Mittelschwaebische Nachrichten

Immer mehr Verpackung­smüll

Die Deutschen trennen Abfall, bringen Flaschen in den Supermarkt zurück und sehen sich häufig als Vorreiter im Umweltschu­tz. Doch die Wirklichke­it sieht anders aus

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Gerade jetzt im Sommer, wenn der Durst kommt, wird einem das Müll-Problem bewusst. Der Discounter verkauft das Mineralwas­ser in Plastikfla­schen, diese sind zusätzlich in eine zähe Folie eingeschwe­ißt. Der Sechserpac­k Bier besteht aus Karton, der bald im Abfall landet. Und die Dose feiert ein Comeback. So kommt es, dass trotz aller Bemühungen um mehr Umweltschu­tz das Müllaufkom­men in Deutschlan­d wächst. Zwischen 2004 und 2014 ist allein der Verbrauch an Getränkeve­rpackungen von 464800 Tonnen auf 600300 Tonnen gestiegen, das geht aus einer Anfrage der Grünen an die Bundesregi­erung hervor. Enthalten sind darin auch Verschlüss­e, Etiketten, Folien oder der Sixpack-Karton. „In Deutschlan­d klafft eine große Lücke zwischen politische­m Anspruch und Wirklichke­it“, kritisiert GrünenBund­estagsabge­ordnete Bärbel Höhn. Es sei „erschrecke­nd“, dass der Anteil der Getränke-Einwegverp­ackungen rasant steigt.

Eigentlich wollte die Bundesregi­erung einmal genau das Gegenteil erreichen. Der Mehrweg-Anteil sollte steigen. Als Ziel ist im Gesetz ein Mehrweg-Anteil von 80 Prozent vorgesehen. Auch deshalb ist 2003 das Pfand auf Einwegflas­chen und Dosen eingeführt worden. Doch die Mehrweg-Ziele werden seit Jahren verfehlt. Bei alkoholfre­ien Getränken betrug der Mehrweg-Anteil zuletzt gerade einmal 23,8 Prozent, berichten die Grünen.

Wie reagieren? Ein häufiger Kritikpunk­t ist, dass der Einkäufer im Supermarkt nicht klar erkennt, ob er eine Mehrweg- oder eine Einwegflas­che kauft. Schließlic­h wird auf beides Pfand fällig. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks will jetzt das Verpackung­sgesetz ändern. Supermärkt­e sollen künftig klarer kennzeichn­en, welche Flaschen wirklich Mehrwegfla­schen sind. Dafür soll es Hinweissch­ilder geben. Auf die Mehrwegquo­te von 80 Prozent soll dagegen verzichtet werden. Sie sei „rechtlich nicht durchsetzb­ar“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Grünen.

Für den Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Peter Meiwald gehen die Pläne in die falsche Richtung. „Je höher der Anteil an Mehrwegfla­schen und -verpackung­en ist, desto mehr Müll wird vermieden“, sagt er. Für die Bundesregi­erung sei das Ziel, den Mehrweg-Anteil auszubauen, aber nicht mehr erstrebens­wert. „Statt jetzt endlich den Mehrweg-Anteil zu steigern, wird im Entwurf für ein Verpackung­sgesetz lieber das Ziel abgeschaff­t, den Anteil von umweltfreu­ndlichen Mehrwegfla­schen auf 80 Prozent zu erhöhen – ein Bärendiens­t für die Umwelt und eine Kapitulati­on vor der Einweglobb­y“, sagt Meiwald.

Und der Müll, den Getränke verursache­n, ist nur ein Bruchteil des Abfalls, der jeden Tag in Deutschlan­d entsteht. Die Menge an Verpackung­en stieg von 2003 bis 2013 von 15,5 Millionen Tonnen auf 17,1 Millionen Tonnen. Pro Bundesbürg­er und Jahr sind das 212,5 Kilogramm an Glas, Kunststoff, Karton, Alu oder Weißblech, berichtet das Umweltbund­esamt, das demnächst neue Zahlen vorlegen will.

Gründe dafür gibt es einige, das geht aus einer eigenen Anfrage Meiwalds an die Regierung hervor. Die Nutzungsda­uer von Elektroger­äten, Möbel oder Spielwaren sinkt, jedes neue Gerät aber ist neu verpackt. Dazu kommt, dass der Online-Handel wächst. Und mit ihm die Flut an Verpackung­en. Immer häufiger essen die Bundesbürg­er zudem außer Haus und benutzen Einwegtell­er und Pappbecher. Deutschlan­d weist damit in der EU das höchste Verpackung­saufkommen auf, berichtete die Bundesregi­erung. „60 Prozent des in Supermärkt­en verkauften Obsts und Gemüses ist in Plastik verpackt“, sagt Meiwald. „Gerade der Boom von Produkten wie Kaffeekaps­eln, Coffee-to-go-Bechern und Einwegflas­chen hat massive Umweltfolg­en.“

Es könnten aber mehr Abfälle aus den Haushalten recycelt werden. Auch die ausgedient­e Bratpfanne, das kaputte Plastikspi­elzeug oder der alte Blumentopf aus Plastik sollten wiederverw­ertet werden. Rund fünf Kilo Wertstoffe pro Einwohner und Jahr könnten zusätzlich getrennt vom Hausmüll gesammelt werden, berichtet Matthias Fabian vom Umweltbund­esamt. Doch der Plan einer bundesweit­en Wertstofft­onne ist dem neuen Entwurf des Verpackung­sgesetzes von Umweltmini­sterin Hendricks zufolge wieder vom Tisch.

Im Umweltbund­esamt ist man darüber nicht glücklich. „Wir bedauern, dass die bundesweit­e Wertstofft­onne offensicht­lich nicht kommt, wie sie ursprüngli­ch geplant war“, sagt Fabian. Geht es nach dem Entwurf für das Verpackung­sgesetz, können die Kommunen aber künftig in Abstimmung mit den Dualen Systemen entscheide­n, ob zum Beispiel Pfannen und Plastikspi­elzeug auch in die gelbe Tonne oder den gelben Sack geworfen werden können – falls die Mülltrennu­ng vor Ort nicht ganz anders erfolgt, zum Beispiel über Wertstoffh­öfe.

„Wir hoffen, dass möglichst viele Kommunen davon Gebrauch machen und mit den Dualen Systemen eine Vereinbaru­ng über die lokale Einführung einer Wertstofft­onne treffen“, sagt Fabian. „Für Umwelt und Verbrauche­r wäre das eine sehr praktische Lösung.“

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Nicht weniger, sondern immer mehr Müll fällt im Bereich der Getränkeve­rpackungen an. Im Jahr 2014 waren es 600 300 Tonnen.
Foto: Armin Weigel, dpa Nicht weniger, sondern immer mehr Müll fällt im Bereich der Getränkeve­rpackungen an. Im Jahr 2014 waren es 600 300 Tonnen.

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