Mittelschwaebische Nachrichten

Die Herrin der Ozeane

Porträt Franziska Bröll aus Fischach erforscht das Verhalten der Meeresbewo­hner. Jetzt macht sie mit einer Erfindung Furore

- VON MANUELA RAUCH

Fischach Nur drei Zentimeter lang und wenige Gramm schwer ist das technische Wunderwerk, das Franziska Bröll in Händen hält. Es sieht aus wie eine unscheinba­re Plastikkap­sel, doch im Inneren des kleinen Röhrchens befindet sich Hightech pur. Ein Computerch­ip, eine winzige Speicherka­rte und eine Batterie. Technik, die uns helfen soll, eine Welt zu verstehen, die kaum jemand wirklich kennt: die Ozeane.

„Über den Weltraum wissen wir viel, doch das Leben unter Wasser ist für den Menschen noch immer ein Mysterium“, meint Bröll. Die junge Fischacher­in will Licht auf das Dunkel des Meeresbode­ns bringen. Fische sind ihr Spezialgeb­iet. Gerade ist sie 30 Jahre alt geworden und seit Kurzem frischgeba­ckene Doktorin der Ozeanograf­ie. Die winzige Sonde hat sie selber gebaut. Weltweit sorgt ihre Erfindung für Furore, denn sie gewährt fasziniere­nde Einblicke in das Leben der Meeresbewo­hner.

Einblicke, die es so vorher nicht gab, erklärt die junge Forscherin. „Anders, als zum Beispiel in der Wüste, lässt sich die Tierwelt im Wasser nicht einfach so beobachten“, erklärt sie. Und selbst wenn der Mensch mit modernem Gerät abtaucht, sieht er nur einen winzigen Ausschnitt dessen, was in den Meeren vor sich geht.

Über das Verhalten der Fische ist wenig bekannt. Besser erforscht sind lediglich Arten, die vor allem für den Fischfang interessan­t sind. „Den Lachs zum Beispiel, den kennen wir schon sehr gut. Er ist eine der wenigen Arten, über die man sehr viel weiß.“Trotzdem gibt es eine Fülle ungelöster Rätsel. Wie etwa das Geheimnis um die Wanderunge­n der Thunfische, die weite Strecken durch die Ozeane zurücklege­n. Lange und vor allem gefährlich­e Wege, erzählt Bröll. Warum tun sie das? Nicht immer nur zur Verfolgung ihrer Beutefisch­e. Und vor allem, was passiert auf ihren Reisen? Brölls Sonde soll Antworten liefern. „Uns interessie­ren das Fressverha­lten, ihre Fortpflanz­ung und das Bewegungsm­uster“, erklärt sie. Die Sonde wird vom Fisch getragen. Er wird so zum schwimmend­en Datenfür Aufgezeich­net werden die Informatio­nen von einem Bewegungss­ensor. Gängige Technik, die in fast jedem Smartphone zu finden ist. „Im Grunde genommen nichts anderes als ein Schrittzäh­ler oder ein Fitnessarm­band.“Eigentlich simple Technologi­e, doch der Aufwand ist groß und die Auswertung der Datenflut komplizier­t.

Franziska Bröll machte das Sensor-Projekt zum Thema ihrer Doktorarbe­it. In Alaska hängte sie die Plastikkap­seln mal an einen Heilbutt, mal an einen Kabeljau. Aus den Ergebnisse­n lassen sich spannende Rückschlüs­se ziehen. Dank ihrer Versuchsre­ihe weiß man heute, dass etwa Fische derselben Art mit gleicher Geschwindi­gkeit schwimmen, egal wie lang sie sind. „Bisher hatte man doch immer vermutet, ein größeres Exemplar würde schneller sein als der kleinere Artgenosse.“Bröll hat den Mythos widerlegt.

Jetzt hat die Fischacher­in, deren Wahlheimat Kanadas Ostküste ist, das Wachstum der Tiere ins Visier genommen. Nicht nur die Fischindus­trie sollte aufhorchen. Bröll geht es auch um den Schutz der Meere. „Das Wissen um das Verhalten der Fische gibt Aufschluss über die Effi- zienz der Meeresschu­tzgebiete“, erklärt sie. Zehn Jahre Forschung liegen nun hinter der jungen Wissenscha­ftlerin. Nach ihrem Abitur in Ursberg zog sie aus der schwäbisch­en Idylle nach Neuseeland. Mit Walen und Delfinen wollte sie damals arbeiten. „Schon als Kind hatte ich diesen Traum“, erzählt Bröll. Sie studiert Meeresbiol­ogie und entscheide­t sich nach einem Auslandsse­mester in der kanadische­n Hafenstadt Halifax für eine Promotion in Ozeanograf­ie. Ein Fachgebiet, das auch als „Physik der Meere“bezeichnet wird. Anders als in der Meeresbiol­ogie geht es weniger um Tiere, dafür mehr um Technik.

Bröll bastelt zu dieser Zeit an den ersten Sensoren, lernt Leiterplat­ten zu löten und Datenberge zu analysiere­n. Als die ersten Unternehme­n anklopfen, holt die ambitionie­rte Forscherin einen jungen Bio-Ingenieur mit ins Boot. Gemeinsam gründen sie die Firma Maritime BioLoggers. Seitdem fertigen sie die kleinen Hightech-Pakete, speziell nach den Wünschen des Kunden. Die Regierung hat das Start-up-Unternehme­n gefördert. „Für mich ist das ein zweites Standbein“, sagt Bröll, die sich aber in erster Linie als Forscherin sieht. „Ich will verstesamm­ler. hen, wie die Dinge funktionie­ren“, sagt sie. Der Wissenscha­ft den Rücken kehren käme ihr nicht in den Sinn. Zu groß ist die Angst vor einem Tunnelblic­k, zu groß der Entdeckerd­rang.

Ihr nächstes Ziel ist das schottisch­e St. Andrews. Bis zum Herbst will Bröll dort mit Rochen arbeiten. „Unglaublic­he, wunderschö­ne Tiere“, schwärmt sie. Danach geht es zurück nach Kanada, dem „Paradies Meeresfors­cher“. Läuft alles nach Plan, könnte in ein paar Jahren die Professur folgen.

Eine Rückkehr nach Deutschlan­d schließt sie aus. „Seit zehn Jahren wohne ich nun schon in Kanada“, sagt sie. Zu lange, um in Deutschlan­d wieder Fuß zu fassen. Nur das deutsche Brot fehle ihr manchmal, sagt sie. „Aber darüber ärgere ich mich nicht mehr. Ich backe einfach selber.“

„Bisher hatte man vermutet, ein größeres Exemplar würde schneller sein als der kleinere Artgenosse.“Franziska Bröll

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Foto: Franziska Bröll Die Ozeanograf­in Franziska Bröll aus Fischach will mithilfe eines kleinen elektronis­chen Bauteils Licht auf das Dunkel des Meeresbode­ns bringen.
 ?? Foto: Damian Lidgard ?? Mittels solcher Sonden will Franziska Bröll mehr über das Leben von Tieren im und am Meer, wie zum Beispiel dieser Robbe, herausfind­en.
Foto: Damian Lidgard Mittels solcher Sonden will Franziska Bröll mehr über das Leben von Tieren im und am Meer, wie zum Beispiel dieser Robbe, herausfind­en.

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