Mittelschwaebische Nachrichten
Die Lust kommt später
Corinna Sievers über eine Zweck-Liebe
Dr. Margarete Dorn, frei von Geschlechtstrieben, androgyn, Schönheitschirurgin, beschließt nach ihrer Scheidung, wieder einen Mann zu lieben. Eigentlich scheitern Menschen mit ihrem Vorhaben, sich geplant zu verlieben, weil das Schicksal sich nicht an Pläne hält. Eigentlich.
Ran an den Mann, denkt sich aber Margarete. Sie hat sich ihr Exemplar zur Fortpflanzung genau ausgesucht. Die 45-Jährige will den plastischen Chirurgen Professor Hans Heinrich lieben: unordentlich, eifersüchtig, sein Lachen wie das eines Grünspechts. Dafür Meister seines Fachs. Für Margarete ist das der Mann, der ihr Altwerden in angenehmer Weise begleiten könnte. Das zumindest glaubt sie nach Analyse der eigenen Hormone. Margarete wirkt sympathisch, trotz ständigen Siezens.
In Sievers’ Roman „Die Halbwertszeit der Liebe“endet der steril romantische Plan tragisch: Professor Heinrich fordert einen Liebesbeweis ein. Sie fahren in die Schweiz. Der Ex-Mann wird wieder aktuell, der gemeinsame Hund stirbt. Auf einem Gipfel in den Alpen nimmt ein weiteres Drama seinen Lauf. Ein Roman zum Verschlingen, obwohl Sievers in teils trockenem Mediziner-Sprech schreibt. Doch das Stück ist so verständlich wie die Suche nach der Liebe selbst. Verena Mörzl