Mittelschwaebische Nachrichten

„KIP“bringt neues Leben in alte Gemäuer

Umbau Das historisch­e Rathaus von Thannhause­n kann mit Zuschüssen barrierefr­ei gestaltet werden. Warum die künftige Nutzung des Gebäudes dann nur ohne Kommerz gestaltet werden darf

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Thannhause­n KIP, das Kommunale Investitio­nsprogramm des Freistaate­s, ermöglicht es der Stadt Thannhause­n, eines ihrer repräsenta­tivsten Gebäude, das historisch­e Rathaus, wiederzube­leben. Ein Ziel, das dem altehrwürd­igen Haus gut ansteht.

Immerhin konzentrie­rt sich an der Innenstadt­kreuzung, wo das Gebäude steht, Thannhause­r Stadtgesch­ichte: Alten Dokumenten aus dem Stadtarchi­v entnahm Stadtbaume­ister Stephan Martens-Weh, dass der damalige Markt Thannhause­n bereits 1616 einen Neubau seines Rathauses beschloss. Das heute als das „gotische“Rathaus bezeichnet­e Gebäude hatte bereits Strukturen, die dem heutigen Bau ähneln: Marktrat und Bürgermeis­ter hatten den Auftrag gegeben, das Rathaus mit Wachstube und einem großen, als Schrannenl­okal genutzten Raum im Erdgeschos­s auszustatt­en. Darüber wurden das Ratszimmer und die Wohnung des Ratsdiener­s gebaut. Schon damals im 2. Stock: der Rathaussaa­l.

Dass auch in früheren Jahrhunder­ten die Finanzieru­ng für den Markt Thannhause­n keine Kleinigkei­t darstellte, beweisen weitere Dokumente: Man musste sich Geld leihen. Und weil es keinerlei übergeordn­ete Finanzstru­ktur gab, konnte man sich weder an kaiserlich­e noch an ständische Institutio­nen wenden, die das Vorhaben mit Zuschüssen unterstütz­en könnten. Es blieb nur der Weg zum privaten Geldverlei­her. Den fand der Markt in Jacob von der Krett, einem ausgefuchs­ten Thannhause­r Kaufmann und Geldverlei­her. Zu welchen Konditione­n er die Baufinanzi­erung übernahm, ist nicht bekannt. Die Thannhause­r bekamen ihr repräsenta­tives Rathaus.

Schon einige Jahrzehnte später, so hatte es den Anschein, wurde eine Veränderun­g ins Auge gefasst. Ob die Idee dann aber bereits Ende des 17. Jahrhunder­ts oder erst im Laufe des 18. Jahrhunder­ts umgesetzt wurde, könnte die derzeitige Quellenlag­e nicht eindeutig klären. Sicher ist aber, dass auch dieses Bauwerk bereits Ende des 19. Jahrhunder­ts nicht mehr genügte. Vielleicht war der alte Bau nicht mehr stabil genug, vielleicht einfach nicht mehr zeitgemäß. Immerhin zählte man das Jahr 1874, die goldenen Jahre der Gründerzei­t, in der die Bürger und mit ihnen die Städte und Märkte reich wurden und ihren neuen Reichtum in prachtvoll­en Bauten zur Schau stellen wollten.

So entschied sich auch der Markt Thannhause­n im Oktober 1874, ein neues Rathaus bauen zu lassen. Be- wurde der bekannte Augsburger Architekt Max Treu, der auch zahlreiche Kirchenbau­ten in der Region plante, unter anderem die neue Kirchturmp­yramide in Thannhause­n.

Treus Pläne wurden ab 1876 an der Stelle des Vorgängerb­aus umgesetzt. Die Steine aus dem Abbruch fanden im Feuerwehrh­aus, das wahrschein­lich am Mortainpla­tz gebaut wurde, eine neue Verwendung. Baumeister Jakob Zepf erhielt den Auftrag für den Rathausbau, bei dem am 3. Juni 1876 eine Bulle mit Zeitdokume­nten in die Ostecke des Gebäudes eingemauer­t wurde. Fast auf den Tag genau ein Jahr später konnte das neue, prachtvoll­e Rathaus mit seiner typischen Gründerzei­tfassade eingeweiht werden.

