Mittelschwaebische Nachrichten
Das Mädchen mit zwei Müttern
Baby Zephany verschwindet spurlos aus dem Krankenhaus. Die Eltern haben keine Hoffnung auf ein Wiedersehen. Dabei lebt das Kind nur ein paar Kilometer entfernt
Die Frau, die Zephany 19 Jahre lang für ihre Mutter hielt, muss wegen Entführung, Betrug und Verstößen gegen Kinderrechte zehn Jahre ins Gefängnis. Die gelernte Schneiderin hatte dem Gericht erklärt, eine weitere Frau habe ihr an einer Bushaltestelle ein angeblich verstoßenes Baby für 3000 Rand (aktueller Gegenwert: 201 Euro) übergeben. „Ein Märchen“, befand der zuständige Richter John Hlophe.
Südafrika erlebte im Laufe des 18 Monate dauernden Prozesses ein erschreckendes Drama, das nicht in einer glücklichen Familienzusammenführung zu enden scheint. Zephany wohnt weiter in dem Haus, in dem sie aufwuchs, zusammen mit dem Ehemann der Verurteilten. Er versicherte glaubhaft, an der Entführung nicht beteiligt gewesen zu sein. „Sie ist am Boden zerstört, weil sie ihre Mutter verloren hat“, sagte er am Rande des Prozesses. Südafrikanische Medien berichten übereinstimmend, dass es den leiblichen Eltern bislang nicht gelungen sei, eine Beziehung zu Zephany aufzubauen: „Ich habe keine Bindung mit meiner Tochter, und das tut weh“, sagte ihr Vater Morne Nurse. Die Hoffnung wolle er aber nicht aufgeben. Zephany selbst äußerte sich über ihren Anwalt und ließ keinen Zweifel daran, wen sie für ihre Mutter hält: die Entführerin.
Bei einer polizeilichen Gegenüberstellung wurde die Verurteilte von einer Frau identifiziert, deren Baby am selben Tag wie Zephany im Groote-Schuur-Krankenhaus zur Welt gekommen war. Dieses Kind hatte sie ebenfalls versucht zu stehlen, war aber ertappt worden. Richter Hlophe sah die Beweislage als „überwältigend“an.
Die Täterin hatte Zephany erst sechs Jahre nach der Geburt bei den Behörden registriert. Sie wählte dafür die Provinzstadt Malmesbury, die eine Stunde Autofahrt von Kapstadt entfernt ist. Hier ließ sich offenbar eher verschleiern, dass in dem als Geburtsort angegebenen Krankenhaus keine Aufzeichnungen über das Mädchen vorlagen. „Sie haben Zephany so viel Schaden zugefügt“, sagte Hlophe. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Haft gefordert, der Richter wertete es jedoch als mildernden Umstand, dass die Angeklagte ohne Vorstrafen war. Auch die beiden Großmütter von Zephany waren bei der Strafmaßverkündung im Gerichtssaal. Zephra Nurse sagte, sie hoffe, die Strafe sei streng genug, um Leute künftig von solchen Taten abzuhalten. Und Marilyn Francis, ihre Großmutter mütterlicherseits, hofft weiter, dass Zephany zu ihrer wahren Familie zurückkehrt. Denn die 19-Jährige ist heute selbst schwanger. „Nach der Geburt wird sie den Schmerz erahnen können, den ihre Mutter beim Verlust ihres Kindes durchstehen musste.“