einen der Wortführer der deutschen Athleten, der nach großen Triumphen traditionell medienwirksam sein Trikot zerreißt, fügte er an: „Extrovertierte Menschen wollen wahrgenommen werden. Ich bin ein introvertierter Mensch und fühle mich völlig unwohl hier.“
Selbst Hartings Trainer Torsten Lönnfors war einfach nur entsetzt. „Keine Ahnung, was das sollte, ich verstehe es nicht. Christoph muss aufpassen, dass er jetzt nicht frei dreht“, sagte der Coach der BildZeitung. Empörte Reaktionen gab es auch aus der Heimat. „Gold im Diskus ist echt super geil!!! Aber für dieses Verhalten schäme ich mich in Deutschland vor dem TV!“, schrieb der frühere Weitsprung-EuropaFaxen meister Sebastian Bayer auf seiner Facebook-Seite. Der ehemalige Handball-Nationalspieler Pascal Hens ätzte: „Das Verhalten bei der Nationalhymne ist einfach nur peinlich und respektlos!“In Schutz genommen wurde Christoph Harting von seinem Vater. „Wir haben die Siegerehrung auf der Großleinwand mitverfolgt. Das ist Christoph und seine Art, Erfolge zu feiern“, sagte Gerd Harting. „Christoph will seinen Spaß haben.“Nur, kaum jemand fand den Auftritt lustig.
Bezeichnend war auch Christoph Hartings Einordnung seines Erfolgs mit etwas Abstand. „Ich bin zur Legende geworden. Ich denke, ich bin in jedem Sportgeschichtsbuch. In allen sportpolitischen Magazinen kann man nachlesen, wer wann Olympiasieger war“, sagte der 2,07 Meter große Athlet. Erst im letzten Versuch hatte Harting mit 68,37 Meter sensationell den Polen Piotr Malachowski vom Gold-Rang verdrängt und sich damit zum Nachfolger seines Bruders Robert gekürt. Harting-Coach Lönnfors hat nun die weltbesten Diskuswerfer in seiner Trainingsgruppe, die aber die komplizierteste sein dürfte. (dpa)
„Seine sportliche Leistung war großartig, aber sein Verhalten bei der Siegerehrung ist unwürdig gewesen.“