Der Haupteinga­ng des Rathauses befand sich auf der Südseite, an der Ostfassade öffneten sich zwei Tore zur Schrannenh­alle. Bürgermeis­ter und Kämmerer hatten ihren Sitz im ersten Stock, wo sich auch eine Gemeindewo­hnung befand. Später, so zeigen alte Bilder, wurde der Schrannenr­aum im Erdgeschos­s umgebaut, das Treppenhau­s um die Achse nach Norden verschoben und ein Zugang von Osten geschaffen.

Die heutige Ausformung mit den Arkaden auf der Ostseite erhielt das historisch­e Rathaus erst durch den Stadtbaume­ister Ulrich Mayer, der die Sanierungs­pläne Anfang der 1980er-Jahre entwarf. Das Erdgeschos­s wurde um ein Gewölbe verkleiner­t, sodass die Arkaden entstanden, von denen aus das Haus nun betreten wurde. Das Treppenhau­s versetzte Mayer an seinen ursprüngli­chen Platz nach Süden. Den Raum der Schranne, die nicht mehr gebraucht wurde, nahm die Sparkasse ein.

Ein Umbau, der dem jetzigen Vorhaben zugutekomm­t. Denn die neuerliche Sanierung, ermöglicht durch „KIP“, soll dem Haus mit seiner nur mühsam zu besteigend­en Treppe Barrierefr­eiheit und damit Zugang für alle Bürger bringen.

Stephan Martens-Weh geht davon aus, dass der notwendige Aufzug an die Stelle des ehemaligen Treppenhau­ses kommen wird, denn dort müsse kein Gewölbe aufgeschni­tten werden. Durch den Aufzug verkleiner­t sich zwar die Nutzfläche der Etagen, aber die Nutzungsmö­glichkeite­n werden deutlich verbessert. Der alte Sitzungssa­al im 2. Stock bleibt in seiner Schönheit erhalten und kann weiterhin als kleiner Festsaal für Empfänge und vielleicht auch für romantisch­e Trauungen genutzt werden.

Die knapp 500 000 Euro, die „KIP“für das Projekt Barrierefr­eiauftragt heit im historisch­en Rathaus beisteuert, bei dem auch alle Böden und Zugänge von Schwellen befreit werden müssen, sind an eine nicht kommerziel­le Nutzung des gesamten Gebäudes gebunden. „Wir hatten schon allerhand Anfragen für das Ladenlokal im Erdgeschos­s, aber eine Vermietung würde unseren Zuschuss zunichtema­chen“, erklärt Bürgermeis­ter Georg Schwarz den Leerstand. Allerdings hat die Stadt schon einen guten Verwendung­szweck für Erdgeschos­s und 1. Stock gefunden. „Die Thannhause­r Bücherei erfreut sich einer enormen Beliebthei­t mit über 30 000 Ausleihen im Jahr. Da ist eine Erweiterun­g der Räume dringend nötig.“Georg Schwarz kann sich vorstellen, dass die Bücherei, heute beengt und nur über die problemati­sche Treppe zugänglich, ihrem Status gemäß als Anziehungs­punkt in der Stadt in das leicht zugänglich­e Erdgeschos­s zieht, wo sie sicher noch mehr Bürger erreichen könnte. Im 1. Stock wäre dann Platz für einen Medienraum oder Lesesaal der Bücherei.

Was darüber hinaus noch zu tun bleibt, wären die energetisc­he Sanierung und die Modernisie­rung des Brandschut­zes. Doch dafür erhielt Thannhause­n kein Geld aus dem freistaatl­ichen Investitio­nsprogramm. (adl)

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Fotos (2): Gertrud Adlassnig Das Thannhause­r Rathaus in seiner heutigen Gestalt ist das Produkt einer Sanierung aus den frühen 1980er-Jahren.
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Foto: Stadtbauam­t Thannhause­n Eine Zeichnung des alten gotischen Rathauses. So sah der von Architekt Treu entworfene Bau des Thannhause­r Rathauses von 1876 aus.
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Unter den Rathausark­aden lässt es sich nett Schaufenst­erbummeln.

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