Mittelschwaebische Nachrichten

Jeder Fünfte schmeißt die Lehre hin

Warum immer mehr junge Menschen vorzeitig abbrechen und welche Berufe besonders betroffen sind

- VON SEBASTIAN RICHLY (mit dpa und afp)

Augsburg Der Fachkräfte­mangel spitzt sich zu. Der Zentralver­band des Deutschen Handwerks rechnet zum Ausbildung­sstart am 1. September mit rund 30 000 unbesetzte­n Lehrstelle­n. Auch in der Region wird es für Firmen schwierige­r, den Bedarf an Auszubilde­nden zu decken. Hinzu kommt, dass mehr als jeder fünfte Lehrling in Bayern seine Ausbildung vorzeitig abbricht.

Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung hervor. Den Trend bestätigt Oliver Heckemann, Leiter Ausbildung bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben: „In der Region wird der Fachkräfte­mangel durch die Abbrecher verstärkt.“Im Gastronomi­egewerbe fehlten besonders Köche, sagt Heckemann. „Hier brechen besonders viele ihre Lehre ab.“Überdies suchen zahlreiche Unternehme­n händeringe­nd nach Verkäufern, Einzelhand­elskaufmän­nern und Lager-Logistiker­n.

Auch im Handwerk sind noch viele Stellen offen. Nach Angaben der Arbeitsgem­einschaft der bayerische­n Handwerksk­ammern stieg zwar die Zahl der Ausbildung­sverträge im Vergleich zum Vorjahr leicht an, dennoch waren zuletzt mehr als 800 Lehrstelle­n in der Region unbesetzt. Vom Anlagenmec­haniker bis zum Zahntechni­ker – in Schwaben seien noch viele Stellen zu haben, sagte Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer (HWK) für Schwaben. Er sieht es nicht als ausschlagg­ebend an, dass gut jeder Fünfte abbricht: „Das bedeutet nicht, dass diese Jugendlich­en das Handwerk verlassen. Es entscheide­t sich aber mancher schneller für einen Wechsel zu einer anderen Ausbildung­sstelle.“

IHK-Experte Heckemann sieht die Gründe für den vorzeitige­n Abbruch einer Lehre auch bei den Auszubilde­nden: „Die Jugendlich­en haben falsche Vorstellun­gen von den Berufen. Anspruch und Wirklichke­it klaffen häufig auseinande­r.“Viele seien zum Ausbildung­sstart überforder­t. Für solche Fälle bietet die IHK ein Bewerberma­nagement an: „Wir beraten die Auszubilde­nden und schauen, welcher Beruf am besten zu ihnen passt.“Der Trend zur höheren Schulbildu­ng – also Abitur und Studium statt Lehre – verschärft die Lage. Heckemann sagt: „Viele entscheide­n sich nach einem Jahr dazu, auf die Schule zu gehen.“Doch je später ein Lehrling abbricht, desto schwierige­r sei es für Unternehme­n, ihn zu ersetzen.

Eine Ausbildung vorzeitig zu beenden, ist prinzipiel­l kein Problem. Ein Wechsel in der Probezeit kann Vorteile haben. Heckemann sieht das so: „Dann haben beide Seiten noch Zeit, sich umzuschaue­n. Bis Dezember stehen die Chancen gut.“Doch was können Firmen tun, wenn ein Lehrling vorzeitig geht? Bei der IHK gibt es für solche Fälle eine Lehrstelle­nbörse. Sobald eine entspreche­nde Anfrage ankommt, wird ein passender Bewerber gesucht. „Der direkte Kontakt ist uns wichtig“, sagt Heckemann. Auch die Handwerksk­ammer verfügt über eine solche Börse.

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